Europäische Schlafkrankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Europäische Schlafkrankheit wird eine Entzündung im Gehirn genannt, die mit plötzlichen schweren Bewusstseinsstörungen und neurologischen Ausfällen einhergehen kann. Betroffene fallen unkontrolliert in einen tiefen Schlaf und sind danach oft nicht ansprechbar. Viele befinden sich einer kompletten körperlichen und geistigen Erstarrung. Oft folgen Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber. Die Erkrankung trat in den Jahren 1915 bis 1927 gehäuft in Europa auf und führte in dieser Zeit sogar zu Todesfällen. Später wurden nur noch sehr seltene Ausbrüche registriert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Europäische Schlafkrankheit?

Auf eine Enzephalitis hindeuten können plötzliches hohes Fieber, Übelkeit, ungewohnt starke Kopfschmerzen und zunächst leichte Bewusstseinseintrübungen.
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Entdeckt und erstmals beschrieben hat die Erkrankung im Jahr 1916 der österreichische Psychiater und Neurologe Constantin Freiherr Economo von San Serff (1876-1931). Nach ihm erhielt sie auch den Namen Economo-Krankheit. Bekannter ist die Bezeichnung Encephalitis lethargica. Die Leidenden wurden oft in den unbequemsten Körperhaltungen vom Schlaf überrascht, beispielweise beim Essen oder mitten in der Arbeit.

Manche konnten leicht aufgeweckt werden, andere erlitten jedoch einen schnellen Tod. Economo stellte häufige Lähmungen der Augenmuskulatur fest und stieß auf Fallbeschreibungen aus vorangegangenen Jahrhunderten, die auf dem europäischen Kontinent angesiedelt waren.

Eindrucksvolle Schilderungen der Schicksale an Europäischer Schlafkrankheit leidender Patienten hinterließ der berühmte britische Neurologe Oliver Sacks (1933-2015). Er begegnete Ende der 1960er Jahre als junger Arzt in der Neurologie eines Krankenhauses in den USA einigen Opfern der Europäischen Schlafkrankheit, konkret der Epidemie in den 1920er Jahren.

Mit einem speziellen Nervenmittel konnte er mehreren Patienten innerhalb kurzer Zeit das Bewusstsein wiedergeben. Ein Teil von ihnen war so nach einem jahrelangen geistigen Stillstand wieder aus der Erstarrung erwacht. Weil sie diese völlig neue persönliche Situation nicht verkraften konnten, fielen sie wieder in die allgemeine Starre zurück oder bekamen andere Geisteskrankheiten.

Ursachen

Zumeist wird eine Enzephalitis durch Viren verursacht. Seltener sind Bakterien oder andere Krankheitserreger die Auslöser der Gehirnentzündung. Besonders gefährdet sind Kinder, junge Erwachsene und Patienten mit einem angegriffenen Immunsystem. Die Viren (zum Beispiel Herpes-simplex-Viren, Varizella-Zoster-Virus, Epstein-Barr-Virus) führen entweder direkt im Gehirn zur Entzündung oder blockieren das körpereigene Abwehrsystem. In Frage kommende Erreger sind auch Einzeller, Parasiten und Pilze.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Auf eine Enzephalitis hindeuten können plötzliches hohes Fieber, Übelkeit, ungewohnt starke Kopfschmerzen und zunächst leichte Bewusstseinseintrübungen. Die Konzentration und das Gedächtnis weisen schlagartig Mängel auf.

Es kommt zu deutlichen Verhaltensänderungen, auch Stimmungsschwankungen und Orientierungslosigkeit. Die Sprache und das Sprechen können leicht gestört sein. Unbehandelt führt die Krankheit sehr häufig zum Tod. Wird sie früh erkannt und richtig therapiert, bestehen sehr gute Heilungsaussichten.

Nur selten treten andauernde Schädigungen des Nervensystems auf. Jedoch können sich auch erst viele Jahre später einstellen. In der Klinik ist deshalb immer die Neurologische Abteilung für eine Enzephalitis zuständig. Medikamentös behandelt, werden rund 80 Prozent der Patienten wieder gesund. Ein lebensgefährliches Risiko bergen andauernde Krampfanfälle und Schwellungen des Gehirns in sich.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose des Arztes bei einer vermuteten Europäischen Schlafkrankheit erfolgt außerordentlich vielfältig. Er benötigt Auskünfte über allgemeine Beschwerden, zur bisherigen Krankengeschichte und hinsichtlich möglicher viraler Infektionen. Außerdem wird er sich Schilderungen von Angehörigen oder Begleitern anhören, weil der Enzephalitis-Patient oftmals auffällige Probleme mit der Wahrnehmungs- und Mitteilungsfähigkeit hat.

Wichtig sind weiterhin Informationen über jüngst erfolgte Reisen und eventuellen Kontakt zu Risikopersonen, etwa an einer Gehirnentzündung Erkrankten. Mit körperlichen und neurologischen Untersuchungen testet der Arzt anschließend vor allem den Brust- und Kopfbereich des Patienten, seine Reflexe und Reaktionen auf Reize.

Er kann Unregelmäßigkeiten der Haut sowie Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes erkennen und deuten. Besteht der Verdacht auf Enzephalitis oder speziell Encephalitis lethargica, wird der Arzt das Blut und die Gehirnflüssigkeiten gründlich untersuchen, um die Art und Gefährlichkeit des Erregers sowie vorhandene Entzündungsanzeichen herauszufinden.

Darüber können sichere Erkenntnisse oft aber erst nach einigen Wochen gewonnen werden. Um mögliche anderweitige Hirnerkrankungen auszuschließen, kann der Arzt auch auf die Auswertung von Computertomographien, Kernspintomographien und Elektroenzephalographien zurückgreifen.

Komplikationen

Die europäische Schlafkrankheit beruht auf einer Gehirnentzündung. Diese kommt mittlerweile relativ selten vor, kann jedoch aufgrund der Erkrankungsschwere Komplikationen zeitigen. Die Encephalitis lethargica oder Encephalitis Vienna kann zu parkinsonähnlichen Symptomen oder zu Zuständen führen, die einem Wachkoma ähneln.

Als weitere Komplikation dieser Erkrankung können Jahre später auftretende neurologische Störungen angesehen werden. Der amerikanische Neurologe Oliver Sacks konnte solche Symptome zeitweise mit der Gabe von L-Dopa beheben. Bei einigen der wieder zum Leben erweckten Patienten führte das zu tragischen Komplikationen. Sie konnten nach Jahren des Dahindämmerns den neuen Zustand der Wachheit nicht ertragen.

Als Folge wurden sie depressiv beziehungsweise psychisch krank. Die Prognose bei solchen Komplikationen der europäischen Schlafkrankheit ist meist schlecht. Problematisch ist, dass die europäische Schlafkrankheit nicht auf einen speziellen Erreger zurückgeführt werden kann. Aufgrund von zunächst unspezifischer Beschwerden sind die Risiken für später auftretende Komplikationen relativ hoch.

Es kann zum Beispiel zu einem anhaltenden Krampfanfall (status epilepticus) kommen. In anderen Fällen bilden sich durch Schwellungen im Gehirn Hirnödeme aus. Beide Komplikationen der europäischen Schlafkrankheit können für die Betroffenen lebensbedrohliche Folgen haben. Da die Erreger der europäischen Schlafkrankheit bisher nicht zu ermitteln sind, sind Komplikationen kaum auszuschließen. So kann es als Folge der europäischen Schlafkrankheit zu einem Parkinsonsyndrom kommen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn es plötzlich zu hohem Fieber, ungewöhnlich intensiven Kopfschmerzen und anderen Anzeichen einer Enzephalitis kommt, sollte der Notarzt gerufen werden. Stimmungsschwankungen und Veränderungen im Verhalten sind weitere Warnzeichen, die am besten sofort abgeklärt werden. Bei Bewusstlosigkeit muss umgehend der Rettungsdienst alarmiert werden.

Bis fachliche Hilfe eintrifft, empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle von Puls und Herzschlag. Außerdem muss der Betroffene in die stabile Seitenlage gebracht werden, damit er nicht erstickt. Anschließend muss er zumeist einige Zeit im Krankenhaus verbringen.

Ob weitere Arztbesuche notwendig sind, hängt sehr davon ab, wie die Europäische Schlafkrankheit verläuft. Bei Schmerzen, Krampfanfällen und anderen Beschwerden ist auf jeden Fall mit dem zuständigen Arzt zu sprechen. Kinder, ältere Menschen und Patienten mit einem angegriffenen Immunsystem erkranken besonders häufig an einer Enzephalitis. Diesen Risikogruppen empfiehlt sich nach einer Vireninfektion eine gezielte Untersuchung auf eine Gehirnentzündung. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind im Normalfall auch die Heilungsaussichten.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der Gehirnentzündung erfolgt grundsätzlich in einer stationären Klinik, weil hier möglicherweise lebensbedrohliche Zuspitzungen des Krankheitsverlaufes sofort erkannt und ausgeglichen werden können. Ebenso ist die Medikamentengabe lückenlos nachvollziehbar und kann je nach Erregertyp und Schwere der Erkrankung modifiziert werden.

In der Anfangsphase einer Enzephalitis können bestimmte Arzneimittel unwirksam sein, solange über den Auslöser der Erkrankung keine endgültige Klarheit besteht. Sie werden im Krankenhaus dann sofort durch besser geeignete Mittel ersetzt. Der Medikamenteneinsatz für Fiebersenkung, gegen Gehirnveränderungen, Schmerzen und eventuelle Krampfanfälle wird ebenso in der Klinik exakt auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.

Aussicht & Prognose

Bei der heute nur noch vereinzelt vorkommenden europäischen Schlafkrankheit treten irreversible Schädigungen im Neuronennetzwerk des Gehirns auf, die eine Heilung der Erkrankung unmöglich machen. Die Schlafanfälle sind zwar zunächst vorübergehend, aber die Krankheit schreitet trotzdem voran und schädigt das Neuronennetzwerk immer mehr.

