Frühdyskinesie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Frühdyskinesie ist ein Begriff aus der Medizin, mit der eine recht häufige Nebenwirkung von Medikamenten beschrieben wird, die in den Dopamin-Stoffwechsel eingreifen. Da solche Medikamente vor allem für die Therapie von Psychosen, Schizophrenien und Erregungszuständen verwendet werden, ist die Frühdyskinesie vor allem in der Psychiatrie und Neurologie eine häufige Nebenwirkung. Doch auch Antiemetika gegen Erbrechen wie MCP oder Domperidon können Frühdyskinesien auslösen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Frühdyskinesie?

Nicht selten verkrampfen aufgrund der Frühdyskinese auch die Muskeln und es kann zu einer Atemnot kommen. Im schlimmsten Falle verstirbt der Patient aufgrund der Atemnot.
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Die Frühdyskinesie bezeichnet eine Bewegungsstörung, welche unter Behandlung mit antidopaminergen Medikamenten wie Neuroleptika oder Antiemetika auftreten kann.

Es treten dabei akut oder nach wenigen Tagen regelmäßiger Einnahme unwillkürliche Bewegungen wie Zuckungen des Mundwinkels, Schlundkrämpfe oder Sitzunruhe auf. Die Nebenwirkung lässt sich gut mit anticholinergen Infusionen behandeln.

Ursachen

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im zentralen Nervensystem und für die Planung und Koordination von Bewegungen notwendig. In der Pathogenese des Morbus Parkinson beispielsweise spielt das Dopamin eine entscheidende Rolle, Bewegungsmangel und -starre ist die Folge und ein häufiges Symptom bei Parkinson-Erkrankten.

Im Falle der Frühdyskinesie ist im Prinzip das Gegenteil der Fall, ein Zuviel an Bewegung, weil diese nicht mehr adäquat durch den Dopamin-Einfluss gehemmt oder gebremst werden können.

Medikamente, die dies verursachen, hemmen die Dopamin-Rezeptoren im Gehirn. Dies ist manchmal Nebenwirkung, manchmal aber auch gleichzeitig ihre erwünschte Wirkung, da durch Dopaminhemmung zum Beispiel die Auslösung von Erbrechen ausgebremst werden kann. Metoclopramid (MCP) und Domperidon sind solche antidopaminergen Substanzen, die man als Antiemetikum gegen Erbrechen einsetzt. Da dies oft nur kurzzeitig geschieht, sind Frühdyskinesien bei antiemetischer Therapie aber selten.

Häufiger kommen sie als Reaktion auf die antidopaminerge Teilwirkung der Neuroleptika vor: Diese Substanzen hemmen über Eingriff in den Stoffwechsel von Dopamin aber auch anderer Neurotransmitter wie Acetylcholin, Serotonin oder Histamin die Entstehung von Wahn und Halluzination und werden daher bei einer Vielzahl von psychiatrischen Erkankungen eingesetzt, erfreuen sich aber auch großer Beliebtheit zur Beruhigung und Sedierung zum Beispiel auf Intensivstationen.

Je stärker die antipsychotische Wirkung, desto stärker meist auch die unerwünschte Wirkung auf das motorische System: Frühdyskinesien, Spätdyskinesien und andere sogenannte extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen sind bei dauerhafter Einnahme die Folge. Betroffen sind vor allem ältere Neuroleptika wie Chlorpromazin und Levomepromazin, Haloperidol oder Melperon.

Neuere, sogenannte atypische Neuroleptika wie Clozapin, Olanzapin oder Risperidon sind gezielt unter anderem dahingehend entwickelt worden, dass sie weniger solche Nebenwirkungen aufweisen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Frühdyskinesie ist mit verschiedenen Beschwerden und Symptomen verbunden. Diese wirken sich in jedem Fall sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus und können zu schweren Komplikationen führen. In den meisten Fällen kommt es bei der Frühdyskinesie in erster Linie zu unwillkürlichen Bewegungen und in der Regel zu Kaubewegungen mit dem Mund.

Auch eine innere Unruhe kann durch die Frühdyskinesie auftreten und psychischen Beschwerden führen. Die Patienten können sich häufig nicht richtig konzentrieren und leiden ebenfalls an Störungen der Koordination. Sollte die Frühdyskinesie nicht behandelt und das auslösende Medikament weiterhin eingenommene erden, so kann es zu Krämpfen in den Muskeln oder zu einer Atemnot kommen.

Auch Entzündungen im Gehirn können im schlimmsten Fall durch die Frühdyskinesie eintreten und die Lebenserwartung des Betroffenen verringern. Allerdings treten die Entzündungen in einigen Fällen auch an anderen Stellen des Körpers auf. Die Ausprägung der Beschwerden ist bei verschiedenen Menschen unterschiedlich und hängt dabei vom eingenommenen Medikament ab.

In den meisten Fällen kann die Krankheit gut behandelt werden, wenn die Einnahme des Medikamentes gestoppt wird. Langfristige Schäden treten dabei in der Regel erst dann auf, wenn die Frühdyskinesie nicht frühzeitig behandelt wird.

Diagnose & Verlauf

Durch "Hemmung der Hemmung" (Enthemmung sozusagen) in motorischen Zentren des zentralen Nervensystems entstehen die Symptome der Frühdyskinesie: Nach wenigen Tagen dauerhafter Einnahme des Medikamentes treten Blickkrämpfe, tonische Kopfschiefhaltung durch Muskelkrämpfe oder Schlundkrämpfe bis hin zur Atemnot auf.

Des Weiteren ist die Sitzunruhe (Akathisie) eine typische Nebenwirkung, Nestelbewegungen der Hände können auftreten. Auch das Gegenteil ist möglich, eine Parkinson-ähnliche Muskel- und Bewegungsstarre. All diese motorischen Symptome geschiehen unwillkürlich und können vom Betroffenen unter Umständen als quälend empfunden werden, da sie nicht kontrolliert werden können.

Als andere mögliche Ursachen dieser Symptomatik kommen neurologische Dyskinesien, eine Strychninvergiftung, ein Tetanus oder eine Hirnentzündung in Frage. Dennoch gibt die Vorgeschichte der Medikamenteneinnahme meistens einen eindeutigen Hinweis hinsichtlich der Ursache und legt die Diagnose einer Frühdyskinesie nahe. Die Wirksamkeit der unter diesen Umständen umgehend einzuleitenden Therapie ist dann der endgültige Beweis für die Diagnose.

Komplikationen

Durch die Frühdyskinese kommt es zu unterschiedlichen Beschwerden, die den Alltag des Betroffenen relativ stark belasten können und die Lebensqualität erheblich einschränken. Es kommt dabei zu verstärkten Bewegungen, die in den meisten Fällen unwillkürlich geschehen. Von diesen Bewegungen und Zuckungen können verschiedene Regionen des Körpers betroffen sein.

Der Patient leidet auch an unwillkürlichen Bewegungen im Bereich des Mundes, sodass er nicht eigenständig kaut. Dadurch werden die Zähne verletzt, sodass es im Bereich des Mundes zu Schmerzen und zu Schäden kommen kann. Ebenso kommt es zu einem allgemeinen Unwohlsein und zu einer inneren Unruhe.

Nicht selten verkrampfen aufgrund der Frühdyskinese auch die Muskeln und es kann zu einer Atemnot kommen. Im schlimmsten Falle verstirbt der Patient aufgrund der Atemnot. Weiterhin kann es durch die Erkrankung zu Entzündungen am gesamten Körper kommen. Vor allem das Gehirn kann von diesen betroffen sein.

Die Frühdyskinese kann gut behandelt werden, sodass es nicht mehr zu weiteren Komplikationen und Beschwerden kommt. Dabei erfolgt die Behandlung meistens mit Hilfe von Medikamenten. Die Lebenserwartung wird in der Regel nicht eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bewegungsstörungen, die nicht auf einer Überanstrengung oder körperlichen Belastung basieren, sollten von einem Arzt kontrolliert werden. Halten die Beschwerden über mehrere Tage unvermindert an, gilt dies als ungewöhnlich und ist ärztlich abklären zu lassen. Eine Schiefhaltung des Kopfes, der Schultern oder des Oberkörpers ist einem Arzt vorzustellen. Ohne eine Korrektur der körperlichen Veränderungen drohen dem Betroffenen bleibende Schäden des Skelettsystems.

Kommt es zu Kopfschmerzen, Krampfbildungen, Versteifungen oder weiteren Muskelbeschwerden am gesamten Körper, empfiehlt es sich, einen Arzt zu konsultieren. Missempfindungen wie Zuckungen oder Taubheitsgefühle auf der Haut sind untersuchen und behandeln zu lassen. Bei einer Zunahme der Beschwerden oder deren Intensität sollte unverzüglich ein Arztbesuch erfolgen. Nimmt der Patient seit kurzem Neuroleptika ein, kann die Frühdyskinesie eine Nebenwirkung der Arznei sein. Bei den ersten Anzeichen ist die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt notwendig, um keinen dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erleiden.

Bei einer inneren Unruhe oder Unwohlsein sollte ein Arzt konsultiert werden. Können Angehörige ungewohnte Augenbewegungen beim Patienten beobachten oder treten Fehlfunktionen der Augen ein, ist ein Arztbesuch notwendig. Werden Unregelmäßigkeiten der Muskulatur beim Kauen wahrgenommen oder können die Bewegungen des Kiefers nicht mehr willentlich gesteuert werden, sollte ein Arzt die Beschwerden untersuchen und abklären.

Behandlung & Therapie

Die Frühdyskinesie kann meist sehr gut mit einem Gegenmittel behandelt werden: Das Anticholinergikum Biperiden hemmt die Entstehung und Fortleitung der motorischen Impulse im Gehirn und unterbindet so die unwillkürlichen Bewegungen.

Intravenös als Infusion gegeben, sollte das Mittel nach wenigen Minuten anschlagen. Andernfalls kann die Infusion nach einer halben Stunde wiederholt werden, auch die orale Gabe als Tabletten ist dann möglich und nötig.

Eine andere Möglichkeit, insbesondere bei Kontraindikationen gegen ein Anticholinergikum, ist die Therapie mit Benzodiazepinen, welche auch als Schlafmittel oder in der Anästhesie breite Verwendung finden und das Gehirn insgesamt kurzfristig etwas dämpfen.

Aussicht & Prognose

Da Frühdyskinesien bei den meisten Patienten durch die Gabe von Medikamenten mit einer antidopaminergen Wirkung hervorgerufen werden, kommt es häufig nach der Veränderung des Behandlungsplans sowie dem Absetzen der eingenommenen Präparate zu einer Rückbildung vorhandener Beschwerden. Oftmals wird bei diesen Patienten eine Beschwerdefreiheit erreicht.

Alternativ werden die Bewegungsauffälligkeiten durch die Gabe von entsprechenden Gegenmittel therapiert. Die Prognose bei einer Frühdyskinesie ist insgesamt günstig, aber dennoch abhängig von der vorliegenden Grunderkrankung sowie der Ausprägung der Beeinträchtigungen.

Liegt die Frühdyskinesie bereits mehrere Tage vor, kann es zu einer Atemnot oder anderen Komplikationen kommen. Damit sind Folgeerkrankungen möglich, die zu einer Verschlechterung der gesundheitlichen Verfassung führen. Sie haben einen negativen Einfluss auf die Lebensqualität des Patienten und können im schlimmsten Fall zu einer Verkürzung der Lebenserwartung beitragen.

Ohne eine ausreichende medizinische Versorgung kann es einer starken Beeinträchtigung bei der Alltagsbewältigung kommen. Es können sich zudem Entzündungen im Gehirn entwickeln, die mit Funktionseinschränkungen und dauerhaften Schäden verbunden sind.

Findet eine ausreichende medizinischen Behandlung statt, kann die Frühdyskinesie mit den vorhandenen Möglichkeiten gut therapiert werden. Je eher die Therapie erfolgt, desto schneller kommt es zu einem Abklingen der Symptome. Das Risiko für lebenslange Folgeerscheinungen ist in diesen Fällen ebenfalls reduziert.


Vorbeugung

Vorbeugung gegen Frühdyskinesien ist schwierig, da es sich um eine elementare Nebenwirkung der Medikamente handelt. Grundsätzlich sollten diese natürlich nur verordnet werden, wenn sie unbedingt nötig sind. Sorgsame Abwägung zwischen Wirkung und möglicher Nebenwirkung ist bei jeder Therapie nötig. Bei länger dauernder neuroleptischer Therapie sind dann vor allem Aufklärung über mögliche Symptome und deren Früherkennung wichtig, um frühzeitig eine Gegenmaßnahme einleiten zu können.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Möglichkeiten zur Nachsorge bei einer Frühdyskinesie sehr stark eingeschränkt. Dabei ist der Patient in der Regel zuerst auf eine direkte und medizinische Behandlung durch einen Arzt angewiesen, um die Beschwerden richtig und vor allem vollständig zu behandeln. Eine Selbstheilung kann bei einer Frühdyskinesie nicht eintreten.

Je früher die Krankheit dabei erkannt wird, desto besser ist auch der weitere Verlauf der Erkrankung. In den meisten Fällen wird diese Krankheit mit Hilfe von Medikamenten behandelt, wobei besondere Komplikationen meist nicht auftreten. Dabei muss auf eine richtige und vor allem auf eine regelmäßige Einnahme und Anwendung dieser Medikamente geachtet werden, um die Heilung zu beschleunigen.

In einigen Fällen werden die Wirkstoffe allerdings auch durch Infusionen in den Körper eingeführt, wobei ein Aufenthalt in einem Krankenhaus notwendig ist. Im Allgemeinen wirkt sich die Pflege und die Unterstützung durch Freunde und die Familie sehr positiv auf den Verlauf der Frühdyskinesie aus und kann psychische Beschwerden lindern.

Dabei sind die Betroffenen häufig auf eine intensive Pflege angewiesen. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen dieser Krankheit kann dabei sinnvoll sein. Es kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden, ob die Frühdyskinesie die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der Frühdyskinesie um Nebenwirkungen von Medikamenten handelt, kann die Erkrankung natürlich vermieden werden, indem bei der Wahl der Medikamente über die Risiken und die Wirkung aufgeklärt wird. Die jeweiligen Medikamente sollten daher wirklich nur dann verschieben und eingenommen werden, wenn die Erkrankung nicht anders behandelt werden kann. Vor allem bei einer langfristigen Einnahme sollte der Arzt den Patienten über die möglichen Nebenwirkungen aufklären.

Möglichkeiten der Selbsthilfe stehen dem Patienten dabei nicht zur Verfügung. Die Betroffenen sind dann auf die Einnahme anderer Medikamente angewiesen, um die Nebenwirkungen zu lindern. Vor der Einnahme neuer Medikamente und vor dem Absetzen von Medikamenten sollte allerdings immer ein Arzt konsultiert werden.

In schwerwiegenden Fällen kann die Frühdyskinesie auch zu einem Bewusstseinsverlust oder zu einer Atemnot führen. In diesem Falle sollte direkt ein Krankenhaus aufgesucht oder ein Notarzt gerufen werden, um weitere Komplikationen zu vermeiden. Bis zum Eintreffen des Notarztes muss der Betroffene notbeatmet und in eine stabile Seitenlage gebracht werden.

Bei einer inneren Unruhe ist es ratsam, den Patienten zu beruhigen. Weiterhin ist allerdings eine medizinische Behandlung dringend notwendig.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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