Adenosin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Adenosin ist ein für den Energiestoffwechsel des menschlichen Körpers unerlässlicher Baustein. Therapeutisch wird Adenosin insbesondere zur Regulierung von Herzrhythmusstörungen sowie zur Blutdrucksenkung eingesetzt.
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Was ist Adenosin?
Adenosin ist ein körpereigenes, für den Energiestoffwechsel unabdingbares Nukleosid, das sich aus der Purinbase Adenin und β-D-Ribose zusammensetzt. Es ist der Grundbaustein des Adenosintriphosphats (ATP), einem bedeutenden Energielieferanten für sämtliche Gewebezellen des menschlichen Organismus.
Bei sämtlichen energieverbrauchenden Zellprozessen wird ATP zur Sicherstellung des Energiebedarfs abgebaut und dessen Baustein Adenosin freigesetzt. Die Adensosinkonzentration im Blut steigt entsprechend unter körperlicher Belastung stark an.
Zudem ist Adenosin ein Bestandteil von Ribonucleinsäuren (DNA-Baustein), Coenzymen sowie Nucleosidantibiotika. Adenosin weist eine ähnliche Molekülstruktur wie Koffein auf und besetzt die gleichen Rezeptoren, ohne diese allerdings zu stimulieren. Die physiologische Halbwertzeit ist mit wenigen Sekunden äußerst kurz.
Pharmakologische Wirkung
Adenosin erfüllt im menschlichen Organismus bedeutende Funktionen. So dient es als wichtiger Baustein des ATP der Regeneration des an sämtlichen zellulären Prozessen beteiligten Hauptenergiespeichers. Adenosin wird immer dann aus den Nervenzellen freigesetzt, wenn die Energieversorgung der Neurone nicht mehr ausreichend sichergestellt ist.
Dies ist unter anderem bei einer Ischämie (Minderdurchblutung) der Fall. Die Freisetzung wird hierbei im Gegensatz zu Neurotransmittern (biochemische Botenstoffe) nicht durch die Exocytose von Speichervesikeln, sondern über Transportproteine vermittelt. Die Transportproteine entfernen das freigesetzte Adenosin anschließend auch wieder aus dem extrazellulären Raum. Bei einer Ischämie liegt eine erhöhte Adenosinkonzentration im Intrazellulärraum vor, die eine Transportumkehr bedingt. Wird freigesetztes ATP durch Ektoenzyme (außerhalb der Zelle wirkende Enzyme) abgebaut, erhöht sich ebenso die extrazelluläre Adenosinkonzentration.
Im Nervensystem besetzt Adenosin die für Koffein und die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin vorgesehen Rezeptoren und blockiert so deren Wirkung. Je aktiver die Nervenzellen sind, desto höher ist die ATP- und somit Adenosinkonzentration. Indem die Rezeptoren besetzt werden, wird die Funktion der Nervenzellen verlangsamt und das Nervensystem vor Überanstrengung geschützt. Infolge dieser Neurotransmitterblockade werden die Blutgefäße erweitert (Dilatation). Es kommt zu einem konsekutiven Abfall des Blutdrucks (Blutdrucksenkung) sowie einer Verlangsamung der Herzfrequenz.
Über eine Aktivierung der G-Protein-modulierten Kaliumkanäle (über A1-Adenosinrezeptoren) wird darüber hinaus die Erregungsüberleitungszeit im AV-Knoten (Atrioventikularknoten) verlängert. Der AV-Knoten ist als sekundärer Schrittmacher des Herzens die einzige Verbindung zwischen Vorhof und Ventrikel (Herzkammer) und reguliert die Erregungsüberleitung in die Herzkammern.
Durch die verzögerte Reizübertragung wird eine koordinierte Kontraktion von Herzkammer und Vorhof sichergestellt. Da die Adenosinkonzentration bei körperlicher Belastung und Sauerstoffmangel steigt, wird vermutet, dass durch die vermehrte Freisetzung ineffiziente Tachykardien und Herzrhythmusstörungen unter Stress verhindert werden.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Adenosin wird in erster Linie als Antiarrhythmikum zur medikamentösen Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Aufgrund der sehr kurzen Halbwertzeit im Blut kann Adenosin als Kurzinfusion intravenös zur Kontrolle des Blutdrucks (Blutdrucksenkung) und des Herzrhythmus appliziert werden (3, 6 bzw. 12 mg).
