Chlorpromazin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. Mai 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Chlorpromazin ist eine chemische Substanz, die 1950 in Frankreich zum ersten Mal synthetisiert und aufgrund ihrer Wirkung zu einem Grundbaustein der Medikamentengruppe der Psychopharmaka wurde. Innerhalb der Psychopharmaka ist Chlorpromazin der älteste antipsychotische wirksame Arzneistoff (sog. Neuroleptikum).
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Was ist Chlorpromazin?
Chlorpromazin gehört als chemischer Stoff zur Klasse der Phenothiazine. Dabei handelt es sich um eine Gruppe organischer Substanzen, die oft als Arzneimittel, Insektizide oder Farbstoffe genutzt werden.
Das Mittel wird in seiner medizinischen Wirkung als Neuroleptikum mit mittlerer Potenz klassifiziert. Für die sog. neuroleptische Potenz gilt allgemein für die herkömmlichen Neuroleptika:
Je geringer diese Potenz bei einer Substanz, desto höher ist die sedierende Wirkung und die Dosis, die für ein Einsetzen von Nebenwirkungen benötigt wird. Eine Dosis zwischen 25 mg - 400 mg führt zur Auslösung von Nebenwirkungen im Falle von Chlorpromazin.
Pharmakologische Wirkung
Chlorpromazin hat wie alle Neuroleptika generell eine symptomatische Wirkung. Das bedeutet, dass es als Medikament die Symptome einer Erkrankung bekämpft und lindert, nicht jedoch die Ursache beseitit.
Es entfaltet seine pharmakologische Wirkung direkt im Gehirn, wo es den Stoffwechsel der Neurotransmitter (chemische Botenstoffe der Nervenzellen) beeinflusst. Die Substanz wirkt dabei vor allem hemmend auf verschiedene Rezeptoren (Andockstellen) für den Neurotransmitter Dopamin. Durch die Einwirkung auf diese unterschiedlichen Rezeptoren des Dopaminsystem in den Nervenzellen des Gehirns hat es im Vergleich zu anderen Neuroleptika eine relativ breite Wirksamkeit.
So sind sowohl sedierende, antisychotische, antihistaminische (antiallergische), antiemetische (Erbrechen und Übelkeit beeinflussende) sowie anticholinerge (muskel- und Drüsen beeinflussende) und antiadrenerge (die Adrenalinwirkung beeinflussende) Auswirkungen auf den Körper bei Einnahme von Chlorpromazin bekannt.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Chlorpromazin besitzt als Psychopharmakon eine sedierende und antipsychotische Wirkung, es ist gegen den sog. Realitätsverlust bei psychischen Störungen und Erkrankungen wie z.B. Schizophrenie oder Manie wirksam.
Dabei bekämpft es Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, aber auch Angstzustände und Unruhe. Nach seiner Entdeckung wurde die potente Substanz aufgrund seiner breiten Wirksamkeit gegen eine ganze Reihe von psychischen Störungen eingesetzt, wie zum Beispiel Angstzustände, Wahnvorstellungen oder Manien. Letztendlich zeigte sich jedoch die höchste spezifische Wirksamkeit des Arzneistoffes gegen die psychomotorischen Unruhe, die vor allem bei der Schizophrenie vorkommt.
Neben der Behandlung von psychischen Erkrankungen werden Neuroleptika auch zur Bekämpfung der Symptome bei Vergiftungen mit psychogen wirkenden Drogen wie beispielsweise LSD oder Fliegenpilzen verwendet. Da die Substanz die Patienten zwar ruhig stellt, jedoch die Linderung der psychogenen Symptome wie Wahn oder Halluzinationen oft nicht stark genug ist, wird das neuroleptisch wirksame Medikament in der Regel nicht als alleiniges Mittel der Wahl verwendet.
Bei einer medizinisch verordneten Einnahme von Chlorpromazin liegt die mittlere Dosis je nach Alter und Gewicht bei 25 mg bis 400 mg pro Tag, die Höchstdosis beträgt 800 mg pro Tag.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Chlorpromazin, einem Antipsychotikum aus der Gruppe der Phenothiazine, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Chlorpromazin wird hauptsächlich zur Behandlung von Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen eingesetzt, kann aber auch zur Kontrolle schwerer Übelkeit und Erbrechen, zur Behandlung von akuter intermittierender Porphyrie und zur Sedierung verwendet werden.
Die Dosierung von Chlorpromazin muss individuell angepasst werden, basierend auf dem klinischen Zustand des Patienten, dem Schweregrad der Symptome und dem Ansprechen auf die Therapie. Für Erwachsene beginnt die typische Anfangsdosis bei 25 bis 50 mg täglich, aufgeteilt in mehrere Dosen. Diese kann schrittweise erhöht werden, je nach Bedarf und Verträglichkeit des Patienten, oft bis zu einer täglichen Erhaltungsdosis von 200 bis 400 mg. In schweren Fällen können Dosierungen von bis zu 1000 mg täglich erforderlich sein.
