Piloerektion (Gänsehaut)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Piloerektion (oder auch Gänsehaut) ist die Reaktion des sympathischen Nervensystems, bei der sich kleine Muskelgruppen zusammenziehen. Sie ist ein Reflex, der sich in der Entwicklungsgeschichte von Säugetieren und Menschen herausgebildet hat.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Piloerektion?

Die Piloerektion (oder auch Gänsehaut) ist die Reaktion des sympathischen Nervensystems, bei der sich kleine Muskelgruppen zusammenziehen.

Die Piloerektion ist ein Reflex, der ursprünglich der Wärmeregulation des Körpers diente. Bildet sich eine Gänsehaut, werden die Haarfolikel der obersten Hautschicht nach außen gezogen und die Haare stehen hervor. Gänsehaut tritt zudem plötzlich auf, wenn wir erregt sind, Angst haben oder in Stress geraten.

Am deutlichsten wird Gänsehaut an den Unterarmen sichtbar. Wir bekommen sie jedoch am ganzen Körper, nehmen sie nur vorrangig an den Extremitäten wahr. Sie zeigt sich auch an Beinen, Hals, Brust, im Nacken und am Gesäß.

Musik erzeugt oft Gänsehaut, weil wir emotional stark angesprochen werden. Melodien setzen im Gehirn viele Reaktionen in Gang, denn der einst wärmeisolierende Reflex konnte sich in der Entwicklungsgeschichte auch auf die Akustik übertragen.

Mehrere Theorien versuchen die Entstehung der Gänsehaut zu begründen. Für viele Wissenschaftler geht das physiologische Phänomen auf Urinstinkte zurück und diente einst der Abwehr feindlicher Bedrohungen.

Unsere heutige, schwach ausgeprägte Behaarung ist ein genetischer Überrest des urzeitlichen Fells. Das hatte viele Funktionen. Es diente als Schutz vor Kälte und bei Bedrohungen. Waren die Haare gerade ausgerichtet, konnte sich in den Zwischenräumen ein Luftpolster bilden, was wie eine Isolierschicht wirkte.

Heute bietet uns die Gänsehaut keinen wirklichen Schutz mehr, denn das Haar ist nur noch spärlich vorhanden. Die Reaktion gibt es jedoch noch immer. Die Intensität einer Gänsehaut kann dank elektrischer Impulse genau gemessen werden.

Funktion & Aufgabe

Bei Gänsehaut stellen sich unsere Haare ohne Vorwarnung auf. Meist geschieht das bei Kälte, intensiven Gefühlen und Krankheiten. Über die Aufgabe der Gänsehaut existieren mehrere Theorien, die alle nicht unumstritten sind. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass die Gänsehaut ein Überbleibsel des Fells unserer Vorfahren ist. Warum gerade emotionale Momente eine Gänsehaut auslösen, ist nicht geklärt.

Theorien klingen schlüssig, können aber nicht alle Fragen beantworten. Gänsehaut bei höchster Erregung tritt zum Beispiel nicht bei allen elementaren Emotionen auf. Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Piloerektion eine Reaktion auf Frequenzen oder Tonfolgen von Tierkindern ist, die ihre Mutter suchen.

In der modernen Welt ist die Gänsehaut eine instinktive Reaktion ohne besonderen Zweck, wie es scheint. Wir bekommen Gänsehaut bei Angst oder beim Hören unserer Lieblingsmusik. Die Haare stellen sich auf und die Haut sieht, übertrieben gesagt, wie bei einer gerupften Gans aus.

Jedes Haar auf der Haut ist von einem Haarbalg umgeben, der wie ein winziger Hügel aussieht. Haarfolikel und Haarbalg ergeben eine Dreiecksform. An jedem Haarfollikel befinden sich sehr kleine Muskeln. Ziehen sich diese Muskeln zusammen, kommt es zur Gänsehaut.

Zwischen den aufgerichteten Haaren und der Haut entsteht ein Luftpolster. Das Polster kann die Körperwärme besser speichern und bewirkt eine bessere Durchblutung der Oberhaut. Durch das Zusammenziehen der Haut verringert sich auch der Wärmeverlust. Einst diente diese Körperfunktion also dem Überleben.

Dass sich Gänsehaut bildet, wenn wir uns große Angst haben, interpretieren einige Forscher als Imponiergehabe gegenüber dem Feind. Möglicherweise war die Gänsehaut ein Abschreckungsmechanismus. Als sich unsere Vorfahren bedroht sahen, stellten sich ihre Haare auf und sie bekamen Gänsehaut. Durch das aufgeplusterte Fell wirkten sie gefährlicher als sie tatsächlich waren. Auch ein ähnlicher Mechanismus wie das Balzverhalten in der Tierwelt könnte dahinterstecken. Mit aufgerichtetem Fell sah der Urmensch prächtiger aus und konnte stärker imponieren.


Krankheiten & Beschwerden

Haut und Psyche stehen in enger Verbindung zueinander. Diese starke Verknüpfung ist schon an kleinen Reaktionen erkennbar. Das vegetative Nervensystem versorgt alle Organe und Gewebe und ist Teil des Gesamtnervensystems. Es beeinflusst Affekte und Gefühle und steuert Trauer, Freude, Wut, Aggressionen und Erregung. Die daraus entstehenden vegetativen Affekte sind neben Gänsehaut auch Herzklopfen, Blutdrucksteigerung, Erblassen, Erröten und die Steigerung der Atemfrequenz.

Gänsehaut ist nicht nur für positives Gefühl verantwortlich. Sie tritt bei Erkältungen auf, zeigt sich bei Fieber und Schüttelfrost. Die Haut kann auch psychische Konflikte sichtbar machen, denn die Nervenenden reichen bis in die oberste Hautschicht.

Gerade Stress spiegelt sich oft direkt auf der Haut. Infolge von Stress kommt es zu Juckreiz, Rötungen, Nesselsucht oder Ekzemen. Stress setzt eine ganze Redaktionskette in Bewegung und es kommt zu einem intensiven Wechselspiel zwischen Immunsystem, Psyche, Nerven und Hormonsystem.

Infolge der hohen Ausschüttung von Stresshormonen schwächt sich das Immunsystem und es kommt zu Entzündungsreaktionen. Viele Erkrankungen wie Neurodermitis, Warzen oder Haarausfall sind durch entzündliche Reaktionen erklärbar.

Hauterkrankungen bringen such die Seele aus dem Gleichgewicht. Das fällt bei Schuppenflechte auf, deren häufigste Begleiterscheinung Depressionen sind. Schuppenflechte führt oft in einen Teufelskreis, denn Betroffene fühlen sich entstellt und ekeln sich teils sogar vor ihrem eigenen Körper – was oft dem Umstand geschuldet ist, dass ein solches Hautbild gesellschaftlich als unattraktiv gilt. Infolgedessen intensiviert sich die Stressreaktion, der Stress führt zu neuen Krankheitsschüben. Dies kann darin münden, dass sich die Betroffenen ganz zurückziehen und vereinsamen. Neuesten Untersuchungen zufolge schränken chronische Hauterkrankungen die Lebensqualität sogar ähnlich intensiv ein, wie Herzerkrankungen, Diabetes oder Krebs.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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