Im akuten Zustand schlafen die betroffenen Patienten plötzlich ein und behalten dabei oftmals unbequeme Körperhaltungen bei. Der Schlaf ist so tief, dass er oft einem Koma ähnlichen Zustand gleicht. Zur Zeit der größten Ausbreitung der Erkrankung in den Jahren zwischen 1915 und 1927 wurde festgestellt, dass ungefähr ein Drittel der Betroffenen verstirbt. Der Tod tritt dabei häufig sehr rasch ein, wobei die Erkrankten immer aufweckbar bleiben.

Überlebende Patienten leiden später unter anderem an Lähmungen der Augenmuskulatur und Augenlidlähmungen. Viele Jahre nach den Schlafanfällen treten neurologische Probleme auf, die wiederum zu den gleichen Symptomen wie im Anfangsstadium führen und dann in völliger geistiger Umnachtung des Patienten enden. Die Betroffenen wirken dabei selbstvergessen und verfallen in völlige Starre.

Der Neurologe Oliver Sacks erzielte mit einer experimentellen L-Dopa Therapie Erfolge. L-Dopa wirkt stimulierend und kann die Patienten aus dem Zustand der Erstarrung holen. Dieses Erwachen aus der völligen geistigen Erstarrung ist aber oft nur kurzfristig. Einige Patienten fallen wieder in die geistige Erstarrung zurück, weil für sie die neue Situation nach dem Erwachen nicht verkraftbar ist.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung gegen die Gehirnerkrankung Enzephalitis werden Impfungen empfohlen, die gegen vielfältigste Erreger helfen können. Da sie gleichartige Erregerstämme bekämpfen, sind Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung ebenso für eine erhöhte Widerstandskraft gegen die Economo-Krankheit angebracht. Für Personen mit einem erhöhten neurologischen Krankheitsrisiko gibt es außerdem verschiedenste spezielle Schutzimpfungen.

In dieser Hinsicht besonders zu beachten ist die Serumgabe gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), die von Zecken übertragen wird. Eine FSME ist eine Gehirnentzündung, deren virale Erreger sehr aktiv sind. Einige Risikogebiete für diese hauptsächlich im Frühjahr und Sommer vorkommende Krankheit gibt es auch in Deutschland. Reisenden nach Südostasien ist außerdem eine vorbeugende Schutzimpfung gegen die sogenannte japanische Enzephalitis anzuraten, die dort verbreitet vorkommt.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen den Betroffenen bei dieser Krankheit keine Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Die Krankheit selbst muss dabei in erster Linie direkt von einem Arzt untersucht und behandelt werden, damit es zu keinen weiteren Komplikationen kommt, die den Alltag des Betroffenen weiterhin erschweren können. Dabei sollte der Betroffene schon bei den ersten Anzeichen dieser Krankheit einen Arzt aufsuchen, damit sie schnell behandelt werden kann.

Sollte die Erkrankung unbehandelt bleiben, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, die die Lebensqualität des Betroffenen deutlich verringern. In den meisten Fällen sind die Patienten bei dieser Erkrankung auf eine Behandlung durch einen Psychologen angewiesen. Die Behandlung sollte dabei regelmäßig durchgeführt werden, um die Beschwerden richtig zu lindern.

Der Betroffene sollte in seinem Leben Stress auf jeden Fall vermeiden, da dieser die Erkrankung auf jeden Fall fördert. Dabei können verschiedene Techniken zur Entspannung die Krankheit einschränken und dabei auch das Leben des Patienten erleichtern. Auch der Kontakt zu anderen Patienten mit derselben Erkrankung kann dabei sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommt. In der Regel wird die Lebenserwartung durch diese Krankheit nicht verringert.

Das können Sie selbst tun

Da eine Encephalitis stets lebensgefährlich sein kann, besteht eine der wichtigsten Selbsthilfemaßnahmen darin, die Symptome richtig zu deuten und zeitnah einen Arzt aufzusuchen. Erste Anzeichen sind neben Fieber und Übelkeit sehr starke Kopfschmerzen sowie Verhaltensänderungen, die sich insbesondere in Form von Stimmungsschwankungen und Orientierungslosigkeit manifestieren. Solche Symptome dürfen keinesfalls als Begleiterscheinung einer beginnenden Grippe verharmlost werden, sondern müssen sofort mit einem Arzt erörtert werden.

Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, sowie Patienten mit einem schwachen Immunsystem. Das Immunsystem kann durch die Lebensführung positiv beeinflusst werden. Eine gesunde, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung auf überwiegend pflanzlicher Basis sowie regelmäßige Bewegung an der frischen Luft stärken die körpereigenen Abwehrkräfte. Ungesunde Lebensmittel, insbesondere fettes Fleisch, Wurst, Zucker und Weißmehlprodukte sowie den übermäßigen Konsum von Alkohol und Zigaretten gilt es dagegen möglichst zu vermeiden.

Personen mit einem erhöhten neurologischen Krankheitsrisiko sollten von den speziellen Schutzimpfungen, die für sie angeboten werden, auch wirklich Gebrauch machen. Darüber hinaus können auch Impfungen gegen bestimmte Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps und Röteln das Risiko an der Europäischen Schlafkrankheit zu erkranken, vermindern.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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