Vaskulogenese

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Vaskulogenese ist ein Prozess der embryonalen Entwicklung, bei dem aus endothelialen Vorläuferzellen das Gefäßsystem entsteht. Auf die Vaskulogenese folgt die Angiogenese, die die ersten Gefäße zum Blutkreislauf aussprossen lässt. Im weitesten Sinne kann Krebs als vaskulogenetische Problematik betrachtet werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Vaskulogenese?

Die Vaskulogenese ist ein Prozess der embryonalen Entwicklung, bei dem aus endothelialen Vorläuferzellen das Gefäßsystem entsteht.

Als Vaskulogenese bezeichnet die Medizin die Bildung von Blutgefäßen, denen endotheliale Vorläuferzellen als Ausgangsmaterial dienen. Diese Zellen stammen aus dem Knochenmark und werden von Botenstoffen angelockt. Zu diesen Zytokinen zählt zum Beispiel der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF ).

Nach der Ausschüttung der Botenstoffe wandern die Vorläuferzellen aus dem Knochenmark über die Blutbahnen an die Stelle des Botenstoffs. Dieser Prozess spielt zum einen bei der Wundheilung und der damit verbundenen Neubildung von Gefäßen eine Rolle und kann zum anderen auf pathologische Zusammenhänge wie Tumore zurückzuführen sein.

Mittlerweile geht die Medizin darüber hinaus davon aus, dass Vaskulogenese auch während der Embryonalentwicklung eine gesteigerte Rolle spielt und im erwachsenen Menschen fast ausschließlich die Angiogenese vorkommt. Als solche gilt die Gefäßneubildung durch Sprossungs- und Spaltungsprozesse, die vorgebildete Blutgefäße als Ausgangsmaterial nutzt. Eine dritte Art der Gefäßbildung ist die Arteriogenese, bei der Arterien und Arteriolen durch die Rekrutierung von glatten Muskelzellen gebildet werden.

Funktion & Aufgabe

Der Begriff Vaskulogenese beinhaltet jede Art der Gefäßneubildung aus Vorläuferzellen aus dem Gefäßendothel oder Angioblasten. Oft sind mit dem Begriff insbesondere die Neuentstehungsprozesse von Gefäßen in der Embryonalentwicklung gemeint. Diese Prozesse beginnen bei der Differenzierung mesodermaler Zellen und setzen sich mit der Zusammenlagerung dieser Zellen fort, die in der Gegend des Dottersacks erfolgt und gemeinsame Vorläuferzellen aus dem Gefäßsystem und dem blutbildenden System beinhaltet.

Diese Vorläuferzellen werden auch als Hämangioblasten bezeichnet. Die entstehenden Zellkonglomerate werden Blutinseln genannt. Ihre Differenzierung erfolgt unter dem Einfluss der Wachstumsfaktoren. Insbesondere der Einfluss von VEGF spielt dabei eine Rolle. Die Differenzierung macht die Vorläuferzellen zu randständigen Angioblasten und zentral hämatopoetischen Stammzellen. Die Angioblasten werden zu Endothelzellen und formen als solche die ersten Gefäße des Menschen aus.

An diese Prozesse schließen sich Vorgänge der Aniogenese an. Die ersten Blutgefäße sprossen bei diesen Prozessen aus und bilden durch die Aussprossungen das gesamte Blutsystem. Da sich die primitiven Zellen des Endothels zusammenlagern und auf diese Weise Interzellularkontakte ausbilden, entstehen aus dem Prozess nach zusätzlichen Differenzierungsvorgängen und Wachstumsprozessen die einzelnen Gefäßkompartimente, die als Intravasalraum bekannt sind.

Die ersten Gefäße bilden sich in der embryonalen Entwicklung schon am etwa 18. Tag. Diese Erstgefäße entsprechen den sogenannten Umbilicalgefäßen und umfassen neben der Arteria umbilicalis die Vena umbilicalis, aus denen alle weiteren Gefäße hervorgehen.

Nach Abschluss der embryonalen Entwicklung kommt Vaskulogenese in der eigentlichen Form kaum mehr vor. Gefäßneubildungen finden am erwachsenen Menschen in der Regel entweder kompensatorisch statt, oder entsprechen destruktiven Prozessen. Anders als in der Embryonalentwicklung entstehen neue Gefäße im erwachsenen Organismus letztlich nur auf Basis bereits bestehender Gefäße inform der Angiogenese. Diese Neubildung bleibt vorwiegend auf Prozesse der Wundheilung beschränkt.

Wie die pathologische und unkontrollierte Gefäßneubildung im Rahmen von Tumorerkrankungen wird auch die physiologische Neubildung nach Verletzungen oder in der Transplantationsmedizin zuweilen unter den Begriff der Neovaskularisation gefasst. Dieser Begriff ist mit der Vaskulogenese zwar verwandt, ist aber nicht als Synonym zu verstehen.


Krankheiten & Beschwerden

Im Zusammenhang mit der Vaskulogenese spielt der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) eine Hauptrolle. Dieser Wachstumsfaktor hat auch klinisch die höchste Relevanz, wenn es um Prozesse der Veskulogenese geht. Bei der Substanz handelt es sich um ein Signalmolekül, das die Vaskulogenese und die anschließende Angiogenese antreibt. Der Wachstumsfaktor stimuliert das Endothel und zeigt Effekte auf Monozyten und Makrophagen, die durch die Substanz migrieren.

In vitro sorgt der VEGF für eine stimulierende Wirkung auf die Teilung und Einwanderung von Endothelzellen. Eine erhöhte Expression des VEGF-A ist in der klinischen Praxis mit einigen Tumoren assoziiert. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab kann an VEGF binden und pathologische Gefäßneubildungen auf diese Weise hemmen. Bevacizumab spielt deshalb bei der Therapie verschiedener Krebsarten eine Rolle. Phase-III-Studien haben den Stoff erfolgreich zur Bekämpfung von Darmkrebs, Lungenkrebs oder Brustkrebs angewandt. Phase II-Studien existieren auch zur Behandlung von Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs, Prostatakrebs oder Nierenkrebs.

Als Fragment des gleichen Antikörpers ist Ranibizumab bekannt. Diese Substanz findet therapeutischen Einsatz, wenn eine Makuladegeneration mit Gefäßneubildungen assoziiert ist. Darüber hinaus werden gegen Erkrankungen wie Krebs mittlerweile auch Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Sunitinib oder Vatalanib eingesetzt, die eine hemmende Wirkung auf VEGF-Rezeptoren zeigen.

Das gerade Krebserkrankungen mit Vaskulogenese zusammenhängen, hat einen einfachen Grund. Ab einer gewissen Größe benötigt ein Tumor sein eigenes Gefäßsystem. Nur so wird er ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt und kann an Größe gewinnen. Wenn die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung durch eine Unterbrechung der vaskulogenetischen Prozesse blockiert wird, hört daher das Wachstum des Tumors auf.

Auch eine Aktivierung der Vaskulogenese kann für die Medizin aber relevant sein. Das gilt insbesondere nach Transplantationen. Erst die Anbindung von Transplantaten an das Gefäßsystem sichert ihre Sauerstoff- und Nährstoffversorgung und lässt eine Transplantation glücken.

Quellen

  • Kaufmann, M., Costa, S.-D., Scharl, A. (Hrsg.): Die Gynäkologie. Springer, Berlin 2013
  • Rohen, J., Lütjen-Drecoll, E.: Funktionelle Embryologie. Die Entwicklung der Funktionssysteme des menschlichen Organismus. Schattauer, Stuttgart 2016
  • Ulfig, N., Brand-Saberi, B.: Kurzlehrbuch Embryologie. Thieme, Stuttgart 2017

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