Zytostatika

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. September 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Zytostatika sind Toxine, die das Wachstum und die Teilung von Zellen unterdrücken. In der Chemotherapie nutzten Mediziner diese Eigenschaft der Zytostatika.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Zytostatika?

Zytostatika sind Toxine, die das Wachstum und die Teilung von Zellen unterdrücken. In der Chemotherapie nutzten Mediziner diese Eigenschaft der Zytostatika.

Zytostatika (Singular: Zytostatikum) sind Substanzen, die das Zellwachstun unterbinden oder hemmen. Dabei erfolgt die Wirkung entweder im Stadium der Zellteilung (Mitose) oder während der Wachstumsphase zwischen den Teilungen. Allgemein gesagt, handelt es sich also um Zellgifte.

Der Begriff „Zytostatikum“ wird überwiegend da angewandt, wo es um die Zerstörung höherer Zellen geht. Gemeint sind dann Organismen, die große Zellen mit Zellkern und Chromosomen haben. Einige Zytostatika wirken aber auf alle Zelltypen ein, also auch auf niedere Lebensformen wie Bakterien. Spezielle Mittel, die Mikroorganismen abtöten, werden gemeinhin als Antibiotika bezeichnet, obwohl sie im Wortsinn ebenfalls Zytostatika sind. (Anders herum könnte man Zytostatika auch als Antibiotika bezeichnen.)

Allgemein bekannt sind Zytostatika als Medikamente im Rahmen der Chemotherapie bei malignen Tumoren (Bösartige Geschwüre). Doch auch für die Behandlung anderer Erkrankungen eignen sich Zytostatika.

Geschichte & Entwicklung

Die Entdeckung und Entwicklung von Zytostatika, die zur Hemmung des Zellwachstums und der Zellteilung eingesetzt werden, begann im frühen 20. Jahrhundert. Ein entscheidender Durchbruch erfolgte während des Zweiten Weltkriegs, als Wissenschaftler die toxischen Wirkungen von Senfgas untersuchten. Sie stellten fest, dass Stickstofflost, ein chemisches Kampfmittel, die Vermehrung von schnell teilenden Zellen, insbesondere Krebszellen, hemmen kann. Dies führte zur Entwicklung des ersten Zytostatikums, Mustargen (Mechlorethamin), das in den 1940er Jahren zur Behandlung von Lymphomen verwendet wurde.

In den 1950er Jahren erlebte die Zytostatika-Forschung einen weiteren Fortschritt, als Methotrexat, ein Folsäureantagonist, zur Behandlung von Leukämie entwickelt wurde. Methotrexat revolutionierte die Krebstherapie, indem es die Zellteilung in Tumorzellen blockierte. In den folgenden Jahrzehnten wurden zahlreiche weitere Zytostatika entdeckt, darunter Cyclophosphamid, ein Alkylierungsmittel, und 5-Fluorouracil, ein Pyrimidinanalogon, das in den 1950er Jahren zur Behandlung von Darm- und Brustkrebs eingeführt wurde.

In den 1960er und 1970er Jahren ermöglichte die Kombination verschiedener Zytostatika, die auf unterschiedliche zelluläre Mechanismen abzielten, effektive Chemotherapie-Protokolle, die die Überlebensraten bei vielen Krebserkrankungen erheblich verbesserten. Die Entwicklung von Zytostatika setzte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts fort und führte zur Einführung zielgerichteter Therapien, die spezifischere Angriffspunkte in Krebszellen nutzen.

Anwendung, Wirkung & Gebrauch

Zytostatika setzen auf der zellulären Ebene an verschiedenen Stellen an. Manche verhindern den regulären Aufbau des Zyto-Skeletts. Das sind feinste Proteinfäden, die im Inneren der Zelle zur mechanischen Stabilisierung beitragen. Einige Zytostatika verhindern die korrekte Vervielfältigung des Erbmoleküls, der DNA. Andere stören die Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen während der Zellteilung. Manche Zytostatika unterdrücken den Eiweißstoffwechsel in den Zellen, wodurch eine Zellteilung mangels Masse unmöglich wird.

Zytostatika treffen vorrangig solche Gewebe-Typen, in denen ein rasantes Zellwachstum mit hohen Teilungsraten stattfindet. Weil dies in Tumoren der Fall ist, wirken Zytostatika speziell – aber leider nicht ausschließlich – auf die Krebszellen. Der Einsatz von Zytostatika in der Chemotherapie erfolgt bevorzugt im Anschluss an Operationen. Trotz der Entfernung des sichtbaren Tumors können kleinste Tochtergeschwülste (Metastasen) im Körper verbleiben. Im Operationsgebiet können sogar einzelne Zellen abgeschilfert sein und eine neue Wucherung gründen. Um diese Reste vollständig zu eliminieren, kommen die Zytostatika zum Einsatz.

Eine weitere Indikation der Zytostatika sind Autoimmunkrankheiten. Das sind Fehlreaktionen des Immunsystems, das aus unbekannten Gründen körpereigene Substanz angreift. Die Arbeit unseres Immunsystems ist mit einer hohen Produktionsrate von Leukozyten (Weiße Blutkörperchen) verbunden. Aus diesem Grund wirken Zytostatika auch als Immunsuppressiva, die eine überschießende Körperabwehr herunterfahren. Allerdings ist dies ein relativ wenig genutztes Potential der Zytostatika.

Pflanzliche, natürliche & pharmazeutische Zytostatika

Zytostatika sind größtenteils organische, selten auch anorganische Substanzen. Die meisten dieser Verbindungen werden synthetisch hergestellt.

Manchmal sind sie naturidentische Wirkstoffe mit pflanzlichen Vorbildern. Das Spektrum der Zytostatika ist so umfangreich, dass eine praktische Klassifizierung selbst für Fachleute schwierig ist. Durchgesetzt hat sich zunehmend eine Einteilung nach molekularen Wirkmechanismen, die aber die Zugehörigkeiten zu den chemischen Substanzklassen teils außer Acht lässt.

Bemerkenswert sind die phytomedizinischen Aspekte der Zytostatika in der Chemotherapie. So wurden mit dem Gift der Herbstzeitlosen Versuche in der Krebsbehandlung unternommen. Colchizin (Colchicum: „Herbstzeitlose“) konnte sich hier zwar nicht bewähren, doch wird der Zellteilungs-Blocker bei Gicht verschrieben. Andere pflanzliche Wirkstoffe wirken tatsächlich gegen Tumore wie Topotecan aus dem chinesischen Glücksbaum (Camptotheca) oder Paclitaxel aus Eiben (Taxus).

Zu den rein anorganischen Zytostatika hingegen gehört die Platin-Verbindungen Cisplatin. Die Substanz lagert sich an die DNA an und stoppt dadurch die Zellteilung. Einige Zytostatika wurden ursprünglich als Medikamente gegen Infektionen entwickelt und sollten das Wachstum der Bakterien hemmen. Dann erwies sich die krebsrelevante Chemotherapie als das eigentliche Indikationsgebiet dieser Zytostatika.


Risiken & Nebenwirkungen

Zytostatika haben durch ihre aggressiven Eigenschaften gravierende Nebenwirkungen. Betroffen sind vor allem die Organe, in denen eine hohe Zellteilungs-Aktivität herrscht. Die sich ständig erneuernde Darmschleimhaut ist daher vom Effekt der Zytostatika betroffen.

Resultat ist die teils enorme Übelkeit während einer Chemotherapie. Eine hohe Mitose-Rate ist auch im Knochenmark zu verzeichnen. Daher ist die Bildung der Erythrozyten beeinträchtigt sowie die Produktion weißer Blutkörperchen. Anämie (Blutarmut) und eine geschwächte Immunabwehr ist die Folge. Ebenfalls gravierend sind die mutagenen (Erbgut verändernden) Eigenschaften der Zytostatika. Sogar die Entstehung von Krebs kann damit eine Nebenwirkung der akut lebensrettenden Chemotherapie sein.

Weniger gravierend ist der Nebeneffekt des Haarausfalles. Haare sind tote, übereinander gestapelte Zellen. Dadurch erfordert das Haarwachstum ständige Zellteilungen. Deswegen entfaltet sich auch hier die Wirkung der Zytostatika.

Anwendung & Sicherheit

Die Anwendung von Zytostatika erfolgt in der Regel im Rahmen einer Chemotherapie zur Behandlung von Krebs. Zytostatika hemmen das Wachstum und die Teilung von Krebszellen, greifen jedoch auch gesunde, schnell teilende Zellen an, was zu Nebenwirkungen führen kann. Die Verabreichung erfolgt häufig intravenös, kann aber auch oral oder intrathekal (direkt ins Rückenmark) verabreicht werden. Die Dosierung und der Behandlungsplan richten sich nach der Art des Krebses, dem Stadium der Erkrankung und der individuellen Verträglichkeit des Patienten.

