Chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie ist auch als chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP) bekannt. Es handelt sich dabei um eine sehr seltene Erkrankung der peripheren Nerven.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie?

Die chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie entwickelt sich eher langsam. Rund zwei Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome erreicht die Erkrankungen ihren Höhepunkt.
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Die chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie ist eine Erkrankung der Nerven, die sich außerhalb des Zentralnervensystems befinden. Die Krankheit ist mit einer Inzidenz von zwei auf 100.000 Menschen eher selten. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Erkrankung beginnt meist im höheren Alter.

Die genaue Ursache ist noch ungeklärt, die Entzündung scheint aber immunologisch vermittelt zu sein. Durch die chronische Entzündung wird die Myelinschicht der peripheren Nerven beschädigt, sodass es zu Schwäche und Sensibilitätsstörungen in den Armen oder Beinen kommen kann. Die Erkrankung ist behandelbar, kann aber nicht geheilt werden.

Ursachen

Die genaue Pathogenese der CIPD ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass das Immunsystem die Myelinschicht als Fremdstoff wahrnimmt und angreift. Unklar ist aber, was diesen Autoimmunprozess auslöst. Bei einigen Patienten konnten abnormale Proteine im Blut gefunden werden. Diese könnten die Schädigung der Nerven fördern.

Andere pathogenetische Konzepte postulieren, dass die abweichende Immunantwort auf der humoralen und der zellulären Ebene stattfindet. Antikörper, die im Blut zirkulieren, richten sich dabei gegen die Antigene der peripheren Nerven. Es entsteht eine Immunreaktion mit Komplement, autoreaktiven T-Zellen und Makrophagen.

Im Gegensatz zum sehr ähnlichen Guillain-Barré-Syndrom geht der chronisch-entzündlichen demyelinisierenden Polyneuropathie nur sehr selten eine Infektionskrankheit voraus. Häufig tritt die CIPD aber im Zusammenhang mit Diabetes mellitus, Paraproteinämie, Lymphomen, osteosklerotischen Myelomen oder anderen Autoimmunerkrankungen wie dem Lupus erythematodes auf.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie entwickelt sich eher langsam. Rund zwei Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome erreicht die Erkrankungen ihren Höhepunkt. Die CIPD manifestiert sich meist in Form von Lähmungen, die an den Beinen beginnen und später weiter aufsteigen. Die Lähmungen treten symmetrisch auf und werden von Reflexabschwächungen (Hyporeflexie) oder Reflexverlusten (Areflexie) begleitet.

Auch Sensibilitätsstörungen in Form von Brennen oder Kribbeln können auftreten. Des Weiteren klagen die betroffenen Patienten häufig über Kompressionsgefühle an Beinen oder Armen. Wenn die oberen Extremitäten gelähmt sind, ist die Feinmotorik zudem stark eingeschränkt. Unvollständige Lähmungen der Beine haben Gehstörungen und Schwierigkeiten beim Aufstehen oder beim Treppensteigen zur Folge.

Eine komplette Lähmung von Armen oder Beinen ist selten. Ein unsicherer, breitbeiniger und schwankender Gang kann auftreten. Bei Kindern ist diese Gangataxie häufig sogar das einzige Symptom. Die Patienten leiden auch unter starker Müdigkeit. Gelegentlich kommt es zu Muskelzittern. Die CIPD kann in verschiedenen Varianten auftreten. Bei der sensorischen CIPD häufen sich sensible Symptome und ataktische Neuropathien.

Auch die motorischen Nerven sind hier betroffen, sodass es im Verlauf der Erkrankung auch zu motorischen Ausfällen kommt. Das Lewis-Sumner-Syndrom ist durch eine asymmetrische Verteilung gekennzeichnet. Die vorwiegend sensorischen Symptome treten anfänglich in den oberen Extremitäten auf.

Die Symptome der CIDP mit monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) und die axonalen Varianten der CIPD ähneln sich. Die CIDP mit MGUS ist allerdings durch monoklonale IgG- und IgA Gammopathien charakterisiert. Bei den axonalen Varianten können Gangliosid-Antikörper nachgewiesen werden.

Diagnose & Verlauf

Bei Verdacht auf eine chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie wird in der Regel eine Elektroneurografie durchgeführt. Dabei wird der Funktionszustand der peripheren Nerven bestimmt. Unter anderem werden die Nervenleitgeschwindigkeiten, die Verteilung der Leitgeschwindigkeiten, die Refraktärzeit und die Amplitude erfasst.

Bei der CIPD ist die Nervenleitgeschwindigkeit aufgrund der Demyelinisierung verlangsamt. Sie liegt rund 20 Prozent unter dem Normwert. Die distalen Latenzen sind verlängert. Gleichzeitig ist ein F-Wellen-Verlust zu beobachten. In den meisten Fällen wird auch eine Liquoruntersuchung durchgeführt. Dabei wird das Nervenwasser im Labor untersucht. Es zeigt sich eine unspezifische Eiweißerhöhung, was auf eine Schrankenstörung hinweist.

Die Konzentration liegt bei weniger als 10 Zellen pro Mikroliter. Man spricht hier auch von einer zytoalbuminären Dissoziation. Mittels Magnetresonanztomografie lassen sich symmetrisch verteilte entzündliche Nervenveränderungen und verdickte spinale Nervenwurzeln nachweisen. Bei einigen Formen der CIPD können im Blutserum die sogenannten Gangliosid-Antikörper nachgewiesen werden.

Kann mit den genannten Diagnosemethoden keine gesicherte Diagnose erstellt werden, muss eine Nervenbiopsie durchgeführt werden. Meistens wird eine Biopsie des Unterschenkelnervs (Nervus suralis) zur histologischen Untersuchung entnommen. Im Semidünnschnitt lassen sich entzündliche demyelinisierende Neuropathien nachweisen. Zudem ist eine segmentale Demyelinisierung erkennbar. Differenzialdiagnostisch sollte immer auch an ein Guillan-Barré-Syndrom und an andere Polyneuropathien gedacht werden.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es durch diese Krankheit zu starken Lähmungen. Diese können fortschreitend an unterschiedlichen Stellen des Körpers auftreten und dabei zu einer Bewegungseinschränkung des Patienten führen. Die Möglichkeiten im Alltag sind damit stark beschränkt. In den meisten Fällen nehmen auch die Reflexe des Patienten ab und verschiedene Bewegungen sind nur erschwert möglich.

Dadurch können sich Koordinationsstörungen und Gehstörungen entwickeln, sodass der Betroffene möglicherweise auf Gehhilfen oder auf die Betreuung durch andere Menschen angewiesen ist. Nicht selten tritt auch eine starke Müdigkeit ein, welche nicht durch Schlaf ausgeglichen werden kann. Die Muskeln zittern schon bei kleinen Anstrengungen.

Viele Menschen leiden aufgrund der Einschränkungen im Alltag an psychischen Beschwerden und Depressionen. Auch die Kontakte zu anderen Menschen können durch die Krankheit geschädigt werden. Die Behandlung findet meistens mit Hilfe von Medikamenten statt und führt zu einem Erfolg. Allerdings kann die Therapie zu einem starken Knochenschwund führen. In der Regel muss die Behandlung nach mehreren Monaten wiederholt werden. Bei älteren Patienten erhöht sich das Risiko auf den Verbleib von verschiedenen Schäden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wer Symptome wie Muskelzittern, starke Müdigkeit oder Lähmungserscheinungen in den Beinen bemerkt, die langsam in die oberen Körperregionen übergehen, sollte einen Arzt aufsuchen. Auch Sensibilitätsstörungen wie Brennen oder Kribbeln deuten auf die chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie hin. Bei anhaltenden Gehstörungen sollte der Rettungsdienst eingeschaltet werden. Dasselbe empfiehlt sich, wenn es aufgrund einer unerwarteten Lähmung zu einem Unfall oder Sturz kommt oder die Symptome plötzlich zunehmen.

Sollten psychische Beschwerden hinzukommen, kann in Rücksprache mit dem Allgemeinmediziner ein Psychologe hinzugezogen werden. Sehr selten geht der Chronisch-entzündlichen demyelinisierenden Polyneuropathie eine Infektionskrankheit voraus. Häufiger tritt sie im Zusammenhang mit Diabetes mellitus, Paraaproteinämie, Lymphomen und diversen Autoimmunerkrankungen auf.

Wer an diesen Vorerkrankungen leidet, sollte bei genannten Symptomen umgehend mit dem Hausarzt sprechen. Weitere Ansprechpartner sind der Neurologe oder ein Spezialist für Polyneuropathien. Mit Kindern, die Anzeichen der CIPD zeigen, wird am besten der Kinderarzt zurate gezogen. Bei einem medizinischen Notfall ist der ärztliche Rettungsdienst zu kontaktieren.

Behandlung & Therapie

Bei einer geringen Ausprägung der Symptome wird Prednison verabreicht. Prednison ist ein Steroidhormon aus der Klasse der Glukokortikoide. Es wirkt immunsupprimierend und entzündungshemmend. Da Prednison eine Osteoporose zur Folge haben kann, sollte auch an eine Osteoporoseprophylaxe gedacht werden. Die Nebenwirkungen einer lang dauernden Glukokortikoid-Therapie können gravierend sein.

Um die Dosis klein zu halten, werden additiv immunsuppressive Substanzen wie Cyclophosphamid, Cyclosporin, Methotrexat und Rituximab verabreicht. Auch die intravenöse Gabe von Immunglobulinen und die Plasmapherese sind mögliche Therapieoptionen. Bei der Plasmapherese muss beachtet werden, dass sich die Symptome nach einer ersten Verbesserung auch wieder verschlechtern können.

Die Therapie mit Immunglobulinen und Plasmapherese muss zudem alle ein bis drei Monate wiederholt werden. Rund zwei Drittel aller Patienten profitieren von dieser Therapiekombination. Das Manifestationsalter scheint sich auf den Verlauf der Erkrankung auszuwirken. Patienten, die bei Erkrankungsbeginn jünger als 20 Jahre waren, zeigen einen remittierenden Verlauf mit guter Rückbildung. Sind die Patienten über 45 Jahre alt, verbleiben meist neurologische Defizite.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der chronisch-entzündlichen demyelinisierenden Polyneuropathie steht im Zusammenhang mit dem Alter des Patienten sowie dem Zeitpunkt der Diagnose. Je weiter die Entwicklung der Erkrankung beim Erstbefund fortgeschritten ist, desto ungünstiger ist der zukünftige Krankheitsverlauf.

Ein höheres Lebensalter des Patienten bei Eintritt der Polyneuropathie hat ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose. Bei unter 20jährigen Erkrankten kann häufiger eine motorische Beeinträchtigung beobachtet werden. Ärzte sprechen in diesen Fällen von einer motorisch betonten Neuropathie mit subakuter Progression. Gleichzeitig erleben diese Patienten vermehrt eine gute Rückbildung der aufgetretenen Beschwerden.

Findet die Erstmanifestation der Polyneuropathie in einem Alter über 60 Jahre statt, entwickeln sich häufiger anhaltende neurologische Defizite. Die Patienten leiden stärker unter chronischen sensomotorischen Störungen des peripheren Nervensystems. Zudem sind die Heilungsaussichten oftmals durch weitere vorhandene Erkrankungen erschwert. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung im Alltag dar und vermindert das Wohlbefinden. Gleichzeitig steigt durch die verminderte Gesundheit und die geringe Aussicht auf eine Besserung das Risiko, weitere psychische Störungen zu erleiden.

Ungefähr 10% der Erkrankten sterben an den Folgen der Polyneuropathie. Jeder dritte Patient erlebt Phasen der Remission. Die Zeit en der Beschwerdefreiheit können mehrere Monate oder Jahre umfassen. Eine dauerhafte Genesung gilt als unwahrscheinlich.


Vorbeugung

Da die genauen Pathomechanismen der CIDP ungeklärt sind, ist derzeit keine wirkungsvolle Prävention bekannt.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei dieser Erkrankung nur sehr wenige oder gar keine besonderen Möglichkeiten und Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene ist dabei in erster Linie auf eine schnelle und vor allem auf eine frühe Diagnose angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu weiteren Beschwerden kommt. Je früher dabei ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meist auch der weitere Verlauf der Erkrankung.

Daher empfiehlt es sich, schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen der Erkrankung ein Arzt kontaktiert werden sollte. Eine Selbstheilung kann bei dieser Krankheit nicht eintreten. Die Behandlung der Krankheit erfolgt in der Regel durch die Einnahme von verschiedene Medikamenten. Der Betroffene sollte dabei bei Nebenwirkungen oder bei Wechselwirkungen immer zuerst einen Arzt aufsuchen oder kontaktieren.

Ebenso ist auf eine regelmäßige Einnahme und auf eine richtige Dosierung zu achten, um die Beschwerden richtig zu lindern. In der Regel sind die Betroffenen dabei auch auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Dadurch können vor allem psychische Verstimmungen oder sogar Depressionen verhindert werden. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung des Betroffenen kommt, kann dabei nicht universell vorhergesagt werden.

Das können Sie selbst tun

Bei der Chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie treten symmetrische Lähmungen auf, welche die Extremitäten betreffen. Dadurch entstehen im Alltag viele Hürden, die nicht immer in Selbsthilfe zu bewältigen sind. Solange das Syndrom sich durch Sensibilitätsstörungen und Erschöpfungszustände äußert, sollten Betroffene beruflich sowie im privaten Umfeld Stress und extreme körperliche Überanstrengung vermeiden.

Innerhalb einer Therapie können Entspannungsübungen erlernt werden. Sanfter Sport wie Yoga und Schwimmen unterstützt und stärkt die Muskeln. Mit Fortschreiten der Krankheit nehmen Lähmungserscheinungen und Koordinationsstörungen zu. Bei schwankendem Gang ist eine Gehhilfe eine sichere Maßnahme, den Alltag im Rahmen des Möglichen noch selbständig zu bewältigen.

Werden mit Krankheitsverlauf zunehmend Motorik sowie kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt, ist betreutes Wohnen eine gute Alternative. Betroffene sollten frühzeitig vorbeugende Selbsthilfemaßnahmen konsequent anwenden, um das Lebensniveau längerfristig halten zu können. Ebenso ist das Ablegen schlechter Angewohnheiten wie regelmäßigem Alkoholkonsum, Rauchen und Drogenmissbrauch, ratsam.

Da das Symptom oftmals mit Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen sowie osteosklerotischen Myelomen einhergeht, ist es wichtig, seine Ernährungsweise anzupassen. Zumal die Medikamentengabe, um das Syndrom zu mindern, die Knochen angreift. Empfohlen wird eine ausgewogene Vitamin D- und Kalziumhaltige Kost sowie Lebensmittel, die reich an Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren sind. Depressionen und Schmerzschübe können durch Selbsthilfegruppen sowie einer künstlerischen Beschäftigung entgegengewirkt werden.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Klingelhöfer, J., Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie. Urban & Fischer, München 2009
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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