Milchsäurebakterien
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 3. September 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Milchsäurebakterien, oft auch Lactobacillales, Laktobazillen oder Sauermilchbakterien genannt, umfassen eine Familie von grampositiven, immer anaeroben aber meistens aerotoleranten Bakterien. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie Zucker in Milchsäure umwandeln (Milchsäuregärung): Sie lassen die Milch sauer werden.
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Was sind Milchsäurebakterien?
Milchsäurebakterien beschreiben eine große Übergruppe von verschiedenen Bakterienarten, die im menschlichen Körper vorkommen. Grundlegend ähneln sich diese verschiedenen Arten von Milchsäurebakterien aber kaum.
Die einzige Ähnlichkeit besteht meistens darin, dass diese Zucker in Milchsäure umwandeln und zur Energiegewinnung auf Kohlenhydrate zurückgreifen. Während homofermentative Bakterien allerdings nur Milchsäure (Laktat) produzieren, stellen heterofermentative Bakterien neben dieser auch andere Endprodukte wie etwa Ethanol und Kohlendioxid her.
Von anderen Bakterien, die unter anderem ebenfalls Milchsäure produzieren, unterscheiden sich Laktobazillen dadurch, dass sie auf den Stoffwechsel bezogen nur zur Gärung in der Lage sind. Die führen sie aber auch dann durch, wenn Sauerstoff hinzukommt.
Bedeutung & Funktion
Milchsäurebakterien haben die Fähigkeit zur Synthese vieler notwendiger Stoffe, wie etwa Aminosäuren, Porphyrine und Cytochrome, durch ihre Spezialisierung auf das Wachstum in Milch und ähnlichen Stoffen verloren.
Dadurch können sie Wasserstoffperoxid nicht spalten. Deshalb finden sich Milchsäurebakterien nur im Darm und in Schleimhäuten von Säugetieren, wie beispielsweise beim Menschen.
Ebenso finden sich Milchsäurebakterien aber auch in einigen lebenden oder sich zersetzenden Pflanzen, die mit Milch und milchähnlichen Substanzen in Berührung kommen. Trotzdem gehören Milchsäurebakterien zu den wichtigsten Vertretern der menschlichen Darm- und der Vaginalflora.
Verschiedene Unterarten (Stämme) und Arten der Milchsäurebakterien werden zudem zur Konservierung von Lebensmitteln, etwa Joghurt, Käse, Sauermilch, Kefir und Sauerkraut als auch zur Hautpflege und zur Kariesprophylaxe eingesetzt. Milchsäurebakterien werden außerdem recht häufig als Probiotikum verwendet, die das Immunsystem stärken und die Verdauung positiv ankurbeln, beeinflussen und so regulieren sollen.
So lässt sich mit Probiotikum zum Beispiel in die Darm-, Mund- aber auch Vaginalflora eingreifen. Das kann zur Wiederherstellung einer gestörten, aber auch zur Verbesserung und Optimierung einer gesunden Flora angedacht sein.
Biologische Eigenschaften
Milchsäurebakterien (Lactobacillales) sind eine Ordnung grampositiver Bakterien, die in der Lage sind, Zucker in Milchsäure umzuwandeln. Sie gehören zur Domäne Bacteria, Phylum Firmicutes und sind Teil der Klasse Bacilli. Zu den bekanntesten Gattungen zählen Lactobacillus, Lactococcus, Streptococcus und Leuconostoc.
Morphologisch sind Milchsäurebakterien typischerweise stäbchenförmig oder kokkenförmig, und sie treten meist in Paaren oder Ketten auf. Sie sind nicht sporenbildend, fakultativ anaerob und können sowohl in sauerstoffarmen als auch in sauerstoffreichen Umgebungen wachsen, wobei sie in der Regel Mikroaerophil sind.
Das Wachstum von Milchsäurebakterien erfolgt optimal bei Temperaturen zwischen 30 und 40 °C und einem pH-Wert von etwa 5,5 bis 6,5. Sie bevorzugen kohlenhydratreiche Umgebungen, da sie für die Milchsäureproduktion auf Zucker angewiesen sind. Ihr Genom ist relativ klein und enthält oft Gene, die an die Fermentation von Zucker angepasst sind. Viele Milchsäurebakterien besitzen Plasmide, die zusätzliche Gene für die Anpassung an spezifische Umgebungen oder für den Austausch von genetischem Material enthalten.
Genetisch sind sie besonders durch ihre Fähigkeit zur horizontalen Genübertragung bemerkenswert, was ihnen ermöglicht, sich schnell an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Diese Eigenschaft macht sie zu wichtigen Organismen in der industriellen Fermentation und der probiotischen Forschung.
Vorkommen & Verbreitung
Milchsäurebakterien kommen weit verbreitet in der Natur vor und spielen eine wichtige Rolle in verschiedenen ökologischen Nischen. Sie sind natürlicherweise in der Umwelt zu finden, insbesondere in kohlenhydratreichen Umgebungen wie fermentierenden Pflanzenmaterialien, auf Obst und Gemüse sowie in Milchprodukten. Diese Bakterien sind entscheidend für die Fermentation und tragen zur Konservierung von Lebensmitteln bei, indem sie durch die Produktion von Milchsäure den pH-Wert senken und dadurch das Wachstum pathogener Mikroorganismen hemmen.
Im menschlichen und tierischen Körper sind Milchsäurebakterien ein wesentlicher Bestandteil der Darmflora, insbesondere im Dünndarm und Dickdarm. Hier tragen sie zur Verdauung bei, fördern die Gesundheit des Darms und schützen vor pathogenen Bakterien. Sie kommen auch in anderen Schleimhäuten wie der Mundhöhle und der Vagina vor, wo sie ebenfalls eine schützende Rolle spielen.
Die Übertragung von Milchsäurebakterien erfolgt häufig durch Nahrung, vor allem durch den Verzehr von fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Sauerkraut oder Käse. Sie können auch über direkten Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder durch die Umwelt verbreitet werden.
In Ökosystemen sind Milchsäurebakterien wichtige Akteure in der Fermentation von organischem Material, insbesondere in anaeroben Umgebungen. Sie tragen zur Nährstoffverwertung bei und sind von zentraler Bedeutung in der Silageproduktion für die Landwirtschaft. Ihre Fähigkeit, Milchsäure zu produzieren, macht sie zu Schlüsselorganismen in der Nahrungskette und im mikrobiellen Kreislauf von Kohlenhydraten.
Krankheiten
Milchsäurebakterien weisen zahlreiche verschiedene Arten und Unterarten vor. Einige dieser Arten sind dabei weniger nützlich, sondern stellen Krankheitserreger dar. Diese können, je nach Art, Störungen der Körperflora verursachen.
Meistens ist hier die Vaginal- und Darmflora betroffen, die durch schädliche Milchsäurebakterien aus dem Gleichgewicht gerät. Symptome können im Vaginalbereich Trockenheit, Entzündungen, Pilzinfektionen, Unfruchtbarkeit und Verdauungsprobleme im Darmbereich sein. Letztes bezieht sich natürlich darauf, dass die Darmflora betroffen wird.
Übrigens kann es auch zu einem Ungleichgewicht kommen, wenn die natürliche Darmflora in zu großer Menge in die geschwächte Vaginalflora gelangt. Deshalb sollte man nach dem Toilettengang und bei der anschließenden Säuberung des Unterleibs darauf achten, dass man stets von der Scheide hinweg "abwischt". Die Scheidenflora kann aber auch durch eine nicht ordnungsgemäße Hygiene (zu häufig, aber auch zu selten) oder falsche Nutzung von Tampons aus dem Gleichgewicht geraten.
Milchsäurebakterien kommen jedoch auch in weiteren Unterarten daher, die je nach Ort ihres Auftretens und nach Art, weitere Störungen auslösen können und so Risiken darstellen. Der sogenannte Streptococcus pneumoniae ist ein Erreger, welcher der Art der Milchsäurebakterien angehört, der Lungenentzündung verursachen kann. Der Streptococcus mutans ist hingegen an der Entstehung von Karies beteiligt. Dieser entsteht oft beim Verzehr von zuckerhaltigen Speisen in der Mundflora, wenn direkt im Mundraum und nach dem Verzehr Milchsäure gebildet wird.
Diese Art der Laktobazillen greift den Zahnschmelz an und frisst sich, wenn sie nicht daran gehindert wird, auch durch die darunterliegende Zahnsubstanz. Eine weitere Krankheit, die man mit Milchsäurebakterien in Verbindung bringen kann – aber nicht muss - ist eine Laktoseintoleranz. Denn von einer solchen spricht man, wenn der über die Nahrung zugeführte Milchzucker nicht ordnungsgemäß verarbeitet wird. Eine Laktoseintoleranz kann übrigens symptomlos bleiben, aber auch Beschwerden wie Störungen im Magen-Darm-Trakt zur Folge haben.
Behandlungsmöglichkeiten
Eine Infektion mit Milchsäurebakterien, obwohl selten und meist bei immungeschwächten Personen, kann ernsthafte Gesundheitsprobleme verursachen. Standardtherapien beinhalten den Einsatz von Antibiotika wie Penicillin, Ampicillin oder Vancomycin, die in der Regel wirksam gegen Milchsäurebakterien sind. Bei Infektionen, die durch diese Bakterien verursacht werden, wie Endokarditis oder Bakteriämie, wird oft eine Kombinationstherapie mit einem Aminoglykosid empfohlen, um die Wirksamkeit zu erhöhen.
Herausforderungen entstehen jedoch bei der Behandlung resistenter Stämme, die gegen herkömmliche Antibiotika unempfindlich sind. Diese Resistenzen können durch genetische Anpassungen wie die Übertragung von Resistenzgenen auf Plasmiden entstehen. In solchen Fällen kann die Behandlung schwierig sein und erfordert oft die Verwendung von Reserveantibiotika oder eine individualisierte Therapie basierend auf Antibiogrammen, die die Empfindlichkeit der Bakterien gegenüber verschiedenen Antibiotika testen.
Neue und experimentelle Therapieansätze umfassen die Verwendung von Bakteriophagen, die spezifisch gegen Milchsäurebakterien gerichtet sind. Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien infizieren und abtöten können, ohne menschliche Zellen zu schädigen. Weitere Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung von synthetischen Antimikrobiotika oder die Modulation des Immunsystems, um die Bekämpfung der Infektion zu unterstützen. Auch Probiotika, die gesunde Bakterien enthalten, werden untersucht, um das Gleichgewicht der Mikroflora wiederherzustellen und die Ausbreitung schädlicher Milchsäurebakterien zu verhindern.
Probiotika: Milchsäurebakterien und Darmgesundheit
Milchsäurebakterien spielen eine zentrale Rolle in der menschlichen Darmgesundheit und werden häufig als Probiotika eingesetzt, um das Gleichgewicht der Darmflora zu unterstützen. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichenden Mengen verabreicht werden, einen gesundheitlichen Nutzen für den Wirt bieten. Zu den häufigsten probiotischen Milchsäurebakterien gehören verschiedene Arten von Lactobacillus und Bifidobacterium.
Der menschliche Darm ist Heimat einer komplexen Gemeinschaft von Mikroorganismen, die als Mikrobiota bekannt ist. Diese Bakterien sind entscheidend für die Verdauung von Nahrung, die Synthese von Vitaminen, die Modulation des Immunsystems und den Schutz vor pathogenen Mikroben. Ein Ungleichgewicht in der Darmflora, oft als Dysbiose bezeichnet, kann zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen führen, darunter Verdauungsstörungen, Entzündungskrankheiten, Allergien und sogar psychische Erkrankungen.
Milchsäurebakterien als Probiotika tragen zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora bei. Sie wirken, indem sie den pH-Wert im Darm senken, was das Wachstum schädlicher Bakterien hemmt, und durch die Produktion von antimikrobiellen Substanzen wie Bakteriozinen. Darüber hinaus fördern sie die Produktion von Schleim und stärken die Darmbarriere, wodurch das Eindringen von Krankheitserregern verhindert wird.
Probiotische Milchsäurebakterien sind auch dafür bekannt, das Immunsystem zu modulieren. Sie stimulieren die Aktivität von Makrophagen, die Produktion von Immunglobulinen und die Ausschüttung von Zytokinen, die entzündliche Reaktionen regulieren. Dies ist besonders vorteilhaft bei der Prävention und Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, bei denen das Immunsystem eine fehlgeleitete Entzündungsreaktion gegen das eigene Darmgewebe auslöst.
Ein weiterer wichtiger gesundheitlicher Nutzen von Milchsäurebakterien ist ihre Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung von Durchfallerkrankungen. Besonders bei antibiotikaassoziiertem Durchfall und infektiösem Durchfall, der durch pathogene Bakterien wie Clostridium difficile verursacht wird, haben sich Probiotika als effektiv erwiesen. Sie helfen, das mikrobielle Gleichgewicht wiederherzustellen, indem sie das Wachstum von pathogenen Keimen hemmen und die normale Darmflora unterstützen.
Probiotika mit Milchsäurebakterien werden auch zunehmend in der Prävention und Behandlung von allergischen Erkrankungen untersucht. Es wird angenommen, dass sie die Immunantwort auf Allergene modulieren und die Toleranz gegenüber potenziell allergenen Substanzen erhöhen können. Studien haben gezeigt, dass die Einnahme von Probiotika während der Schwangerschaft und frühen Kindheit das Risiko für die Entwicklung von Ekzemen und anderen allergischen Erkrankungen bei Kindern reduzieren kann.
Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Milchsäurebakterien eine positive Wirkung auf die psychische Gesundheit haben können, ein Konzept, das als „Darm-Hirn-Achse“ bekannt ist. Probiotika können die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin beeinflussen und helfen, Symptome von Angst und Depression zu lindern. Dies unterstreicht die enge Verbindung zwischen Darmgesundheit und allgemeinem Wohlbefinden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Milchsäurebakterien in Form von Probiotika vielfältige positive Effekte auf die Gesundheit haben, indem sie die Darmflora unterstützen, das Immunsystem modulieren und vor einer Vielzahl von Krankheiten schützen. Ihre Bedeutung für die Prävention und Therapie von Krankheiten macht sie zu einem wichtigen Bestandteil der modernen Gesundheitsversorgung.
Quellen
- Ableitner, O.: Einführung in die Molekularbiologie. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018
- Dülligen, M., Kirov, A., Unverricht, H.: Hygiene und medizinische Mikrobiologie. Schattauer, Stuttgart 2016
- Gries, O., Ly, T.: Infektologie - Kompendium humanpathogener Infektionskrankheiten und Erreger. Springer, Berlin 2019