Antikörpertherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Antikörpertherapie gehört zu den Immuntherapien und wird häufig in der Krebsbehandlung eingesetzt. Bei der Antikörpertherapie werden künstlich hergestellte Antikörper eingesetzt, um bestimmte Krankheiten zu behandeln.
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Was ist eine Antikörpertherapie?
Die Antikörpertherapie basiert auf den unsere Immunabwehr stützenden Eigenschaften von Antikörpern. Die auch Immunglobuline genannten Antikörper sind ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Immunsystems, indem sie helfen, in das Immunsystem eingedrungene Fremdkörper sowie veränderte körpereigene Strukturen abzuwehren.
In den letzten Jahren sind in der Antikörpertherapie große Fortschritte erzielt worden. Vor allem sind Krankheitsprozesse und die entsprechenden körpereigenen Abwehrmechanismen mittlerweile besser erforscht, woraufhin zahlreiche neue Medikamente für die maßgeschneiderte Antikörpertherapie auf den Markt gekommen sind.
Heute werden in der Antikörpertherapie vor allem sogenannte monoklonale Antikörper eingesetzt, die künstlich hergestellt sind und auf jeweils unterschiedliche Krankheiten abzielen.
Geschichte & Entwicklung
Die Antikörpertherapie hat ihre Wurzeln in den Entdeckungen des späten 19. Jahrhunderts, als der deutsche Wissenschaftler Emil von Behring und sein Kollege Shibasaburo Kitasato die immunisierende Wirkung von Serum gegen Diphtherie und Tetanus erforschten. Behring entwickelte 1890 das erste Antitoxin, ein Antikörper enthaltendes Serum, das zur Behandlung von Diphtherie eingesetzt wurde und den Beginn der Serumtherapie markierte. Für diese Entdeckung erhielt er 1901 den ersten Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
In den 1970er-Jahren gelang Georges Köhler und César Milstein ein Durchbruch mit der Entwicklung der Hybridomtechnik. Sie fanden heraus, wie man monoklonale Antikörper – identische Antikörper, die auf ein spezifisches Ziel im Körper reagieren – im Labor herstellen konnte. Diese Entdeckung revolutionierte die medizinische Forschung und legte den Grundstein für die moderne Antikörpertherapie.
Die erste therapeutische Anwendung von monoklonalen Antikörpern erfolgte 1986, als Muromonab-CD3 zur Verhinderung von Transplantatabstoßungen zugelassen wurde. In den 1990er-Jahren und darüber hinaus wurden Antikörpertherapien gezielt für Krebserkrankungen und Autoimmunerkrankungen entwickelt. Heute sind Antikörpertherapien zentrale Bestandteile in der Behandlung zahlreicher Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis, Multiple Sklerose und bestimmten Krebsarten. Mit der Entwicklung von humanisierten und vollständig menschlichen Antikörpern hat sich die Therapie weiter verbessert, und die Antikörpertherapie bleibt ein dynamisches Forschungsfeld, das laufend innovative therapeutische Ansätze hervorbringt.
Einsatz & Indikation
Eine Antikörpertherapie wird durchgeführt, wenn gezielte Immunantworten benötigt werden, um Krankheiten zu bekämpfen, die auf herkömmliche Therapien schlecht ansprechen. Sie ist besonders bei Krebserkrankungen wie Brustkrebs, Lymphomen oder Leukämie notwendig, wo Antikörper spezifische Oberflächenproteine der Krebszellen erkennen und angreifen. Durch diese gezielte Wirkung können die Antikörper Krebszellen markieren und das Immunsystem aktivieren, um diese gezielt zu zerstören, ohne das gesunde Gewebe stark zu beeinträchtigen.
Auch bei Autoimmunerkrankungen, wie Rheumatoider Arthritis oder Multipler Sklerose, wird eine Antikörpertherapie eingesetzt. Hier wirken die Antikörper, indem sie entzündungsfördernde Substanzen blockieren oder die überaktive Immunantwort abschwächen. In Infektionskrankheiten, etwa bei COVID-19 oder Hepatitis, können spezifische Antikörpertherapien helfen, die Viruslast zu reduzieren und die Ausbreitung der Infektion im Körper zu kontrollieren.
Die Notwendigkeit einer Antikörpertherapie ergibt sich meist, wenn herkömmliche Therapien wie Chemotherapie oder entzündungshemmende Medikamente nicht ausreichend wirksam sind oder starke Nebenwirkungen verursachen. Da Antikörpertherapien gezielt auf molekulare Strukturen wirken, die spezifisch für bestimmte Krankheitsprozesse sind, bieten sie eine hochpräzise Behandlungsoption. In Fällen, in denen eine schnelle und zielgerichtete Immunantwort erforderlich ist, kann die Antikörpertherapie eine lebensrettende und weniger belastende Alternative zu klassischen Behandlungen darstellen.
