Neovaskularisation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Vaskularisation werden alle Prozesse der Gefäßneubildung zusammengefasst, die im Organismus eines erwachsenen Menschen stattfinden, so vor allem die Angiogenese. Die Neovaskularisation ist dagegen eher als pathologische und somit krankhaft überschießende Neubildung von Gefäßen bekannt. Diese Neubildung findet zum Beispiel im Rahmen von Krebserkrankungen statt und dient Tumoren zur Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Neovaskularisation?

Neovaskularisation ist eher als pathologische und somit krankhaft überschießende Neubildung von Gefäßen bekannt. Diese Neubildung findet zum Beispiel im Rahmen von Krebserkrankungen statt und dient Tumoren zur Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff.

Im Rahmen der sogenannten Vaskularisation bilden sich kleinere Blutgefäße neu. Vaskularisierte Gewebe tragen demnach besonders viele Blutgefäße und bluten nach Verletzungen wesentlich stärker, was der Wundheilung zugute kommt.

Physiologische Prozesse der Gefäßneubildung werden unter dem Fachbegriff der Angiogenese zusammengefasst. Bei der Angiogenese wachsen neue Blutgefäße in Spalt- und Sprossungsvorgängen aus bereits vorhandenen Blutgefäßen, so zum Beispiel um Engstellen zu umgehen. Diese Prozesse hängen neben den Scherkräften in den Gefäßen vor allem von der Blutkonzentration immunologischer Monozyten ab. Die Vaskularisation kann synonym zur Angiogenese verwendet werden oder bezeichnet die Gesamtblutversorgung eines Gewebes oder Organs.

Neovaskularisation wird als Oberbegriff für alle Gefäßneubildungen in einem erwachsenen Organismus verwendet. Da im erwachsenen Organismus die Gefäßneubildungen abgesehen von Wundheilungen meist mit krankhaften Erscheinungen assoziiert sind, handelt es sich bei dem Begriff der Neovaskularisation in der Regel auch um die Betitelung einer Erkrankung.

In diesem Zusammenhang liegt immer dann Neovaskularisation vor, wenn es sich bei einem angiogenetischen Prozess nicht um einen physiologischen, sondern um einen pathologischen Prozess handelt. Dementsprechend werden vor allem überschießende Gefäßneubildungen im Rahmen von Tumorerkrankungen oder der Makuladegeneration als Neovaskularisation betitelt. Physiologische Gefäßneubildungen im erwachsenen Organismus werden eher als Vaskularisation, denn als Neovaskularisation bezeichnet, obwohl sie sich in der Tat neu bilden.

Funktion & Aufgabe

Bei der Angiogenese bilden sich neue Gefäßstrukturen mit Endothelzell-Auskleidung und glatten Muskelzellen sowie Perizyten. Angiogenese ist ein nicht zu unterschätzender Prozess der Wundheilung. Das Blut versorgt alle Körpergewebe und Organe des Menschen mit Nährstoffen und Sauerstoff. Außerdem gelangen über das Blut Botenstoffe in die einzelnen Gewebe. Darüber hinaus werden auch die Zellen des Immunsystems über das Blut transportiert. Damit ist die Blutanbindung eines Gewebes lebenswichtig.

Angiogenese stellt in diesem Zusammenhang das Überleben von Geweben sicher, deren Blutanbindung aufgrund von Verletzungen gestört wurde. Gemeinsam mit dem Begriff der Vaskularisation hat sich der Begriff der Angiogenese mittlerweile als Überbegriff für sämtliche Formen der Gefäßneubildung im erwachsenen Organismus etabliert. Neben dem beschriebenen Wundheilungsprozess existiert zum Beispiel die Vaskulogenese, bei der sich Gefäßstrukturen auf Basis von zirkulierenden Stammzellen oder Angioblasten neu bilden, die zu Endothelzellen werden.

Bei der Arteriogenese bilden sich wiederum Arterien und kleinere Arteriolen und erhalten mittels der Rekrutierung von glatten Muskelzellen vollwertige Gefäßwände. Bei der Neubildung von Venen läuft im Wesentlichen derselbe Prozess ab.

Alle genannten Gefäßneubildungen sind Vaskularisationen und basieren mitunter auf einer Ausschüttung des Wachstumsfaktors VEGF. Bei der Neovaskularisation stellt sich eine lokal beschränkte Überproduktion des VEGF ein. Diese Überproduktion kann zum Beispiel auf die Ausschüttung durch Tumorzellen zurückzuführen sein. Bei einer fortschreitenden Tumorerkrankung initiieren die Tumorzellen die Neovaskularisation, damit der wachsende, sich progressiv ausbreitende Tumor ausreichend mit Blut versorgt ist und so genügend Sauerstoff und Nährstoffe zum Wachsen erhält.

Die Blockade der Neovaskularisation kann in diesem Zusammenhang das Wachstum des Tumors aufhalten. Dieses Prinzip wird im Rahmen der anti-angiogenetischen Tumortherapie zur Behandlung von Patienten mit Krebserkrankungen genutzt.


Krankheiten & Beschwerden

Neovaskularisationen treten im Rahmen von zahlreichen Tumorerkrankungen auf. Nicht immer muss eine überschießende Gefäßneubildung mit übermäßiger Produktion des VEGF aber mit einem Tumor in Zusammenhang stehen. Vor allem bei Gefäßneubildungen im Auge können viele andere, krankhafte Prozesse an der überschießenden Vaskularisation schuld sein. So zum Beispiel die exsudativ „feuchte“ Makuladegeneration oder die diabetische Retinopathie, die auch als proliferative Retinopathie bekannt ist.

Darüber hinaus spielt sich Neovaskularisation im Rahmen von Neovaskulerisationsglaukomen ab und tritt außerdem begleitend zu einer Retinopathia praematurorum auf. Eine Neovaskularisation der Hornhaut wird außerdem häufig an Patienten mit Kontaktlinsen beobachtet.

Abhängig von der Ursache werden krankhaft überschießende Prozesse der Vaskularisation unterschiedlich behandelt. Zur Abschwächung einer Angiogenese erfolgt in der Regel eine anti-angiogenetische Therapie, bei der der Patient beispielsweise VEGF-neutralisierende monoklonale Antikörper erhält. Die Behandlung mit Bevacizumab oder rhuMAb-VEGF wurde zum Beispiel für Patienten mit metastierendem Darmkrebs zugelassen und soll die Gefäßneubildung blockieren, womit schließlich auch das Wachstum des Tumors blockiert wird.

Der Wirkstoff Bevacizumab ist mittlerweile außerdem bei Brustkrebs, Nierenkrebs und Lungenkrebs im Einsatz. Darüber hinaus existieren mittlerweile anti-angiogenetische Therapien mit dem Antikörper Ramucirumab, der an den Rezeptor VEGF R2 bindet und auf diese Weise den Rezeptor für den angiogenetischen Wachstumsfaktor VEGF R2 blockiert. Die Blockade verhindert die Bildung von Blutgefäßen, da die Bildung erst durch den Rezeptor-Wachstumsfaktor-Komplex stimuliert wird, der jetzt nicht mehr zustande kommt. Bislang wird Ramucirumab vor allem in der Therapie von Magenkrebs eingesetzt.

Anders verhält es sich mit der Therapie von überschießenden Gefäßneubildungen, die nicht mit Tumorerkrankungen assoziiert sind. Bei einer Neovaskularisation im Rahmen von Kontaktlinsengebrauch steht das Aussetzen der Kontaktlinsenverwendung im Mittelpunkt der Therapie. Zusätzlich kommen topische Medikamente zum Einsatz, die die Angiogenese regulieren sollen. Bei diesen Medikamenten handelt es sich in der Regel um Augentropfen. Als Wirkstoffe kommen vor allem Steroide und GS-101 zum Einsatz. Bei letzterer Substanz handelt es sich um ein Antisense-Oligonukleotid.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Bob, A., Bob, K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2009
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

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