In Bezug auf die Sicherheit sind strenge Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, da Zytostatika giftig sind und sowohl Patienten als auch medizinisches Personal gefährden können. Die Verabreichung erfolgt daher häufig in spezialisierten Krebszentren unter der Aufsicht von Onkologen. Das medizinische Personal trägt Schutzausrüstung, und spezielle Abfallsysteme werden verwendet, um eine Exposition gegenüber den Medikamenten zu minimieren. Patienten werden engmaschig überwacht, um Nebenwirkungen wie Übelkeit, Haarausfall, Infektionen oder Organschäden rechtzeitig zu erkennen.

Die Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Zytostatika unterliegt strengen pharmazeutischen Standards. Hersteller müssen sicherstellen, dass die Wirkstoffe gemäß den Good Manufacturing Practices (GMP) produziert werden, was regelmäßige Überprüfungen auf Reinheit, Dosierung und Sterilität beinhaltet. Jede Charge durchläuft umfangreiche Tests, bevor sie zur klinischen Anwendung freigegeben wird, um die Wirksamkeit und Sicherheit der Medikamente zu gewährleisten.

Alternativen

Zu Zytostatika gibt es verschiedene alternative Medikamente und Therapieformen, die ebenfalls zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden. Eine bedeutende Alternative sind zielgerichtete Therapien. Diese greifen spezifische Moleküle oder Signalwege in Krebszellen an, die für das Wachstum und Überleben der Tumorzellen notwendig sind. Beispiele sind Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Imatinib, die gezielt das Wachstum von Krebszellen hemmen, ohne gesunde Zellen stark zu beeinträchtigen. Diese Therapien sind oft präziser als Zytostatika und verursachen weniger schwere Nebenwirkungen.

Eine weitere Alternative sind Immuntherapien, die das körpereigene Immunsystem aktivieren, um Krebszellen zu bekämpfen. Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab blockieren die Signalwege, die Krebszellen nutzen, um dem Immunsystem zu entkommen. Diese Therapien können bei bestimmten Krebserkrankungen sehr wirksam sein und bieten eine neue Behandlungsoption für Patienten, bei denen Zytostatika nicht ausreichend wirken.

Hormontherapien werden bei hormonabhängigen Krebsarten wie Brust- und Prostatakrebs eingesetzt. Diese Medikamente, wie Tamoxifen oder Aromatasehemmer, blockieren die Wirkung von Hormonen, die das Wachstum von Tumoren fördern.

Im Vergleich zu Zytostatika sind diese alternativen Therapien oft besser verträglich, haben jedoch spezifische Anwendungsbereiche und sind nicht bei allen Krebsarten wirksam. Während Zytostatika auf schnelle Zellteilung abzielen, sind zielgerichtete und immunbasierte Therapien präziser und haben in der Regel weniger systemische Nebenwirkungen.

Forschung & Zukunft

Aktuelle Trends in der Forschung zu Zytostatika zielen darauf ab, die Wirksamkeit zu steigern und Nebenwirkungen zu minimieren. Ein wichtiger Trend ist die personalisierte Chemotherapie, bei der die Behandlung an die genetischen Eigenschaften des Tumors und des Patienten angepasst wird. Durch Genanalysen und molekulare Diagnostik können spezifische Zytostatika ausgewählt werden, die am besten auf den individuellen Tumor wirken, während unnötige Toxizität vermieden wird.

Ein weiterer Trend ist die Entwicklung von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC). Diese kombinieren monoklonale Antikörper, die gezielt Krebszellen erkennen, mit Zytostatika, die direkt an die Tumorzellen abgegeben werden. Dadurch wird das gesunde Gewebe weniger geschädigt und die Wirkung auf die Krebszellen erhöht. Beispiele dafür sind Trastuzumab-Emtansin, das bei HER2-positivem Brustkrebs eingesetzt wird.

Die Nano-Technologie eröffnet ebenfalls neue Möglichkeiten. Nanopartikel können Zytostatika gezielt an Tumorzellen abgeben und die Wirkung verstärken, während die toxischen Nebenwirkungen auf das gesunde Gewebe reduziert werden. Diese Technologie verbessert die Bioverfügbarkeit und Zufuhr der Medikamente.

Zusätzlich gibt es Forschungen zur Kombination von Zytostatika mit Immuntherapien. Zytostatika können das Tumor-Mikroumfeld verändern und das Immunsystem so aktivieren, dass Immuntherapien besser wirken. Solche Kombinationstherapien sind ein vielversprechender Ansatz, um die Wirksamkeit bei bestimmten Tumorarten zu erhöhen.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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