Natriumhydrogencarbonat
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Natriumhydrogencarbonat ist ein Natriumsalz und gehört zu den Hydrogencarbonaten. Umgangssprachlich ist der Stoff auch als Natron bekannt.
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Was ist Natriumhydrogencarbonat?
Natriumhydrogencarbonat hat die Summenformel NaHCO3. Bei der Substanz handelt es sich um ein Natriumsalz der Kohlensäure, das zur Gruppe der Hydrogencarbonate gehört. Hydrogencarbonate, früher auch als Bicarbonate bezeichnet, sind Salze der Kohlensäure, die durch eine Neutralisation der Säure mit einer Base entstehen. Hydrogencarbonate weisen einen festen Aggregatszustand auf. Zwischen den Hydrogencarbonat-Ionen und den Kationen liegen Ionenbindungen vor, die für eine feste Verbindung sorgen.
Normalerweise ist Natriumhydrogencarbonat farblos, in der Pulverform erscheint es jedoch weiß. Die Substanz ist geruchlos und kann in Wasser gelöst werden. Natriumhydrogencarbonat verfällt bei einer Temperatur über 50 °Celsius. Dabei entstehen unter anderem Wasser und Kohlenstoffdioxid.
In den Vereinigten Staaten kommt Natriumhydrogencarbonat als natürliches Mineral Nahcolith vor. Es findet sich fein verteilt in Ölschiefer und kann somit als Beiprodukt bei der Förderung von Öl gewonnen werden. Natriumhydrogencarbonat kann aber auch synthetisch hergestellt werden. Dafür wird gereinigte Natriumcarbonatlösung mit Kohlenstoffdioxid umgesetzt. Durch Filtration wird dann Natriumhydrogencarbonat gewonnen. Dieses muss sehr vorsichtig getrocknet werden, damit es sich nicht wieder auflöst.
Natriumhydrogencarbonat fällt auch im Solvay-Verfahren an (auch als Ammoniak-Soda-Verfahren bezeichnet). Das dabei entstehende Natriumhydrogencarbonat ist allerdings durch Ammoniumchlorid verunreinigt und wird deshalb in der Regel nicht genutzt.
Pharmakologische Wirkung
Medizinische Anwendung & Verwendung
Aufgrund seiner säurebindenden Eigenschaften kommt Natriumhydrogencarbonat bei verschiedenen Erkrankungen zum Einsatz. Früher wurde Natriumhydrogencarbonat häufig zur Behandlung von Sodbrennen als Antazidum genutzt. Obwohl die Behandlung heute als veraltet gilt, enthalten viele Produkte gegen Sodbrennen und Magenprobleme immer noch Natriumhydrogencarbonat. So besteht etwa das bekannte Bullrich-Salz zu 100 Prozent aus Natriumhydrogencarbonat.
Eine Pufferfunktion übernimmt Natriumhydrogencarbonat nicht nur im Magen, sondern auch im Blut. So kommt es beispielsweise als Puffersubstanz zum Ausgleich der fehlenden Basen bei der Hämodialyse zum Einsatz. Bei der Hämodialyse werden Flüssigkeit und gelöste Moleküle aus dem zirkulierenden Blut über Filtersysteme außerhalb des Körpers entfernt. Dafür wird ein Dialysator genutzt. Dialysen werden vor allem bei Nierenerkrankungen durchgeführt. Dabei kann sich jedoch eine Übersäuerung, eine sogenannte metabolische Azidose, entwickeln. Zur Azidosekorrektur kommt Natriumhydrogencarbonat zum Einsatz.
Bei der Bicarbonatdialyse wird der Stoff dem Dialysat zugefügt. Der Vorteil gegenüber anderen Mitteln gegen Azidose, wie Acetat oder Lactat, ist, dass Natriumhydrogencarbonat nicht erst verstoffwechselt werden muss, um seine volle Wirkung zu entfalten. Deshalb ist Natriumhydrogencarbonat eine der Puffersubstanzen, die weltweit am häufigsten im Rahmen der Hämodialyse eingesetzt wird. Wenn die Hämodialyse durch Natriumhydrogencarbonat begleitet wird, kommt es deutlich seltener zur Blutdruckabfall, Krämpfen, Übelkeit und Erbrechen.
Natriumhydrogencarbonat wird aber nicht nur bei der Hämodialyse, sondern generell bei der Behandlung der metabolischen Azidose eingesetzt. Metabolische Azidose ist eine Bezeichnung für eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes und des Körpers. Ursachen sind ein vermehrter Protonenanfall, eine verminderte Ausscheidung von Protonen oder ein Verlust von Bikarbonaten. So kann eine metabolische Azidose bei einer diabetischen Stoffwechselentgleisung, bei Vergiftungen mit saueren Substanzen, bei starken Durchfällen oder bei chronischen Niereninsuffizienzen entstehen.
Ferner wird Natriumhydrogencarbonat bei Hyperkaliämien eingesetzt. Bei einer Hyperkaliämie befindet sich zu viel Kalium im Blut. Die lebensgefährliche Elektrolytstörung kann durch Nierenerkrankungen, verschiedene Medikamente oder schwere Verletzungen der Muskulatur ausgelöst werden. Typische Symptome sind Missempfindungen, Muskelzuckungen und Herzrhythmusstörungen. Oftmals ist jedoch der Herz-Kreislauf-Stillstand das erste, einzige und meist tödliche Symptom.
In den USA enthalten viele Zahnpasten Natriumhydrogencarbonat. Dort wird der Substanz fälschlicherweise eine abrasive Wirkung zugeschrieben. Abrasivstoffe sind Schleifmittel. Bei der Zahnpflege sollen diese Substanzen Beläge von den Zähnen entfernen und die Zähne so weißer machen.
Risiken & Nebenwirkungen
Bei einer Überdosierung von Natriumhydrogencarbonat kann sich zudem eine Alkalose entwickeln. Dabei steigt der pH-Wert des Blutes durch eine Erhöhung des Bikarbonats auf einen Wert von über 7,45. Die intrazellulären Wasserstoffionen werden daraufhin gegen extrazelluläres Kalium ausgetauscht, sodass sich eine Hypokaliämie (ein Kaliummangel) entwickelt. Typische Symptome eines erniedrigten Kaliumspiegels im Blut sind muskuläre Adynamien mit Lähmungen, Reflexabschwächungen oder Aufhebung der Reflexe, Verstopfung, Blasenlähmung, Darmverschluss und Herzrhythmusstörungen.
Es kann zudem zu einer Rhabdomyolyse kommen. Dabei zerfallen die Muskelfasern der quergestreiften Muskulatur. Infolgedessen leiden die Betroffenen unter Muskelschmerzen und Muskelschwäche. Im schlimmsten Fall kann die Anflutung der Muskelzerfallsprodukte in der Niere ein akutes Nierenversagen hervorrufen.