Vorteile & Nutzen
Die Antikörpertherapie bietet zahlreiche Vorteile gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden, insbesondere aufgrund ihrer Präzision und spezifischen Wirkweise. Ein zentraler Vorteil ist die gezielte Wirkung: Antikörper binden an spezifische Oberflächenmoleküle auf Krankheitszellen, beispielsweise Krebszellen, und greifen gezielt an, ohne gesundes Gewebe stark zu beeinträchtigen. Dies reduziert die Nebenwirkungen im Vergleich zu allgemeinen Behandlungsmethoden wie Chemotherapie, die auch gesunde Zellen angreift.
Ein weiterer Vorteil ist die Aktivierung des Immunsystems: Viele therapeutische Antikörper markieren krankheitsverursachende Zellen, sodass das körpereigene Immunsystem diese erkennt und angreift. Dies verstärkt die natürliche Immunabwehr und verbessert die Wirksamkeit der Behandlung, was besonders bei Krebserkrankungen von Vorteil ist.
Antikörpertherapien können auch entzündungsfördernde Signalwege blockieren, was sie ideal für Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn macht. Durch das gezielte Ausschalten spezifischer Moleküle, die die Immunantwort übermäßig anregen, kann die Antikörpertherapie das Fortschreiten von Autoimmunerkrankungen hemmen.
Zudem bietet die Antikörpertherapie eine hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Antikörper lassen sich genetisch modifizieren und optimieren, um für verschiedene Erkrankungen spezifische Wirkmechanismen zu nutzen. Diese Eigenschaften machen die Antikörpertherapie zu einer hochmodernen, präzisen und oft gut verträglichen Alternative oder Ergänzung zu klassischen Behandlungen wie Chemo- und Strahlentherapie.
Funktion, Wirkung & Ziele
Gegenwärtig findet die Antikörpertherapie besonders bei Krebs- und Autoimmunerkrankungen sowie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Anwendung. Sie trägt zu einer verbesserten Lebensqualität der Patienten bei und bremst meist das Fortschreiten einer Erkrankung. Je nach Anwendungsverfahren lässt sich die Antikörpertherapie in unterschiedliche Arten unterteilen.
Die bei der Krebsbehandlung angewandten Antikörpertherapien können, im Gegensatz zur Chemotherapie, gesunde Zellen schonen und gezielt helfen, dass das Immunsystem Tumorzellen angreift. Krebszellen sind "schlau"; sie werden vom Immunsystem oft nicht als körperfremde Eindringlinge erkannt und vernichtet. Die Antikörpertherapie trägt zur Identifizierung von Tumorzellen bei.
Manche Krebs-Antikörpertherapien lösen beispielweise eine Abwehrreaktion des Immunsystems aus. Bei dieser Therapieform binden sich Antikörper an die Oberfläche der Krebszellen und signalisieren dem Immunsystem, diese Tumorzellen zu vernichten. Anderen Antikörpern gelingt es, Rezeptoren zu blockieren, die dem Andocken von Krebszellen dienen. Wieder andere scheinen eine Art Selbstmordprogramm bei den Tumorzellen auszulösen, die auf Grund der Antikörpertherapie absterben.
Durch Antikörpertherapien lässt sich also das Tumorwachstum einschränken. Allerdings scheint es noch nicht möglich, mit einer Antikörpertherapie allein sämtliche Tumorzellen abzutöten. Daher kombinieren Ärzte oft eine Chemotherapie mit einer Antikörpertherapie. Besonders erfolgreich werden Antikörpertherapien bei Brustkrebs, einigen Formen von Lymphdrüsenkrebs und Leukämie sowie bei Darmkrebs eingesetzt, meist in Kombination mit einer Chemotherapie. Durch eine Antikörpertherapie kommt es zu einer eindeutigen Wirkungsverstärkung der Chemotherapie.
Erfolgversprechend ist die Antikörpertherapie auch bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Morbus Bechterew oder Multiple Sklerose. Bei diesen Krankheiten attackiert das Immunsystem den eigenen Körper. Über Infusionen mit Antikörpern wird beispielweise die rheumatoide Arthritis und Psoriasis-Arthritis behandelt. Die Wirkung dieser Antikörpertherapie hält etwa neun Monate lang an, dann erfolgt eine weitere Behandlung.
Bei dieser Art der Antikörpertherapie erkennen Antikörper die für diese Krankheiten typischen entzündungsfördernden Botenstoffe und veranlassen eine Bekämpfung dieser Stoffe durch das Immunsystem. So vermindern sie die Entzündungsaktivität und bremsen gelenkzerstörende Prozesse. Wie bei der Krebstherapie wird auch hier die Antikörpertherapie als Infusion verabreicht, die etwa zwei Stunden dauert.
Durchführung & Ablauf
Eine Antikörpertherapie beginnt mit der Identifizierung spezifischer Zielmoleküle auf den erkrankten Zellen, die den Antikörpern als Bindungsstelle dienen. Vor der Therapie untersucht der Arzt den Patienten, um festzustellen, ob die Erkrankung diese Zielstrukturen aufweist und die Antikörpertherapie erfolgversprechend ist. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, wird die Therapie vorbereitet und der Antikörper, häufig über eine Infusion oder Injektion, verabreicht.
Die Verabreichung erfolgt in kontrollierten Abständen, oft in spezialisierten Kliniken oder ambulanten Einrichtungen, da die Behandlung engmaschig überwacht wird. Die Dauer und Häufigkeit der Infusionen können je nach Erkrankung und individuellem Ansprechen variieren – einige Therapien finden einmal wöchentlich statt, andere in längeren Intervallen. Die Infusion dauert oft einige Stunden, während das medizinische Personal die Vitalzeichen und mögliche Nebenwirkungen beobachtet.
Im Körper zirkulieren die Antikörper und binden an die spezifischen Strukturen der erkrankten Zellen. Dies kann entweder die betroffenen Zellen markieren, damit das Immunsystem sie erkennt und zerstört, oder gezielte Signalwege blockieren, die für das Wachstum und die Vermehrung der Zellen verantwortlich sind. Die Wirkung tritt häufig nicht sofort ein, sondern entwickelt sich über mehrere Behandlungen hinweg.
Nach jeder Sitzung werden regelmäßig Blutuntersuchungen durchgeführt, um die Wirksamkeit zu prüfen und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Patienten erhalten eine engmaschige Nachsorge und Anpassung der Dosis oder Häufigkeit, wenn nötig, um die Therapie optimal auf den Krankheitsverlauf abzustimmen.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Im Allgemeinen ist eine Antikörpertherapie gut verträglich und effektiv. Zu den möglichen Nebenwirkungen, meist aber nur bei der ersten Infusion, gehören je nach verwendetem Antikörper allergische Reaktionen, seien es leichtere Reaktionen wie Hautausschlag, Übelkeit, leichte Luftnot oder Fieber, oder schwerere wie grippeartige Symptome, Kopfschmerzen, Schüttelfrost oder ein allergischer Schock. Um diese Risiken zu vermeiden, erhalten die Patienten vor der Infusion Medikamente, die einer allergischen Reaktion vorbeugen sollen.
Bei manchen Antikörpertherapien kann es allerdings auch zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen kommen, wie beispielsweise bei der Brustkrebstherapie mit dem Antikörper Trastuzumab, bei der das Herz geschädigt werden kann. Generell erhöht eine Antikörpertherapie wegen der Wirkung der Antikörper auf das Immunsystem das Infektionsrisiko bei einem Patienten oder sogar die Gefahr, an Krebs zu erkranken.
Es kann im Laufe der Therapie zu sogenannten opportunistischen Infektionen kommen, z.B. Tuberkulose oder eine durch einen Virus verursachte gefährliche Hirnerkrankung. Bei diesen Infektionen können sich Erreger vermehren, die normalerweise von einem gesunden Immunsystem abgewehrt werden. Schwangere Frauen sollten sich keiner Antikörpertherapie unterziehen, weil deren Wirkung auf das ungeborene Kind noch nicht genügend erforscht ist.
Alternativen
Falls eine Antikörpertherapie nicht möglich ist oder nicht den gewünschten Effekt erzielt, stehen verschiedene alternative Behandlungsansätze zur Verfügung. Eine häufige Alternative, insbesondere bei Krebserkrankungen, ist die Chemotherapie, bei der spezielle Medikamente das Wachstum und die Teilung von Krebszellen hemmen. Während sie wirksam gegen zahlreiche Krebsarten ist, greift sie jedoch auch gesunde Zellen an und kann zu starken Nebenwirkungen führen.
Eine weitere Option ist die Strahlentherapie, bei der hochenergetische Strahlen gezielt auf Tumore gerichtet werden, um deren Zellen zu zerstören. Diese Methode ist lokal begrenzt und besonders effektiv bei Tumoren, die auf eine bestimmte Körperregion beschränkt sind. Sie kann jedoch gesunde Gewebe in der Umgebung schädigen und ist daher nicht für alle Patienten geeignet.
Immuntherapie-Ansätze bieten eine zunehmend genutzte Alternative. Hierbei wird das Immunsystem aktiviert, um Krebszellen oder infizierte Zellen anzugreifen. Therapien wie Checkpoint-Inhibitoren oder CAR-T-Zelltherapie sind Beispiele, die das Immunsystem stärken, um gezielt gegen die Krankheit vorzugehen.
Auch Hormontherapien kommen insbesondere bei hormonabhängigen Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs zum Einsatz. Sie zielen darauf ab, das Wachstum der Krebszellen durch Blockierung von Hormonen zu stoppen.
Für Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen bieten entzündungshemmende Medikamente wie Kortikosteroide oder Methotrexat eine mögliche Alternative zur Antikörpertherapie, indem sie das Immunsystem unterdrücken oder gezielte Entzündungswege blockieren.
Quellen
- Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
- Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
- Seeber, S.: Therapiekonzepte Onkologie. Springer, Berlin 2007