Mononukleäres Phagozyten-System
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Begriff Mononukleäres Phagozyten-System werden alle Körperzellen zusammengefasst, die zur Phagozytose fähig und damit Teil des Immunsystems sind. Die Zellen sind in der Lage, Krankheitskeime, zelluläre Abbauprodukte und Fremdpartikel in sich aufzunehmen, unschädlich zu machen und abzutransportieren. Auch Vorläuferzellen, die sich erst nach entsprechender Anregung zu Phagozytose-fähigen Zellen entwickeln, werden zu dem System gezählt.
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Was ist das Mononukleäre Phagozyten-System?
Das Mononukleäre Phagozyten-System oder kurz MPS genannt, umfasst alle Körperzellen, die zur Phagozytose fähig sind, also alle Zellen, die in der Lage sind, pathogene Keime in Form von Bakterien oder Viren in sich aufzunehmen, abzutöten und damit unschädlich zu machen sowie Abbaupartikel oder Fremdpartikel in sich aufzunehmen und abzutransportieren.
Auch Vorläuferzellen der zur Phagozytose fähigen mononukleären Zellen werden dem MPS zugerechnet. Im Einzelnen wird eine Vielzahl spezialisierter Makrophagen, die sich dem Gewebe angepasst haben, in dem sie sich als ruhende Makrophage eingenistet haben, zum MPS gezählt.
Ein wenig umstritten ist, ob Mikroglia, die im Nervensystem zur Phagozytose fähig sind, zum MPS gerechnet werden können, weil nicht hinreichend geklärt ist, ob sich die Mikroglia aus Monozyten entwickelt haben oder es sich um gewandelte Gliazellen handelt. Es besteht Einigkeit darin, die bis zu 100 µm großen mehrkernigen Osteoklasten in das MPS einzureihen. Die Aufgabe der Osteoklasten, die sich aus der Fusion von bis zu 25 Vorläuferzellen aus dem Knochenmark bilden und deshalb über mehrere Kerne verfügen, besteht darin, Knochensubstanz abzubauen und abzutransportieren.
Dem in den 1970er Jahren definierten MPS steht das bereits in den 1920er Jahren entwickelte Retikulohistiozytäre System (RHS) gegenüber, das ein wenig weiter gefasst ist und außer den phagozytierenden Zellen auch Zellen des retikulären Bindegewebes einbezieht.
Funktion & Aufgabe
Die wichtigsten Aufgaben des Mononukleären Phagozyten-Systems sind in erster Linie Aufnahme und Bekämpfung eingedrungener pathogener Keime, Aufnahme und Abtransport körpereigener Abfallpartikel abgestorbener Zellen (Zelldetritus) sowie Aufnahme und Unschädlichmachung von Fremdpartikeln.
In einem komplexen Zusammenspiel innerhalb des MPS werden im Bedarfsfall die ruhenden Makrophagen in dem entsprechenden Gewebe durch Zytokine und Botenstoffe zu aktiven Makrophagen umgewandelt. Sie vergrößern sich und nehmen die pathogenen Keime oder Partikel – ähnlich wie Amöben – auf und umschließen sie in einem inneren Hohlraum, dem Phagosom. Die notwendigen Enzyme zum Abtöten und Zersetzen der Keime stehen in kleinen Bläschen, den Lysosomen bereit, die ihren Inhalt in das Phagosom entleeren. Es findet in dem Phagosom eine Art Verdauungsprozess statt.
Im Falle lokaler Infektionsherde, die durch Verletzungen entstehen können, steuert das MPS Entzündungsreaktionen und die anschließende Heilung. In diesem Zusammenhang ist die Produktion verschiedener Zytokine (Interleukine) mit pro-inflammatorischer und auch anti-inflammatorischer Wirkung ein wichtiges Steuerinstrument für Immunreaktionen. Die verschiedenen Interleukine werden von den aktivierten Phagozyten selbst synthetisiert.
Eine wichtige Aufgabe im Zusammenspiel der Phagozyten und Vorläuferzellen untereinander für eine systemische Immunantwort auf Vireninfektionen ist ihre Fähigkeit, als Antigen-präsentierende Zellen aufzutreten. Zellen, die phagozytierte pathogene Keime enthalten, präsentieren bestimmte Peptidfragmente (Antigen) der zerlegten Keime an ihrer Oberfläche, die von T-Helferzellen erkannt werden, die die Produktion spezifischer Antikörper initiieren.
Im Falle einer ernsthaften Virusinfektion übernehmen spezialisierte Makrophagen in der Milz die zunächst widersinnig erscheinende Replikation der Viren, die in ihren Phagosomen eingeschlossen sind, um schneller Antikörper in ausreichender Menge herstellen zu können. Die spezialisierten Zellen, die die gefährlichen Viren replizieren, sind dicht von Makrophagen umgeben, damit aus Sicherheitsgründen ein evtl. entkommendes Virus sofort abgefangen werden kann. Den zum Mononukleären Phagozyten-System gehörigen Zellen obliegt auch die Kontrolle aller Zellen auf etwaige Entartungen, die auf Krebs hindeuten. Sobald das Immunsystem Krebszellen erkennt, werden Makrophagen aktiviert, um die als entartet erkannten körpereigenen Zellen zu phagozytieren und abzubauen.
Krankheiten & Beschwerden
Typische Beschwerden und Krankheiten, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion ausgelöst werden, sind allergische Reaktionen, die eine übermäßige Immunreaktion auf bestimmte harmlose Partikel wie Pollen, Nahrungsbestandteile oder Hausstaub beinhalten. Die Bandbreite allergischer Reaktionen ist dabei sehr breit und reicht in den Symptomen von Niesen und leichten Hautreaktionen bis zum anaphylaktischen Schock.
In eine ähnliche Kategorie von Fehlfunktionen des Gesamtsystems fällt die Vielzahl bekannter Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose, Hashimoto, rheumatoide Arthritis und viele andere. Im Falle der rheumatoiden Arthritis bilden sich Antikörper gegen Gelenkknorpel, so dass fehlgeleitete Makrophagen den Gelenkknorpel angreifen, was allmählich zu den teilweise gravierenden und schmerzhaften Symptomen und Beschwerden führt.
Allen Autoimmunerkrankungen ist gemeinsam, dass die zum MPS gehörigen Phagozyten körpereigene Zellen eines bestimmten Organs als fremd einstufen und sie mit entsprechenden schwerwiegenden Auswirkungen bekämpfen.
Krankheiten, die zu einer gestörten Produktion der zum MPS gehörigen Monozyten führen, sind bestimmte Formen der Leukämie, einer Krebserkrankung des Knochenmarks. Ein Beispiel für eine Erkrankung, die durch eine fehlgeleitete Antikörperproduktion verursacht wird, ist das Antiphospholipidsyndrom (APS). Antikörper gegen Phospholipid-bindende Proteine führen zur verstärkten Bildung von Thromben, die zum Verschluss lebenswichtiger Adern und damit zu Embolien und Schlaganfällen führen können. Einige der Krankheiten und Beschwerden im Zusammenhang mit dem APS können auf eine genetische Prädisposition zurückgeführt werden.
Quellen
- Alberts, B., u. a.: Molekularbiologie der Zelle. 4. Auflage. Wiley-VCH., Weinheim 2003
- Clark, D.P.: Molecular Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag., Heidelberg 2006
- Schartl, M., Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage, Urban & Fischer Verlag, München 2009