Bei älteren Patienten und solchen mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen ist eine niedrigere Anfangsdosis und eine vorsichtige Dosissteigerung ratsam, da diese Patientengruppen empfindlicher auf die Wirkungen und Nebenwirkungen des Medikaments reagieren können. Die Verabreichung erfolgt oral in Form von Tabletten, aber auch intramuskuläre oder intravenöse Injektionen sind möglich, insbesondere in akuten Situationen.
Wegen der potenziellen Nebenwirkungen von Chlorpromazin, wie Sedierung, orthostatische Hypotonie, anticholinerge Effekte, extrapyramidale Symptome und das Risiko eines malignen neuroleptischen Syndroms, ist eine regelmäßige Überwachung der Patienten notwendig. Es ist wichtig, die Patienten und ihre Angehörigen über diese möglichen Nebenwirkungen aufzuklären und sie anzuweisen, sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten.
Patienten sollten Chlorpromazin nicht abrupt absetzen, da dies zu Entzugssymptomen führen kann. Eine schrittweise Dosisreduktion unter ärztlicher Aufsicht ist ratsam. Zudem sollten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten berücksichtigt werden, insbesondere mit zentral dämpfenden Substanzen, Antihypertensiva und Anticholinergika. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und eine enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt sind entscheidend für eine sichere und effektive Therapie mit Chlorpromazin.
Risiken & Nebenwirkungen
Chlorpromazin ist ein mittelpotentes Neuroleptikum, was einer mittleren Dosis für die Auslösung von Nebenwirkungen entspricht. Diese treten bei der Einnahme von Neuroleptika vor allem über einen längeren Zeitraum auf und können vielfältig sein.
Häufig sind in solchen Fällen die so genannten extrapyramidalen Nebenwirkungen, bei denen es sich um Bewegungsstörungen handelt. Diese gehen vom zentralen Nervensystem aus und sind den Symptomen von Parkinson ähnlich. Weitere bei einer höheren Dosierung und längeren Anwendung des Psychopharmakons auftretende Nebenwirkungen sind Sedierung und eine Senkung des Blutdrucks. Es kommen aber auch Erscheinungen wie eine Störung der Wärmeregulation des Körpers (schnelles Überhitzen oder Auskühlen bei entsprechenden Temperaturen) und allergische Reaktionen der Haut und Funktionsstörungen der Leber vor.
Weitere mögliche Nebenwirkungen können Lichtempfindlichkeit, Thrombosen (Bildung von Blutgerinnseln in den Gefäßen), Störung der Potenz oder Menstruationsstörungen sowie ein Mangel an weissen Blutkörperchen (Leukopenie) sein. In seltenen Fällen kann im Zuge der Einnahme von Chlorpromazin eine sog. cholestatische Hepatose auftreten, bei der es sich um einen allergisch-toxischen Verschluss der Gallenwege mit einem Gallenstau handelt, was letztendlich zu einer mitunter tödlichen Schädigung der Leber führen kann.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Chlorpromazin gibt es mehrere typische Kontraindikationen, die beachtet werden müssen, um schwerwiegende Nebenwirkungen und Komplikationen zu vermeiden. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Chlorpromazin oder andere Phenothiazine. Diese Überempfindlichkeit kann zu schweren allergischen Reaktionen wie Hautausschlägen, Juckreiz, Schwellungen oder [[Anaphylaktischer Schock|anaphylaktischem Schock führen.
Chlorpromazin ist auch bei Patienten mit schweren ZNS-Depressionen kontraindiziert, insbesondere bei Koma oder stark vermindertem Bewusstsein. Da Chlorpromazin sedierende Wirkungen hat, kann es diese Zustände verschlimmern. Auch bei Patienten mit vorbestehender Knochenmarkdepression, die das Risiko einer Agranulozytose oder anderer schwerwiegender hämatologischer Störungen erhöht, sollte Chlorpromazin nicht angewendet werden.
Patienten mit einem bestehenden Risiko für ein malignes neuroleptisches Syndrom (MNS), eine seltene, aber potenziell tödliche Nebenwirkung von Antipsychotika, sollten Chlorpromazin meiden. Symptome von MNS umfassen hohes Fieber, Muskelsteifheit, veränderten Bewusstseinszustand und autonome Dysfunktion.
Chlorpromazin ist bei Patienten mit unkontrollierter Epilepsie kontraindiziert, da es die Krampfschwelle senken und Anfälle auslösen kann. Ebenso sollten Patienten mit schwerer Leber- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung Chlorpromazin vermeiden, da es diese Zustände verschlimmern kann. Dazu gehören schwere Hypotonie, Herzinsuffizienz und kardiale Arrhythmien.
Die Anwendung bei älteren Patienten mit Demenz-bedingten Psychosen ist ebenfalls kontraindiziert, da Chlorpromazin das Risiko von Todesfällen durch kardiovaskuläre Ereignisse oder Infektionen erhöhen kann. Chlorpromazin sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt angewendet werden, da es potenziell teratogene Wirkungen hat und in die Muttermilch übergeht.
Diese Kontraindikationen müssen sorgfältig geprüft werden, bevor Chlorpromazin verschrieben wird, um die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten und mögliche Risiken zu minimieren.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Chlorpromazin bestehen mehrere potenzielle Interaktionen mit anderen Medikamenten, die berücksichtigt werden müssen, um unerwünschte Nebenwirkungen und Komplikationen zu vermeiden.
Eine bedeutende Interaktion besteht mit zentral dämpfenden Substanzen wie Alkohol, Benzodiazepinen, Barbituraten und anderen Sedativa. Die gleichzeitige Anwendung kann die sedierenden Effekte von Chlorpromazin verstärken, was zu übermäßiger Sedierung, Atemdepression und sogar Koma führen kann.
Anticholinergika wie Atropin oder bestimmte Antihistaminika können die anticholinergen Nebenwirkungen von Chlorpromazin verstärken, wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Harnverhalt und Tachykardie. Diese Kombinationen sollten vorsichtig und unter ärztlicher Überwachung eingesetzt werden.
Die gleichzeitige Anwendung von Chlorpromazin und Antihypertensiva kann eine additive hypotensive Wirkung haben und zu gefährlich niedrigem Blutdruck führen. Regelmäßige Blutdruckkontrollen sind notwendig, und Dosisanpassungen der blutdrucksenkenden Medikamente können erforderlich sein.
Chlorpromazin kann die Wirkung von Epinephrin (Adrenalin) umkehren. Diese paradoxe Reaktion kann zu einem plötzlichen Blutdruckabfall führen, anstatt den erwarteten Blutdruckanstieg zu bewirken. Dies ist besonders relevant bei der Behandlung von anaphylaktischen Reaktionen.
Bei gleichzeitiger Anwendung von Levodopa, einem Medikament zur Behandlung der Parkinson-Krankheit, kann Chlorpromazin die antiparkinsonische Wirkung von Levodopa antagonisieren. Diese Kombination sollte vermieden werden, oder die Dosierung sollte sorgfältig angepasst werden.
Chlorpromazin kann die Plasmaspiegel und die Wirksamkeit von Antikonvulsiva wie Phenytoin und Carbamazepin verändern. Dies kann zu einer verminderten Kontrolle von Anfällen führen oder das Risiko von Toxizität erhöhen. Regelmäßige Überwachung der Plasmaspiegel dieser Medikamente und entsprechende Dosisanpassungen sind notwendig.
Die gleichzeitige Anwendung von Chlorpromazin mit QT-verlängernden Medikamenten, wie bestimmten Antiarrhythmika, Antidepressiva und einigen Antibiotika, kann das Risiko für schwere Herzrhythmusstörungen, einschließlich Torsades de Pointes, erhöhen. Eine regelmäßige Überwachung des EKGs wird empfohlen.
Diese Interaktionen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überprüfung der Medikation des Patienten durch den behandelnden Arzt, um sichere und effektive Behandlungen zu gewährleisten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Chlorpromazin nicht vertragen wird, gibt es mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Behandlung von psychotischen Störungen und anderen Indikationen, für die Chlorpromazin eingesetzt wird.
Ein gängiger Ersatz sind andere typische Antipsychotika wie Haloperidol oder Fluphenazin. Diese Medikamente wirken ähnlich wie Chlorpromazin, indem sie die Dopaminrezeptoren im Gehirn blockieren, jedoch haben sie unterschiedliche Nebenwirkungsprofile, die für einige Patienten besser verträglich sein können.
Atypische Antipsychotika stellen eine weitere wichtige Alternative dar. Zu diesen gehören Medikamente wie Risperidon, Olanzapin, Quetiapin und Aripiprazol. Atypische Antipsychotika wirken sowohl auf Dopamin- als auch auf Serotoninrezeptoren und bieten den Vorteil, ein geringeres Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen zu haben. Sie sind oft besser verträglich und werden häufig bei Patienten eingesetzt, die auf typische Antipsychotika nicht ansprechen oder diese nicht vertragen.
Für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, wenn Chlorpromazin nicht verwendet werden kann, sind andere Antiemetika wie Ondansetron oder Metoclopramid wirksame Alternativen. Diese Medikamente haben unterschiedliche Wirkmechanismen und Nebenwirkungsprofile, was sie zu geeigneten Ersatzstoffen macht.
Psychosoziale Therapien, einschließlich kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), Psychotherapie und unterstützende Gesprächstherapien, können ebenfalls wichtige Ergänzungen oder Alternativen zur medikamentösen Behandlung darstellen. Diese Ansätze helfen den Patienten, besser mit ihren Symptomen umzugehen und verbessern oft das allgemeine Wohlbefinden und die Funktionsfähigkeit.
Bei schweren Fällen von psychotischen Störungen kann eine Elektrokrampftherapie (EKT) in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn medikamentöse Behandlungen nicht wirksam oder nicht verträglich sind. EKT hat sich als wirksam bei der Behandlung von therapieresistenten psychotischen Episoden erwiesen.
Die Wahl der alternativen Behandlung hängt von der spezifischen Erkrankung, den individuellen Symptomen und der Verträglichkeit der Medikamente ab. Eine enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt ist entscheidend, um die bestmögliche Therapie für den Patienten zu finden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor