Colchicin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Colchicin stellt den am längsten bekannten Wirkstoff zur Therapie von akuten Gichtanfällen dar. Das starke Spindelgift wird aus den Knollen und Samen der Herbstzeitlosen gewonnen.
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Was ist Colchicin?
Als Colchicin wird ein toxischer Wirkstoff aus der Gruppe der Tropolon-Alkaloide (natürlich vorkommende Verbindungen) bezeichnet, das vor allem aus den Samen und Knollen der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) extrahiert wird.
Colchicin kommt in erster Linie zur Vorbeugung und Therapie von akuten Gichtanfällen zum Einsatz. Der Wirkstoff verfügt über schmerzstillende und entzündungshemmende Eigenschaften, indem er als Spindelgift in die Mitose (Zellkernteilung) eingreift.
Colchicin selbst liegt als bitter schmeckendes, gelb-weißliches, amorphes oder kristallines und wasserlösliches Pulver vor, das sich unter Einwirkung von Licht dunkel verfärbt. Colchicin wird über den enterohepatischen Kreislauf (Nieren und Galle) eliminiert.
Pharmakologische Wirkung
Colchicin besitzt eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung, indem es bei einem akuten Gichtanfall die entzündlichen Prozesse in den Gelenken unterbindet und somit die Schmerzen minimiert.
Hierbei reduziert der Wirkstoff die Schmerzsymptomatik auf indirektem Weg. Bei einem akuten Gichtanfall liegt eine erhöhte Konzentration an Urat (Harnsäurekristallen) vor, die von den Makrophagen (Fresszellen) des Immunsystems phagozytiert (aufgenommen) werden. Dabei setzen diese Fresszellen Entzündungsmediatoren (entzündungsfördernde Substanzen) frei, wodurch die Schmerzen im Verlauf der Anfälle bedingt werden. Colchicin greift in diese Wirkungskette ein, indem es die Makrophagen daran hindert, die Harnsäurekristalle aufzunehmen, so dass keine Entzündungsmediatoren mehr freigesetzt werden.
Der Wirkstoff beeinflusst anders als Urikosurika (fördern Harnsäureaussscheidung) oder Urikostatika (hemmen die Harnsäurebildung) dabei nicht die Konzentration von Harnsäure im Blut. Zudem beeinträchtigt Colchicin als Zell- und Spindelgift die Mitose (Zellkernteilung) und hemmt den Aufbau der Mikrotubuli, einem wichtigen Bestandteil des Zytoskeletts von Eukaryonten, in den Zellen, indem es an das Protein Tubulin (Hauptbestandteil der Mikrotubuli) anbindet und so die Ausbildung des Spindelfaserapparates unterbindet.
Aufgrund dieser toxischen Wirkung wird der Einsatz von Colchicin mit einer Reihe von Nebenwirkungen assoziiert und zunehmend reduziert. So kann beispielsweise infolge der Mitosehemmung durch das Colchicin die Zellerneuerung der Epithelien des Dünndarms beeinträchtigt sein, weshalb sich gastrointestinale Beschwerden (Diarrhoe) manifestieren können. Entsprechend sollte im Rahmen einer Colchicin-Therapie in jedem Fall die geringstmögliche Dosierung zur Anwendung kommen.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Colchicin wird in erster Linie zur Therapie und Vorbeugung von akuten Gichtanfällen eingesetzt. Darüber hinaus lassen sich in der Literatur weitere Einsatzgebiete wie das familiäre Mittelmeerfieber (rekurrente Polyserositis), Morbus Behçet (chronische Vaskulitis) oder rezidivierende Perikarditis (Herzbeutelentzündung) finden.
Homöopathische Aufbereitungen des Wirkstoffes können zudem zur äußerlichen Therapie bei akuten Gelenkbeschwerden im Rahmen von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, Gelenkergüssen, gastrointestinalen Entzündungen oder Sehnenscheidenentzündungen zur Anwendung kommen. In aller Regel wird Colchicin in Tablettenform oder als Lösung oral appliziert. Zur Therapie eines akuten Gichtanfalls kommen bei einem Erwachsenen anfänglich 1 mg und anschließend bis zum Abklingen der Symptome bzw. bis zur Manifestierung unerwünschter Nebenwirkungen alle 1 bis 2 Stunden 0,5 mg zum Einsatz.
Hierbei sollte die tägliche Dosis nicht mehr als 4 bis 6 mg betragen. Zur Vorbeugung von akuten Gichtanfällen kann Colchicin in niedrigen Dosierungen (maximal 1,5 mg pro Tag) appliziert werden, wobei die Gesamtdauer dieser prophylaktischen Therapie nicht länger als drei Monate dauern sollte.
Zudem kann eine tägliche Dosis von 0,5 bis 1,5 mg Colchicin am Tag Anfällen des familiären Mittelmeerfiebers vorbeugen. Für einen Erwachsenen liegt die Letaldosis bei etwa 20 mg, wobei auch bei geringeren Colchicin-Mengen vereinzelte Todesfälle beobachtet werden konnten.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Colchicin ist besondere Vorsicht geboten, da es ein potenziell starkes Medikament ist, das insbesondere zur Behandlung akuter Gichtanfälle und seltenerer Erkrankungen wie familiärem Mittelmeerfieber eingesetzt wird. Die Dosierung sollte individuell angepasst werden, abhängig von der Schwere der Erkrankung und dem Zustand des Patienten.
Bei akuten Gichtanfällen wird üblicherweise mit einer Dosis von 1,2 mg begonnen, gefolgt von 0,6 mg nach einer Stunde. Bei Langzeittherapien, beispielsweise zur Gichtprophylaxe, wird eine niedrigere tägliche Dosis von 0,5 bis 1,2 mg empfohlen.
Da Colchicin eine enge therapeutische Breite hat, können leicht Überdosierungen auftreten, die zu schweren Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und sogar Organversagen führen können. Bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sollte die Dosierung reduziert oder das Medikament vermieden werden, da diese Bedingungen die Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigen können.
Es ist auch wichtig, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu berücksichtigen, insbesondere mit Medikamenten, die die Aktivität von CYP3A4-Enzymen beeinflussen, da dies das Risiko einer Colchicin-Toxizität erhöhen kann.
Risiken & Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen einer Colchicin-Therapie sind Diarrhoe (Durchfall), Emesis (Erbrechen), Übelkeit sowie Bauchschmerzen.
Häufig können zudem Beeinträchtigungen der Muskelfunktion (u.a. Muskelschwäche), Nierenschädigungen und Hautbeschwerden (Pruritus, Hautbrennen) beobachtet werden. Hohe Dosierungen führen in einigen Fällen zu Veränderungen des Blutbilds, Anämie, Haarausfall und/oder einem beeinträchtigten Nagelwachstum. Eine Therapie mit Colchicin ist bei Vorliegen einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, einer Schwangerschaft, eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion, bei Erkrankungen des gastrointestinalen Traktes, Veränderungen des Blutbildes sowie bei Beeinträchtigungen des Herzkreislaufs kontraindiziert.
Da Colchicin durch das Isoenzym CYP3A4 metabolisiert (abgebaut) und vom Multidrug-Resistance-Protein 1 (MDR1 bzw. P-gp) transportiert wird, müssen bei einer Therapie mit dem Wirkstoff zahlreiche relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln berücksichtigt werden. So kann eine parallele Therapie mit CYP3A4- (u.a. Ciclosporin, Makrolide) oder P-gp-Inhibitoren (u.a. Ranolazin) einen Anstieg der Plasmakonzentration sowie ausgeprägte Vergiftungen bedingen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Colchicin umfassen bestimmte gesundheitliche Bedingungen und Medikamentenwechselwirkungen, die die Sicherheit des Medikaments beeinträchtigen könnten. Colchicin sollte bei Patienten mit schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz vermieden werden, da die Ausscheidung des Medikaments verlangsamt ist und das Risiko einer Toxizität erhöht. Auch bei Patienten, die starke CYP3A4-Hemmer oder P-Glykoprotein-Inhibitoren einnehmen (z. B. bestimmte Antibiotika oder Antimykotika), ist Vorsicht geboten, da diese die Colchicin-Konzentration erhöhen können.
Weiterhin ist Colchicin bei Patienten mit bekannten Überempfindlichkeitsreaktionen gegen den Wirkstoff kontraindiziert. Schwangere und stillende Frauen sollten das Medikament nur nach strenger Abwägung der Risiken verwenden. Auch Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen, wie Geschwüren oder schweren Entzündungen, sollten das Medikament mit Vorsicht anwenden, da Colchicin gastrointestinale Nebenwirkungen verstärken kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Colchicin kann Wechselwirkungen mit verschiedenen Medikamenten aufweisen, insbesondere mit denen, die die CYP3A4-Enzyme und P-Glykoprotein beeinflussen. Medikamente wie Makrolid-Antibiotika (z. B. Clarithromycin), Kalziumkanalblocker (z. B. Verapamil) und Antimykotika (z. B. Ketoconazol) hemmen das CYP3A4-Enzym und können den Colchicin-Spiegel erhöhen, was das Risiko für Toxizität erhöht. Auch Statine und Fibrate, die zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden, können in Kombination mit Colchicin das Risiko für Muskelschäden (Rhabdomyolyse) erhöhen.
Es ist wichtig, bei der Einnahme von Colchicin die gleichzeitige Einnahme solcher Medikamente zu vermeiden oder die Dosierung anzupassen, um schwere Nebenwirkungen zu verhindern.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Colchicin aufgrund von Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen nicht verwendet werden kann, stehen bei der Behandlung von Gicht oder verwandten Erkrankungen verschiedene alternative Optionen zur Verfügung.
Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac sind eine gängige Alternative zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Diese Medikamente wirken durch die Hemmung von Entzündungsmediatoren, was zu einer schnellen Linderung der Symptome führen kann. Allerdings sind NSAR bei Patienten mit Magen-Darm-Problemen oder Niereninsuffizienz mit Vorsicht einzusetzen.
Corticosteroide wie Prednison werden ebenfalls häufig als Alternative zu Colchicin eingesetzt. Sie wirken entzündungshemmend und können sowohl oral als auch intraartikulär (direkt ins Gelenk) verabreicht werden. Diese Medikamente werden oft bei akuten Gichtanfällen verwendet, insbesondere wenn andere Mittel kontraindiziert sind.
Interleukin-1-Hemmer wie Anakinra oder Canakinumab stellen eine weitere Option dar. Sie greifen gezielt in den Entzündungsprozess ein, indem sie das Zytokin Interleukin-1 blockieren, das eine zentrale Rolle bei der Entzündung während eines Gichtanfalls spielt. Diese Medikamente sind jedoch in der Regel teurer und kommen meist bei therapieresistenten Fällen zum Einsatz.
Darüber hinaus können Lebensstiländerungen, wie eine purinarme Ernährung und eine gute Hydration, unterstützend wirken, um die Häufigkeit und Schwere von Gichtanfällen zu reduzieren.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor