Pektoralisreflex
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Pektoralisreflex ist ein Dehnungsreflex des Brustmuskels, der zu den Eigenreflexen zählt. Eine Dehnung der Muskelsehne lässt den Muskel dabei kontrahieren und führt so eine Abduktion des Oberarms im Schultergelenk herbei. Ein pathologisch veränderter Pektoralisreflex liegt im Rahmen verschiedener Nervenverletzungen vor.
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Was ist der Pektoralisreflex?
Der Pektoralisreflex ist ein monosynaptischer Reflex des großen Brustmuskels (Musculus pectoralis major). Die reflektorische Bewegung zählt zu den Eigenreflexen. Ihre Efferenzen und Afferenzen liegen also im gleichen Organ.
Der Pektoralisreflex wird außerdem den Dehnungsreflexen zugeordnet. Die Dehnung der Sehne am Muskelspindel löst dabei die Kontraktion des Brustmuskels aus. Die Reflexbewegung entspricht einer Adduktion des Arms im Schultergelenk.
Der Reflex ist mit dem Rückenmark verschalten und liegt dort in den Nervenbahnen der Segmente C5 bis C8. Der Nervus pectoralis lateralis aus dem Fasciculus lateralis des Plexus brachialis ist mit diesen Segmenten verbunden und versorgt den großen und kleinen Brustmuskel so motorisch. Aus dem Plexus brachialis gehen verschiedene Nervenäste hervor, die neben der motorischen Innervation von Arm, Schulter und Brust auch für die sensible Innervation dieser Bereiche eine Rolle spielen.
Funktion & Aufgabe
Die drei Anteile des großen Brustmuskels haben verschiedenen Ursprung. Der Pars clavicularis entspringt medial am Schlüsselbein. Der Pars sternocostalis beginnt am ipsilateralen Sternumrand und an den Knorpeln zwischen der zweiten und sechsten Rippe. Der Pars abdominalis hat seinen Ursprung am Vorderblatt der Aponeurose. Die Fasern des Brustmuskels laufen konzentrisch zu und treffen sich in einer flachen Sehne mit Ansatz an der humoralen Crista tuberculi majoris.
Die Innervation des Muskels erfolgt durch den Nervus pectoralis medialis und den Nervus pectoralis lateralis. Dieser Nerv wird über die Rückenmarkssegmente C5 bis C7 motorisch gespeist. Sein Ursprung ist der Fasciculus lateralis des Plexus brachialis. Im Trigonum deltoideopectorale kreuzt der motorische Nerv die Vena axillaris und die Arteria axillaris, verläuft von dort aus kaudal und durchbricht die Fascia clavipectoralis und den kleinen Brustmuskel.
An dieser Stelle gibt der Nervus pectoralis lateralis an den Nervus pectoralis medialis kleinere Fasern ab und tritt in den großen Brustmuskel ein.
Im großen Brustmuskel stellt der motorische Nerv die efferente Bahn des Pektoralisreflexes dar. Die afferente Bahn der Reflexbewegung liegt an der kontraktilen Mitte der Muskelspindelfasern, die von sensiblen Nervenfasern umgeben sind. Diese sogenannten Ia-Fasern tragen Dehnungsrezeptoren. Bei einer Dehnung des Muskels dehnt sich auch das Muskelspindel und sein kontraktiler Mittelteil. Die Ia-Fasern generieren daraufhin ein Aktionspotential, das über Spinalnerven ins Rückenmarkhinterhorn wandert und dort über eine einzige Synapse ins Vorderhorn übertragen und auf die α-Motoneurone umgeschaltet wird. So wird die Kontraktion der Skelettmuskelfasern bewirkt. Durch negative Rückkopplungsprozesse wird auf diese Weise trotz eventueller Störungen eine konstante Muskellänge beibehalten.
Die Leitungsgeschwindigkeit der ausführenden Neuronen spielt für die Effizienz der Reflexbewegung eine wichtige Rolle. Die α-Motoneuronen leiten Signale mit 80 bis 120 ms−1.
Krankheiten & Beschwerden
Wenn die Reaktion des Patienten nicht den Erwartungen entspricht, kann das ein Hinweis auf bestimmte Erkrankungen sein. Von einem pathologischen Pektoralisreflex ist bei einer erloschenen, verminderten oder übersteigerten Reflexantwort die Rede. Die Reflexantwort hängt bei Eigenreflexen sowohl vom Erregungszustand des zuständigen Motoneurons, als auch von der funktionellen Integrität des Reflexbogens ab.
Nach einem Schlaganfall kann der Erregungszustand der Motoneuronen abnormal sein. Eigenreflexe wie der Pektoralisreflex sind nach Schlaganfällen daher oft spastisch gesteigert. So kann die Dehnung des großen Brustmuskels auch in umliegenden Muskelgruppen ein reflektorisches Zucken auslösen.
Ein übersteigerter Pektoralisreflex kann andererseits auch ein Indikator für eine obere Rückenmarkläsion in den Segmenten C5 bis C7 sein und so als sogenanntes Pyramidenbahnzeichen in Erscheinung treten. Solche zentralen Nervenläsionen können im Rahmen von spinalen Tumorerkrankungen oder Infarkten auftreten. Auch die entzündliche Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose oder die degenerative Nervensystemerkrankung ALS können Rückenmarkläsionen verursachen.
Bis zu einem gewissen Grad kann ein leicht übersteigerter Pektoralisreflex jedoch auch physiologisch sein und muss somit nicht zwingend Krankheitswert haben. Das gilt insbesondere für Patienten mit einer allgemein lebhaften Reflexantwort.
Wenn die Strukturen des Reflexbogens geschädigt sind, ist der Pektoralisreflex nicht übersteigert, sondern abgeschwächt oder erloschen. Das kann zum Beispiel durch periphere Nervenschädigungen im Rahmen einer Neuritis oder einer mechanischen Verletzung der Fall sein.
Um ein abnormales Verhalten des Reflexes richtig zuzuordnen und zu interpretieren, muss der Neurologe das Gesamtbild des Patienten erfassen. Weitere Reflexuntersuchungen und Bildgebungen der Wirbelsäule und des Gehirns erleichtern ihm die Einordnung der abnormalen Reflexantwort.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016