Blutkontaktzeit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Blutkontaktzeit ist die Zeit, in der Blut in den kleinen Blutgefäßen der Lunge zirkuliert und in der die Diffusion der Atemgase stattfindet. Daher hat die Blutkontaktzeit einen wichtigen Einfluss auf den Sauerstoffgehalt im Blut.
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Was ist die Blutkontaktzeit?
Die Blutkontaktzeit bezeichnet den Zeitraum, den das Blut in den Lungenbläschen (Alveolen) der Lunge verbringt. In den Alveolen der Lunge findet der Gasaustausch statt, das heißt, es wird von den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) Kohlendioxid abgegeben und Sauerstoff aufgenommen.
Die kohlendioxidreiche Luft wird dann abgeatmet. Die Blutkontaktzeit ist abhängig von mehreren Faktoren wie beispielsweise Herzminutenvolumen, Blutdruck und Strömungswiderstand.
Funktion & Aufgabe
Eine wichtige Rolle bei der Hämodynamik spielen das Herzminutenvolumen, der Strömungswiderstand in den Gefäßen und der Blutdruck. Für die Diffusion der Atemgase ist die Größe der Kontaktfläche zwischen den Lungenbläschen und dem Blut bedeutsam. Auch die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in den Kapillaren ist wirkt sich positiv oder negativ aus und wird u.a. über Gefäßweitstellung und Gefäßengstellung beeinflusst.
Für den Ausgleich der Atemgase, also den Austausch von Kohlendioxid gegen Sauerstoff, ist die Blutkontaktzeit von entscheidender Bedeutung, denn nur hier hat das Blut Kontakt mit der Luft in den Alveolen und eine Übertragung ist möglich.
Der Mediziner Roughton fand heraus, dass eine normale Blutkontaktzeit bei etwa 0,7 bis 0,8 Sekunden liegt. Bis zu einer Blutkontaktzeit von 0,35 Sekunden kann noch ein annähernd physiologischer Ausgleich zwischen der Luft in den Alveolen und dem Blut stattfinden. Die benötigte Blutkontaktzeit ist jedoch auch abhängig von der Sauerstoffsättigung des venösen Blutes. Ist das Blut sehr sauerstoffarm und kohlendioxidreich, kann es sein, dass innerhalb der normalen Blutkontaktzeit kein ausreichender Sauerstoffausgleich stattfinden kann.
Da bei einer Zunahme des Herzminutenvolumens das Blut die Kapillaren der Lunge schneller passiert, müsste es eigentlich zu einer Sauerstoffunterversorgung kommen. Der Körper ist allerdings sehr anpassungsfähig, sodass das Herzminutenvolumen bei Belastung sogar auf das Zehnfache gesteigert werden kann, ohne dass es zu einer Sauerstoffuntersättigung kommt. Der Grund dafür sind vermutlich sogenannte Reservekapillaren, die geöffnet werden können, wenn sich der Sauerstoffbedarf erhöht.
Einigen Autoren zufolge werden in Ruhe nur 60 bis 75 Prozent aller Alveolen überhaupt ventiliert und durchblutet. Dies trägt auch dazu bei, dass der Blutdruck in der Lunge sich bei Belastung nicht drastisch erhöht. Die Blutkontaktzeit bleibt somit annähernd konstant.
Krankheiten & Beschwerden
Verkürzungen der Blutkontaktzeit entstehen meist durch Lungenerkrankungen. Beim Emphysem ist der Luftgehalt in der Lunge abnorm gesteigert. Diese Steigerung geht mit einer Zerstörung des Lungengewebes einher. Auch die Blutgefäße der Lunge werden beschädigt. Dadurch verringert sich die Blutkontaktzeit. Häufigste Ursache für ein Lungenemphysem ist das Rauchen. Auch Passivrauchen stellt ein Risiko dar. Zu den typischen Symptomen des Lungenemphysems gehören Atemnot und eine Blaufärbung der Haut (Zyanose). Zudem kann sich ein Fassthorax ausbilden.
Auch im Rahmen einer Fibrose verkürzt sich die Blutkontaktzeit. Eine Lungenfibrose ist eine chronische Lungenerkrankung, bei der sich das Funktionsgewebe der Lunge umbaut zu einem Bindegewebe. Diese Umbauprozesse werden durch chronische Entzündungsprozesse in der Lunge initiiert. Mögliche Ursachen dafür sind Infektionen, Feinstaub, Gase, Dämpfe, Haarspray, Rauchen, Arzneimittel, Herbizide und Systemerkrankungen wie die Sarkoidose oder die chronische Polyarthritis. Durch die verkürzte Blutkontaktzeit kommt es bei der Fibrose genau wie beim Emphysem zu Atemnot. Im Anfangsstadium tritt diese nur bei Belastung auf. Später leiden die Betroffenen jedoch auch in Ruhe darunter. Die Atmung ist schnell und flach. Eventuell kommt ein trockener Reizhusten hinzu.
Im fortgeschrittenen Stadium dominieren die Symptome der Sauerstoffunterversorgung. Dazu gehören Zyanose, Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel. Durch den bindegewebigen Umbau kommt es teilweise zu einem Blutstau. Dieser belastet das Herz. Man spricht hier auch von einem Cor pulmonale. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer respiratorische Insuffizienz.
Auch das Herz kann eine verkürzte Blutkontaktzeit bedingen. Ursache ist dann eine Rechtsherzinsuffizienz. Bei einer Rechtsherzinsuffizienz kann das rechte Herz nicht mehr ausreichend Blut in die Lungengefäße befördern. Das Herzminutenvolumen sinkt. Eine Rechtsherzinsuffizienz kann beispielsweise durch Herzklappenfehler entstehen. Typischerweise kommt es aufgrund des Sauerstoffmangels zu einer Zyanose. Weitere Rückstausymptome sind Ödeme, Bauchwassersucht (Aszites) und eine Vergrößerung von Leber (Hepatomegalie) und Milz (Splenomegalie). Zusätzlich kann es zu vermehrtem nächtlichen Wasserlassen und zu einer Vergrößerung des Herzens kommen.
Quellen
- Bob, A., Bob, K.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2009
- Ferlinz, R. (Hrsg.): Internistische Differentialdiagnostik. Thieme, Stuttgart 1999
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013