Midodrin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Midodrin, bekannt unter dem Handelsnamen Gutron®, dient als Arzneimittel zur Behandlung der orthostatischen Hypotonie (niedriger Blutdruck). Es ist ein sogenanntes Prodrug, dessen Abbauprodukt (Desglymidodrin) den eigentlichen Wirkstoff darstellt.
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Was ist Midodrin?
Midodrin wird nach der Anwendung unter Abspaltung von Glycin in Desglymidodrin umgewandelt, welches dann als direktes Sympathomimetikum wirkt. Sowohl Midodrin als auch das Abbauprodukt Desglymidrin besitzen die gleiche Grundstruktur wie die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin und erfüllen somit die gleichen Funktionen.
Midodrin liegt chemisch als Hydrochlorid vor. Es ist ein weißes, kristallines und geruchloses Pulver mit einem bitteren Geschmack, welches in Wasser leicht, jedoch in Alkohol schwer löslich ist. Bei Bedarf wird es in Tablettenform verabreicht. Nach der oralen Applikation wird es schnell vom Körper resorbiert und innerhalb von 120 Minuten unter Glycinabspaltung zur wirksamen Substanz metabolisiert.
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich renal (über den Urin) und ist nach 24 Stunden zu 90 Prozent abgeschlossen. Midodrin hat eine Plasmahalbwertzeit von ca. 15 Minuten und Desglymidodrin von ca. 5-6 Stunden.
Pharmakologische Wirkung
Der Metabolit Desglymidodrin ist ein Agonist an den Alpha-Adrenozeptoren. Diese Rezeptoren werden gewöhnlich durch die Signalstoffe Adrenalin und Noradrenalin aktiviert. Sie finden sich in großer Zahl im Nervensystem, in den Speicheldrüsen, im kardiovaskulären System, im Urogenitaltrakt und in der Leber.
Desglymidodrin als direktes Sympathomimetikum stimuliert wie die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin diese Rezeptoren. Da Midodrin und dessen Metabolit Desglymidodrin zwar wasserlöslich, jedoch nicht lipidlöslich ist, werden nur die peripheren Alpha-Rezeptoren erregt. Das bewirkt die Erhöhung des Gefäßwiderstandes und die Tonisierung der Kapazitätsgefäße und ruft dabei die Verengung der Blutgefäße mit der Folge einer Blutdruckerhöhung hervor.
Aufgrund der arteriellen und venösen Vasokonstriktion (Gefäßverengung) betrifft das sowohl den systolischen als auch den diastolischen Blutdruck. Des Weiteren stimuliert Midodrin am Urogenitaltrakt ebenfalls die Alpha-Rezeptoren, wobei der Harnabfluss durch die Erhöhung des Tonus am Blasenausgang verzögert wird. Erst bei Dosen über 1 mg/kg tritt auch die Konstriktion der Bronchialmuskulatur auf.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Midodrin findet hauptsächlich Anwendung gegen niedrigen Blutdruck, der infolge einer orthostatischen Dysregulation oder durch Anwendung von Antidepressiva und Neuroleptika entsteht.
Speziell bedeutet das seinen Einsatz gegen Blutdruckabfall bei Lagewechsel und bei neurogener orthostatischer Hypotension. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zunächst alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sein sollten, bis feststeht, dass die Behandlung der Grundkrankheit nicht zur Beseitigung der Symptome geführt hat.
Primär soll der niedrige Blutdruck durch salzreiche Kost, Vermeiden großer Mahlzeiten, vermehrte Flüssigkeitszunahme und bestimmte Maßnahmen, wie langsames Aufstehen oder Tragen von Kompressionsstrümpfen vermieden werden.
Auch das Weglassen stark blutdrucksenkender Arzneien kann das Mittel der Wahl sein. Erst wenn diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, sollte man an eine Behandlung mit Midodrin denken. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass ein niedriger Blutdruck zwar die Lebensqualität senken kann, aber als Folge selten zu einer ernsthaften Schädigung des Organismus führt.
Die Grunderkrankung kann gefährlich sein, aber da ist es sowieso notwendig, diese zunächst ursächlich zu behandeln. Der niedrige Blutdruck wird mit Midodrin erhöht, ohne die Grunderkrankung zu beeinflussen. In Ausnahmefällen ist das Medikament auch zur Zusatztherapie bei urinaler Stress-Inkontinenz zugelassen.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Midodrin, einem Alpha-1-Adrenozeptor-Agonisten, sind mehrere wichtige Punkte zu beachten. Midodrin wird zur Behandlung von symptomatischer orthostatischer Hypotonie verwendet, um den Blutdruck zu erhöhen und Symptome wie Schwindel und Ohnmacht zu lindern.
Die Standarddosierung von Midodrin beginnt normalerweise mit 2,5 mg, die dreimal täglich eingenommen werden. Je nach Ansprechen des Patienten und Verträglichkeit kann die Dosis schrittweise auf bis zu 10 mg dreimal täglich erhöht werden. Es ist wichtig, die Dosen tagsüber im Abstand von mindestens 3 bis 4 Stunden einzunehmen und die letzte Dosis nicht später als 4 Stunden vor dem Schlafengehen zu nehmen, um das Risiko einer nächtlichen Hypertonie zu minimieren.
Midodrin sollte mit Vorsicht bei Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen angewendet werden, da es den Blutdruck signifikant erhöhen kann. Eine regelmäßige Überwachung des Blutdrucks, sowohl im Liegen als auch im Stehen, ist notwendig, um die richtige Dosierung zu gewährleisten und das Risiko einer hypertensiven Krise zu vermeiden.
Patienten sollten über mögliche Nebenwirkungen wie Gänsehaut, Juckreiz, Kopfschmerzen und Harndrang informiert werden. Da Midodrin die Nierenfunktion beeinflussen kann, sollten regelmäßige Nierenfunktionskontrollen durchgeführt werden.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten müssen berücksichtigt werden, insbesondere mit Antihypertensiva und Medikamenten, die die Herzfrequenz oder den Blutdruck beeinflussen. Patienten sollten auch angehalten werden, ihren Flüssigkeits- und Salzhaushalt zu überwachen, um eine optimale Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.
Schließlich ist Midodrin in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert, und bei diesen Patientengruppen sollte eine alternative Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Risiken & Nebenwirkungen
Midodrin ist kontraindiziert bei Herz-/Kreislauferkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion, verzögertem Wasserlassen durch eine Prostatavergrößerung, aber auch bei Nierenfunktionsstörungen und Diabetes.
Selbstverständlich sollte es auch nicht bei einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff angewendet werden. Als häufige Nebenwirkungen beim Einsatz von Midodrin kann ein Kribbelgefühl, Gänsehaut, Juckreiz oder ein Kältegefühl in der Haut auftreten. Des Weiteren kann es zu Pulsverlangsamung, Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck im Liegen und verzögerter Blasenentleerung kommen. Seltener treten Verdauungsprobleme, Unruhe, Erregbarkeit, Reizbarkeit und Kopfschmerzen auf.
Beim Auftreten von starkem Herzklopfen oder schweren Pulsverlangsamungen ist die Behandlung mit Midodrin abzubrechen. Es sollte dann über eine Alternativbehandlung nachgedacht werden. Die Anwendung in Kombination mit verschiedenen Medikamenten wie Beta-Blockern, trizyklische Antidepressiva, Schilddrüsenhormonen, Antiallergika, entzündungshemmenden Mitteln oder auch Atropin sollte vermieden werden, da es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen kann.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Midodrin umfassen mehrere medizinische Zustände, bei denen das Medikament nicht angewendet werden sollte. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine schwere Herz- oder Gefäßerkrankung, einschließlich schwerer koronarer Herzkrankheit, kongestiver Herzinsuffizienz und peripherer Arterienerkrankung, da Midodrin den Blutdruck erhöhen und die Herzbelastung verstärken kann.
Patienten mit einer bekannten Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Midodrin oder einen seiner Bestandteile sollten das Medikament ebenfalls nicht einnehmen. Eine weitere wichtige Kontraindikation betrifft Patienten mit Phäochromozytom, einem hormonproduzierenden Tumor der Nebennieren, da Midodrin die Freisetzung von Katecholaminen fördern und hypertensive Krisen auslösen kann.
Auch bei Patienten mit Thyreotoxikose, einem Zustand erhöhter Schilddrüsenhormone, ist Vorsicht geboten, da Midodrin den Blutdruck weiter erhöhen kann. Patienten mit akutem Nierenversagen oder schwerer Nierenfunktionsstörung sollten Midodrin nicht einnehmen, da das Medikament hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird und eine Akkumulation toxisch sein kann.
Eine weitere Kontraindikation ist die Verwendung bei Patienten mit Engwinkelglaukom, da Midodrin den Augeninnendruck erhöhen kann. Auch bei Patienten mit Harnverhalt oder schweren Prostataerkrankungen ist die Anwendung kontraindiziert, da Midodrin den Blasenauslasswiderstand erhöhen und zu einem akuten Harnverhalt führen kann.
Schließlich sollten Schwangere und stillende Frauen Midodrin nicht verwenden, da die Sicherheit und Wirksamkeit in diesen Populationen nicht ausreichend untersucht sind. Insgesamt ist eine sorgfältige Abwägung der Risiken und eine gründliche Anamnese durch den behandelnden Arzt unerlässlich, um die Eignung von Midodrin für den jeweiligen Patienten sicherzustellen.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Midodrin bestehen mehrere potenzielle Interaktionen mit anderen Medikamenten, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Midodrin erhöht den Blutdruck, daher können Interaktionen mit anderen blutdruckregulierenden Medikamenten besonders wichtig sein.
Eine wesentliche Interaktion betrifft blutdrucksenkende Medikamente wie Betablocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker und Diuretika. Die gleichzeitige Anwendung kann die blutdrucksenkende Wirkung dieser Medikamente abschwächen oder unerwünschte Blutdruckschwankungen verursachen.
Midodrin kann auch die Wirkung von Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern), wie Phenelzin oder Tranylcypromin, verstärken, was zu einer übermäßigen Blutdruckerhöhung führen kann. Daher sollte Midodrin nicht zusammen mit MAO-Hemmern verwendet werden.
Wechselwirkungen mit alpha-adrenergen Agonisten und Antagonisten sind ebenfalls relevant. Beispielsweise kann die gleichzeitige Anwendung von Midodrin mit anderen alpha-1-Agonisten wie Phenylephrin die vasokonstriktive Wirkung verstärken und zu einer hypertensiven Krise führen. Umgekehrt können alpha-Blocker wie Doxazosin die Wirkung von Midodrin reduzieren.
Darüber hinaus sollte die Kombination von Midodrin mit Vasokonstriktoren wie Ephedrin oder Pseudoephedrin, die häufig in Erkältungs- und Allergiemitteln enthalten sind, vermieden werden, da dies ebenfalls das Risiko eines erhöhten Blutdrucks und von Herz-Kreislauf-Komplikationen erhöhen kann.
Bei der Verwendung von Midodrin zusammen mit Digitalisglykosiden, wie Digoxin, ist Vorsicht geboten, da diese Kombination das Risiko von Herzrhythmusstörungen erhöhen kann.
Patienten, die Midodrin einnehmen, sollten ihren Arzt über alle anderen Medikamente informieren, die sie verwenden, um potenzielle Interaktionen zu vermeiden und eine sichere und wirksame Behandlung zu gewährleisten. Regelmäßige Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der Medikation sind erforderlich, um das Risiko unerwünschter Wirkungen zu minimieren.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Midodrin nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung. Bei symptomatischer orthostatischer Hypotonie, der Hauptindikation für Midodrin, können andere Medikamente und nicht-pharmakologische Ansätze wirksam sein.
Fludrocortison ist eine Alternative, die den Blutdruck durch Erhöhung des Blutvolumens steigert. Es wird häufig bei Patienten verwendet, die auf Midodrin nicht ansprechen oder es nicht vertragen. Fludrocortison erfordert eine regelmäßige Überwachung des Elektrolythaushalts, insbesondere des Kaliums, da es zu Hypokaliämie führen kann.
Droxidopa ist ein weiteres Medikament, das zur Behandlung der orthostatischen Hypotonie eingesetzt wird. Es wird in Noradrenalin umgewandelt, was den Blutdruck erhöht. Droxidopa kann besonders bei Patienten mit neurologischen Störungen wie Parkinson wirksam sein.
Nicht-pharmakologische Ansätze sind ebenfalls wichtig. Dazu gehören das Tragen von Kompressionsstrümpfen, um venösen Rückfluss zu fördern, und das Erhöhen der Salz- und Flüssigkeitsaufnahme, um das Blutvolumen zu steigern. Auch das Anpassen von Lebensgewohnheiten, wie langsames Aufstehen aus sitzender oder liegender Position, kann helfen, Symptome zu reduzieren.
In einigen Fällen können Betablocker oder andere Sympathomimetika eingesetzt werden, um den Blutdruck zu stabilisieren, obwohl dies sorgfältig überwacht werden muss, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden.
Für Patienten mit spezifischen Bedürfnissen oder begleitenden Erkrankungen können individuell angepasste Behandlungspläne erforderlich sein. Dies kann die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten für kardiovaskuläre oder neurologische Erkrankungen umfassen, um die bestmögliche Therapie zu finden und das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Regelmäßige Überwachung und Anpassung der Therapie sind entscheidend, um eine optimale Behandlungssicherheit und -wirksamkeit zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor