West-Nil-Virus
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. August 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das West-Nil-Virus kommt in tropischen sowie gemäßigten Gebieten vor, stammt aus der Familie der Flaviviridae und wurde im Jahr 1937 entdeckt. Das Virus infiziert vorwiegend Vögel. Wird das Virus auf einen Menschen übertragen, entsteht das sogenannte West-Nil-Fieber, eine Krankheit, die zu 80 Prozent keine Beschwerden auslöst. In weniger als 1 Prozent aller Fälle ist das West-Nil-Fieber jedoch tödlich.
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Was ist das West-Nil-Fieber?
Das Genom des West-Nil-Virus ist (+)ssRNA linear und zählt zur Baltimore 4 Gruppe. Die Symmetrie ist ikosaedrisch.
Das Virus befindet sich in einer Hülle. Es gehört zur Familie der Flaviviridae bzw. der Gruppe Flavivirus. Im Regelfall infizieren sich Vögel, wobei auch Menschen, Pferde und sonstige Säugetiere vom Virus befallen werden können.
Vorkommen, Verbreitung & Eigenschaften
Es gibt unterschiedliche Hinweise, dass sich bereits Alexander der Große mit dem West-Nil-Virus infizierte und in weiterer Folge am West-Nil-Fieber starb. Erste offizielle Aufzeichnungen zeigen, dass das West-Nil-Virus bereits im Jahr 1937 entdeckt wurde. 1957 trat das Virus in Israel auf; 1960 in Ägypten sowie Frankreich.
In den letzten Jahren traten immer wieder vermehrt Fälle auf, in denen das West-Nil-Virus festgestellt und in weiterer Folge das West-Nil-Fieber diagnostiziert wurde. Dabei trat das Virus in Algerien, Rumänien, der Tschechischen Republik, Russland, Nordamerika, der Demokratischen Republik Kongo und Israel auf. 2004 gab es mehrere Fälle in Ungarn, 2008 in Österreich. 2010 mussten 37 Tote in Griechenland beklagt werden; 2011 gab es weitere Infektionen, jedoch auf anderen griechischen Landesteilen.
Nachdem das West-Nil-Virus im Jahr 1999 in Nordamerika entdeckt wurde, bekam es auch mediale Beachtung. In den USA waren vorwiegend die Gebiete rund um New York City betroffen. Heute steht fest, dass das Virus aus Israel eingeflogen wurde; eine Maschine, die von Tel Aviv nach New York flog, transportierte eine infizierte Mücke. Die ersten Anzeichen, dass es sich mitunter um das West-Nil-Virus handeln könnte, war das Phänomen der toten Vögel im Central Park. Wenige Tage später erkrankten vorwiegend ältere Menschen; Deborah Asnis, eine Tropenmedizinerin aus der Bronx, verständigte die forschenden Militärärzte, dass es sich mitunter um das West-Nil-Virus handeln könnte.
Das Virus breitete sich auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent aus; 2004 gelangte es bis an die Westküste. 2012, nachdem Experten bereits davon ausgegangen waren, dass das Virus wieder verschwand, folgte eine weitere Epidemie mit über 5.000 infizierten Personen.
Biologische Eigenschaften
Das West-Nil-Virus (WNV) gehört zur Familie der Flaviviridae und zur Gattung Flavivirus. Es ist ein RNA-Virus, das durch Mücken, hauptsächlich der Gattung Culex, auf verschiedene Wirte, darunter Vögel, Pferde und Menschen, übertragen wird. WNV ist eng mit anderen Flaviviren wie dem Dengue-, Gelbfieber- und Zika-Virus verwandt.
Morphologisch handelt es sich um ein kleines, behülltes Virus mit einer Größe von etwa 40-50 nm. Die Virushülle ist von einer Lipidmembran umgeben, in die zwei Proteine, das Hüllprotein E und das Membranprotein M, eingelagert sind. Das E-Protein spielt eine Schlüsselrolle bei der Bindung an Wirtszellen und beim Eintritt des Virus in die Zelle.
Das Genom des West-Nil-Virus besteht aus einer einzelsträngigen, positiven RNA (+ssRNA), die etwa 11.000 Nukleotide lang ist. Es kodiert für ein großes Polyprotein, das in drei Strukturproteine (C, prM, E) und sieben Nichtstrukturproteine (NS1, NS2A, NS2B, NS3, NS4A, NS4B, NS5) gespalten wird. Das NS5-Protein ist eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, die für die Replikation des Virusgenoms essentiell ist.
Genetische Besonderheiten des WNV umfassen eine hohe Mutationsrate, typisch für RNA-Viren, die zur Entstehung verschiedener Linien führt. Diese Linien unterscheiden sich in ihrer Pathogenität und geografischen Verbreitung. Das Virus zeigt eine breite Wirtspezifität und kann in verschiedenen Umgebungen überleben, was seine weltweite Verbreitung fördert.
Krankheiten & Beschwerden
Das West-Nil-Virus befällt Vögel und Säugetiere, darunter auch den Menschen. Dabei wird das Virus über Stechmücken übertragen. Bei den Stechmücken handelt es sich um jene der Gattungen Aedes, Culex und Ochlerotatus. Die Asiatische Tigermücke, die bereits in Europa heimisch ist, kann das West-Nil-Virus ebenfalls übertragen. Übertragungen, die auf Schmierinfektionen oder Tröpfcheninfektionen basieren, sind möglich, jedoch äußerst selten.
Nach der Infektion unterscheidet man zwischen einer primären und sekundären Virämie. Bei der primären Virämie erfolgt eine Infektion über die Haut. In weiterer Folge ist eine lokale Reaktion zu sehen. Dabei besteht eine vermutliche Akkumulation in den sogenannten dendritischen Langerhans-Zellen. Das Virus breitet sich innerhalb drei bis sieben Tagen aus und wandert über die Lymphozyten direkt in die Lymphknoten.
Bei einer sekundären Virämie bildet der Körper nach zehn bis 14 Tagen die ersten Antikörper. Dabei kommt vermehrt Zytoplasma zum Einsatz. Überwindet das Virus die Blut-Hirn-Schranke, können Gliazellen sowie Neuronen befallen werden.
In 20 Prozent aller Fälle klagen die Patienten über grippeähnliche Symptome. Dabei treten vorwiegend Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Fieber auf. Meningitis sowie Enzephalitis sind möglich und können mitunter einen tödlichen Verlauf nehmen.
80 Prozent aller Personen, die sich mit dem West-Nil-Virus infiziert haben, bemerken die Infektion nicht. Für weniger als 1 Prozent wird die Infektion allerdings tatsächlich zur lebensgefährlichen Krankheit. Die Patienten klagen über Muskelschwäche, Orientierungslosigkeit, Benommenheit, Krämpfe, einen steifen Hals und hohes Fieber. Mitunter ist auch der Eintritt eines Komas und, in weiterer Folge, der Tod möglich.
Es gibt keine spezifischen Behandlungen; vorwiegend können nur die Symptome gelindert werden. Da es gegen das West-Nil-Virus keinen Impfstoff gibt, bleibt letztlich nur der Schutz vor Stechmücken. Jahr für Jahr werden in Europa rund 200 Fälle dokumentiert. Vorwiegend handelt es sich dabei um Infektionen, die sich Urlauber in tropischen Regionen zugezogen haben.
Behandlungsmöglichkeiten
Eine Infektion mit dem West-Nil-Virus (WNV) verläuft bei den meisten Menschen asymptomatisch oder mild, sodass eine spezifische antivirale Therapie selten erforderlich ist. Bei schweren Verläufen, die in etwa 1% der Fälle auftreten und zu neurologischen Komplikationen wie Enzephalitis oder Meningitis führen können, beschränkt sich die Behandlung in der Regel auf supportive Maßnahmen. Dazu gehören die Gabe von Flüssigkeit, Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Medikamenten, um Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen zu lindern.
Standardtherapien beinhalten keine spezifischen antiviralen Medikamente gegen WNV, da bisher keine zugelassenen antiviralen Mittel existieren. In schweren Fällen kann jedoch die Verwendung von Kortikosteroiden in Betracht gezogen werden, um entzündliche Reaktionen zu dämpfen, obwohl deren Wirksamkeit umstritten ist. Intravenöse Immunglobuline (IVIG), die Antikörper gegen WNV enthalten, werden ebenfalls als Behandlungsoption untersucht, insbesondere bei Patienten mit Immunschwäche.
Die Behandlung resistenter Stämme stellt eine besondere Herausforderung dar, da WNV, ähnlich wie andere RNA-Viren, eine hohe Mutationsrate aufweist. Diese genetische Variabilität könnte zur Entstehung von Virusvarianten führen, die resistent gegen mögliche antivirale Therapien sind.
Neue und experimentelle Therapieansätze umfassen die Entwicklung von spezifischen antiviralen Medikamenten, die das virale NS5-Protein, eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, hemmen könnten. Zudem werden monoklonale Antikörper erforscht, die gezielt das Hüllprotein E des Virus neutralisieren. Auch Impfstoffentwicklungen sind in verschiedenen Stadien, jedoch gibt es bislang keinen zugelassenen Impfstoff für den Menschen.
Klimawandel und die Verbreitung des West-Nil-Virus
Der Klimawandel hat einen erheblichen Einfluss auf die geografische Verbreitung und die Häufigkeit von durch Mücken übertragenen Krankheiten, einschließlich des West-Nil-Virus (WNV). Die steigenden globalen Temperaturen, Veränderungen in Niederschlagsmustern und die zunehmende Häufigkeit von Extremwetterereignissen schaffen ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Mückenpopulationen, die das WNV übertragen.
Mücken der Gattung Culex, die Hauptüberträger des West-Nil-Virus, sind besonders sensibel gegenüber klimatischen Veränderungen. Warme Temperaturen beschleunigen nicht nur ihren Lebenszyklus, sondern erhöhen auch die Replikationsrate des Virus innerhalb der Mücken, was die Wahrscheinlichkeit der Übertragung auf Menschen und Tiere erhöht. Zudem erweitern steigende Temperaturen das geografische Verbreitungsgebiet von Culex-Mücken, sodass Gebiete, die zuvor als zu kühl für diese Mücken galten, nun anfällig für WNV-Ausbrüche sind.
Der Klimawandel beeinflusst auch die Vogelpopulationen, die als Hauptwirte des Virus fungieren. Veränderungen in den Zugmustern von Vögeln können die Verbreitung des Virus weiter fördern. Zugvögel, die infiziert sind, tragen das Virus über weite Strecken, was zu neuen Ausbrüchen in Gebieten führen kann, in denen das Virus zuvor nicht endemisch war.
Darüber hinaus führen extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren zu einer Veränderung der Mückenbrutstätten. Überschwemmungen schaffen oft stehende Gewässer, die ideale Brutplätze für Mücken sind, während Dürreperioden dazu führen können, dass Mücken und ihre Wirte näher an menschliche Siedlungen gedrängt werden, wodurch das Infektionsrisiko steigt.
Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt stehen vor der Herausforderung, sich an diese veränderten Bedingungen anzupassen. Dies erfordert eine Verstärkung der Überwachungsprogramme zur frühzeitigen Erkennung von WNV-Ausbrüchen und die Implementierung effektiver Kontrollmaßnahmen gegen Mücken. Präventive Maßnahmen wie die Verwendung von Insektenschutzmitteln, das Tragen von Schutzkleidung und die Reduktion von Mückenbrutstätten sind wesentliche Elemente im Kampf gegen die Ausbreitung des West-Nil-Virus.
Auch die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung spielt eine entscheidende Rolle, um das Bewusstsein für das erhöhte Risiko zu schärfen und präventive Maßnahmen zu fördern. Besonders in neu betroffenen Gebieten ist es wichtig, die Bevölkerung über die Symptome und die Gefahren einer WNV-Infektion zu informieren.
Forscher arbeiten zudem intensiv daran, die epidemiologischen Modelle zu verbessern, die die Ausbreitung von durch Vektoren übertragenen Krankheiten wie WNV unter den Bedingungen des Klimawandels vorhersagen. Diese Modelle sind entscheidend, um effektive Public-Health-Strategien zu entwickeln, die das Auftreten und die Verbreitung des West-Nil-Virus in einer sich erwärmenden Welt eindämmen können.
Quellen
- Doerfler, W.: Viren. Fischer Taschenbuch, Berlin 2015
- Hofmann, F., Tiller, F.,W.: Praktische Infektiologie. ecomed-Storck, Hamburg 2011
- Neumeister, B., Geiss, H., Braun, R.: Mikrobiologische Diagnostik. Thieme, Stuttgart 2009