Retroversion

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Retroversion bedeutet "zurück wenden" und steht in der Medizin für verschiedene Phänomene. Zum einen lassen sich die Extremitäten Richtung dorsal anheben und zum anderen liegen bestimmte Knochenabschnitte von sich aus retrovertiert. Darüber hinaus kann sich die Retroversion auf die Rückwärtsneigung von Organen wie dem Uterus (Gebärmutter) beziehen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Retroversion?

Retroversion bedeutet "zurück wenden" und steht in der Medizin für verschiedene Phänomene. So z.B. kann sich die Retroversion auf die Rückwärtsneigung von Organen wie der Gebärmutter (hier Seitansicht) beziehen.

Die Gelenke des Körpers besitzen unterschiedliche Bewegungsachsen. Damit haben Gliedmaßen, abhängig von der Form ihrer beteiligten Gelenke, verschiedene Bewegungsformen und Bewegungsausmaße. Gelenke mit nur einer Bewegungsachse lassen zwei Bewegungsformen zu: die Bewegung und die Gegenbewegung, die die Gliedmaßen wieder in die Ausgangsposition zurückführt. Meist handelt es sich bei den zwei Bewegungsformen einachsiger Gelenke um Extension und Flexion.

Die Retroversion ist im Vergleich dazu eine relativ seltene Bewegungsform innerhalb des menschlichen Körpers. Bei dem Bewegungsablauf handelt es sich um die Drehung einer Extremität um eine Achse in der Frontalebene, also um das Anheben der Extremität nach hinten. Die Retroversion bildet zusammen mit der Anteversion eine Bewegungsachse. Bei der Anteversion wird die Extremität nach vorne angehoben.

Unabhängig von dem Bewegungsausmaß der Gelenke ist der Begriff der Retroversion in der medizinischen Fachsprache oft mit Organen assoziiert, so vor allem im Bezug auf die weiblichen Geschlechtsorgane. In diesem Zusammenhang ist die Retroversion oder Rückwärtsneigung des Uterus zu nennen, die bis zu einem gewissen Grad physiologisch ist.

Funktion & Aufgabe

Grundsätzlich muss die Retroversion nicht direkt mit einer Bewegungsachse assoziiert sein, sondern kann auch die Stellung eines bestimmten Knochenabschnitts in dorsale Richtung bezeichnen. Das ist zum Beispiel bei der Schulterpfanne der Fall, die im Schultergelenk nach dorsal gestellt ist und damit retrovertiert liegt.

Als tatsächliche Bewegungsform bezieht sich die Retroversion wiederum auf die Extremitäten, das heißt, die menschlichen Arme und Beine. Der Mensch kann seine Arme und Beine bis zu einem gewissen Grad nach vorne und nach hinten anheben. Die dazu gehörige Bewegungsachse ist die Retroversion-Anteversion-Achse. Die zugehörige Ebene wird als Transversale bezeichnet.

Mit dieser Achse sind zum Beispiel Schulter- und Hüftgelenk ausgestattet. Das Schultergelenk wird als beweglichstes Kugelgelenk des Körpers bezeichnet. Auch das Hüftgelenk ist ein Kugelgelenk, aber kommt in der Gelenkvariante des Nussgelenks vor: einer Unterart des Kugelgelenks. Im Schultergelenk ist eine Anteversion bis zu 90 Grad möglich. Damit verglichen ist die Retroversion mit maximal 50 Grad relativ gering.

Bei der Retroversion wird der Arm im Schultergelenk um eine Schulter-Achse der Frontalebene in dorsale Richtung bewegt. Der Arm wird also nach hinten angehoben. Die Retroversion des Beins entspricht analog dazu einer Drehung der unteren Extremität im Hüftgelenk um eine Frontalebenen-Achse nach dorsal und somit dem Anheben des Beins Richtung hinten. Die Retroversion ist mit dem Begriff der Extension verwandt und stellt in der beschriebenen Bewegungsart eine Extension im Schulter- beziehungsweise Hüftgelenk nach hinten dar.

In Zusammenhang mit Organen steht die Retroversion für eine Rückwärtsneigung. Eine solche Rückwärtsneigung kann physiologisch sein, so vor allem beim weiblichen Uterus. Allerdings kann eine Retroversion bestimmter Organe auch ein pathologisches Zeichen sein und zum Beispiel einem Trauma geschuldet sein.


Krankheiten & Beschwerden

Die Retroversion der Extremitäten kann unter gewissen Umständen erschwert oder sogar aufgehoben sein. Schuld daran sind Erkrankungen oder Traumata. Auch Schmerzen können die Retroversion der Extremitäten einschränken. Retro- und Anteversion werden durch die Form von Schulter- und Hüftgelenk ermöglicht, aber ihre Realisierung obliegt den Muskeln in diesem Bereich. Aus diesem Grund können Muskelerkrankungen die Retroversionsfähigkeit beeinträchtigen. Neben Entzündungen sind Sehnenrisse und Muskelfaserrisse mögliche Ursachen für erschwerte oder aufgehobene Bewegungsfähigkeit.

Den Befehl zur Retroversion erhalten Muskeln über efferent motorische Nervenbahnen aus dem zentralen Nervensystem. Somit kann auch ein Ausfall der Nervenleitung die Retroversion beeinträchtigen. Zu einem solchen Ausfall oder einer Beeinträchtigung der Nervenleitfähigkeit kann es durch Kompressionen, Traumata oder Entzündungen peripherer Nerven kommen. Als entzündliche Ursachen kommen beispielsweise Infektionen in Frage.

Wenn die Nervenleitung des peripheren Nervensystems aufgrund einer Demyelinisierung ihre Leitungsfähigkeit verliert, liegt das in der Regel an einer Polyneuropathie, die auf Ursachen wie Mangelernährung oder Vergiftung zurückgehen kann.

Die Ursache für neuromuskuläre Störungen der Retroversion kann aber auch im zentralen Nervensystem liegen und so mit einem Rückenmarksinfarkt, einem Schlaganfall, einer Degeneration oder einer Entzündung assoziiert sein.

Neben traumatisch und neuromuskulär erschwerter oder ausgefallener Retroversionsfähigkeit kann auch eine Gelenkerkrankung an Beschwerden bei der Retroversion schuld sein. Grundsätzlich sind bei Gelenkerkrankungen in der Regel alle Bewegungsachsen des Gelenks betroffen. Die bekannteste Gelenkerkrankung ist die Arthrose, bei der die Gelenkflächen bis über das altersphysiologische Maß hinaus von Verschleiß betroffen sind. Der Gelenkknorpel nutzt ab und die Gelenke versteifen zusehends. Häufig gehen der Arthrose Überlast (zB durch Übergewicht) oder Fehlhaltung voraus.

Alle Gelenke können außerdem eine Luxation erleiden. Bei diesem pathologischen Phänomen kugeln die Gelenke umgangssprachlich aus. Sobald sich der Gelenkkopf nicht mehr in zugehöriger Gelenkpfanne befindet, ist in Konsequenz dazu auch die Retroversion gestört. Im Hüftgelenk sind arthrotische Erscheinungen verbreitet. Das Schultergelenk erleidet dagegen häufig eine Luxation, da es sich um das beweglichste Kugelgelenk des Körpers handelt. Das Bewegungsausmaß eines Gelenks und damit auch die Fähigkeit zur Retroversion werden mittels Neutral-Null-Methode ermittelt.

Quellen

  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013

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