Hierbei führt Adenosin neben der Erweiterung der peripheren Gefäße zusätzlich zu einer Dilatation der Koronararterien. Adenosin kann über die Blockierung der AV-Überleitung AV-Knoten-abhängige Tachykardien terminieren, weshalb es vor allem bei supraventrikulären Tachykardien wie AV-Knoten-Reentrytachykadien als Medikament erster Wahl zum Einsatz kommt.
Daneben können Vorhoftachykardien wie paroxysmale Tachykardien (anfallartig auftretende Beschleunigung der Herzfrequenz) mit Adenosin therapiert werden. Gleichermaßen wird Adenosin innerhalb der Diagnostik bei Stressunteruchungen zur Dilatation der Herzgefäße (Bildgebung des Herzens) appliziert.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Adenosin, das vor allem zur Behandlung von paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien (PSVT) eingesetzt wird, müssen mehrere wichtige Punkte beachtet werden. Adenosin wirkt durch eine kurzzeitige Blockierung der atrioventrikulären Überleitung im Herzen und führt dadurch zu einer Normalisierung des Herzrhythmus. Aufgrund seiner extrem kurzen Halbwertszeit von nur wenigen Sekunden muss es intravenös (i.v.) als schneller Bolus verabreicht werden.
Die empfohlene Anfangsdosis für Erwachsene beträgt in der Regel 6 mg, die rasch über eine Kanüle injiziert wird, gefolgt von einer Spülung mit Kochsalzlösung, um das Medikament schnell in den systemischen Kreislauf zu befördern. Wenn die erste Dosis keine Wirkung zeigt, können weitere Dosen von 12 mg verabreicht werden, in Abständen von ein bis zwei Minuten. Eine maximal empfohlene Dosis beträgt in der Regel 30 mg.
Bei der Verabreichung von Adenosin ist besondere Vorsicht geboten, da das Medikament kurzfristig zu Nebenwirkungen wie Brustschmerzen, Atemnot, Gesichtsrötung und in seltenen Fällen zu schweren Herzrhythmusstörungen führen kann. Bei Patienten mit Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sollte Adenosin mit Vorsicht eingesetzt werden, da es Bronchospasmen auslösen kann. Die Anwendung sollte unter EKG-Überwachung erfolgen, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.
Risiken & Nebenwirkungen
Eine durch eine Ischämie lokal erhöhte Adenosinkonzentration im Herzen kann bradykarde Herzrhythmusstörungen (Bradykardie) bedingen. Theophyllin hemmt als Antidot (Gegenmittel) die Adenosinwirkung am korrespondierenden Rezeptor des Herzens.
Zudem kann therapeutisch appliziertes Adenosin infolge seiner negativ dromotropen Wirkung (Verlangsamung der Erregungsübertragung) eine kurzfristige Asystolie (fehlende Herzmuskelkontraktion) hervorrufen. In diesen Fällen sollte die Adenosinzufuhr sofort unterbrochen werden. Aufgrund der kurzen Halbwertzeit klingt die pharmakologische Wirkung sehr rasch ab.
Infolge des gefäßerweiternden Effekts kann eine Flush-Symptomatik, die durch eine kurzzeitige Hautrötung charakterisiert ist, auftreten. Ferner können kurzfristig Atembeschwerden, Druckgefühl im Brustbereich, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Kribbelgefühl bei injiziertem Adenosin auftreten. Der Einsatz von Adenosin ist bei Bronchospasmus, COPD sowie Asthma bronchiale kontraindiziert.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Adenosin gibt es mehrere wichtige Kontraindikationen, die beachtet werden müssen, um potenzielle Risiken zu vermeiden. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist das Vorliegen eines zweiten- oder dritten-grades AV-Blocks, da Adenosin die atrioventrikuläre Überleitung blockiert und das Risiko einer Verschlimmerung der Blockade besteht. Auch bei Patienten mit Sinusknotendysfunktion, wie dem Sick-Sinus-Syndrom, kann Adenosin gefährlich sein, da es eine extreme Verlangsamung der Herzfrequenz oder sogar Asystolie verursachen kann.
Eine weitere Kontraindikation ist das Vorliegen von Asthma oder anderen schweren obstruktiven Lungenerkrankungen wie COPD, da Adenosin Bronchospasmen auslösen kann, was zu Atemnot und anderen schwerwiegenden Atemproblemen führen kann. In solchen Fällen sollte Adenosin nur mit äußerster Vorsicht und in einer überwachten Umgebung verwendet werden.
Patienten mit bekanntem Sick-Sinus-Syndrom ohne permanenten Herzschrittmacher sollten ebenfalls kein Adenosin erhalten, da dies das Risiko von schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen erhöhen könnte.
Darüber hinaus sollte Adenosin bei Patienten mit Long-QT-Syndrom vermieden werden, da es zu einer Verlängerung der QT-Zeit führen und das Risiko für Torsade-de-pointes-Tachykardien erhöhen kann. Auch bei Patienten mit symptomatischer Bradykardie ist Vorsicht geboten, da Adenosin die Herzfrequenz weiter senken könnte.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Adenosin gibt es mehrere potenzielle Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die beachtet werden müssen. Eine wichtige Interaktion besteht mit Methylxanthinen wie Theophyllin und Koffein. Diese Substanzen wirken als Adenosinrezeptor-Antagonisten und können die Wirkung von Adenosin abschwächen oder vollständig blockieren. Daher sollte der Konsum von koffeinhaltigen Produkten vermieden oder reduziert werden, bevor Adenosin verabreicht wird, und Patienten, die Theophyllin einnehmen, benötigen möglicherweise höhere Dosen Adenosin.
Auf der anderen Seite verstärken Dipyridamol und Carbamazepin die Wirkung von Adenosin. Dipyridamol hemmt den Abbau von Adenosin, wodurch seine Konzentration im Blut steigt und die Wirkung verstärkt wird, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöht. Carbamazepin, ein Antiepileptikum, kann die Wirkung auf den AV-Knoten verstärken, was zu einer stärkeren Verlangsamung der Herzfrequenz führt. Daher sollten in diesen Fällen geringere Dosen von Adenosin verwendet werden.
Wechselwirkungen bestehen auch mit Medikamenten, die die AV-Überleitung beeinflussen, wie Betablocker, Kalziumkanalblocker oder Digoxin. Diese Medikamente können die Wirkung von Adenosin auf die Herzfrequenz verstärken und das Risiko für Bradykardien erhöhen. In solchen Fällen ist besondere Vorsicht geboten, und eine engmaschige Überwachung ist erforderlich, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Adenosin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, gibt es mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe, um supraventrikuläre Tachykardien (SVT) zu behandeln. Eine häufig verwendete Alternative ist Verapamil, ein Kalziumkanalblocker. Verapamil wirkt durch eine Hemmung des Kalziumeinstroms in die Herzzellen und verlangsamt dadurch die Überleitung im AV-Knoten. Es wird intravenös verabreicht und ist besonders bei Patienten geeignet, bei denen Adenosin zu Nebenwirkungen führen könnte.
Ein weiterer alternativer Wirkstoff ist Diltiazem, ein weiterer Kalziumkanalblocker, der ähnliche Effekte wie Verapamil auf den AV-Knoten hat und ebenfalls intravenös verabreicht werden kann. Diltiazem ist besonders nützlich bei der Kontrolle der Herzfrequenz bei Vorhofflimmern oder Vorhofflattern.
Betablocker wie Metoprolol oder Esmolol können ebenfalls verwendet werden. Diese Medikamente verlangsamen die Herzfrequenz, indem sie die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin auf das Herz blockieren. Sie sind besonders hilfreich bei der Langzeitbehandlung von Herzrhythmusstörungen.
In Notfällen kann auch Elektrokardioversion als nicht-pharmakologische Alternative eingesetzt werden. Dabei wird durch einen kontrollierten elektrischen Impuls der normale Herzrhythmus wiederhergestellt. Diese Methode wird angewendet, wenn medikamentöse Behandlungen nicht wirksam oder kontraindiziert sind.
Diese Alternativen bieten wirksame Optionen zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, wenn Adenosin nicht infrage kommt.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor