Naltrexon

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Naltrexon ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Opioidantagonisten. Der verschreibungspflichtige Wirkstoff wird in der Opioidentwöhnung eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Naltrexon?

Naltrexon wird eingesetzt bei der Entwöhnung von Opioid-Abhängigen und in der Therapie gegen Alkoholsucht.

Naltrexon ist ein Opioidantagonist. Opioidantagonisten sind Arzneistoffe, die sich an Opioidrezeptoren binden und die Wirkung der Opioide teilweise oder komplett aufheben können. Doch der Wirkstoff kommt nicht nur bei Patienten mit einer Opioidabhängigkeit zum Einsatz. Er ist auch fester Bestandteil von umfassenden Therapieprogrammen gegen eine Alkoholsucht. So soll Naltrexon das Rückfallrisiko mindern und die Patienten in der Phase der Abstinenz unterstützen.

In Deutschland ist Naltrexon verschreibungspflichtig. Auch bei einer Langzeitbehandlung kommt es zu keinem Gewöhnungseffekt. Weder körperliche noch seelische Abhängigkeitssymptome werden beobachtet.

Pharmakologische Wirkung

Der genaue Wirkmechanismus von Naltrexon ist noch ungeklärt. Der Arzneistoff gehört zu den Opioidantagonisten. Diese fungieren als Rezeptorantagonisten an den Opioidrezeptoren. Sie binden sich an diese Rezeptoren und verdrängen schlagartig die Opiate von den Rezeptoren. Somit dient Naltrexon als Antidot bei Opioidvergiftungen.

Doch der Behandlung von Entzugserscheinungen liegt ein anderer Wirkmechanismus zugrunde. Es wird vermutet, dass sich durch den Wirkstoff eine Wechselwirkung mit dem körpereigenen Opioidsystem entwickelt. In diesem System schüttet der Körper bei tief greifenden emotionalen Ereignissen, bei Belastungen oder auch bei Schmerzen Endorphine aus. Diese wirken sowohl schmerzstillend als auch stimmungsaufhellend.

Vermutlich wird durch Alkoholmissbrauch dieses Belohnungssystem dauerhaft und grundlegend angeregt. Die Folge ist eine Stimmungsaufhellung. Jeder weitere Alkoholkonsum forciert diese Situation, sodass schlussendlich eine Abhängigkeit entsteht. Nach einem Entzug reichen dann schon geringe Mengen Alkohol, um einen Rückfall zu erleiden. Der Opioidantagonist senkt das Rückfallrisiko durch eine Beeinflussung des körpereigenen Opioidsystems. Er reduziert das Verlangen nach Alkohol bei abstinenten und nicht abstinenten Patienten.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Nach einer erfolgten Opioid-Entgiftung kann Naltrexon in der Entwöhnungsbehandlung von Opioid-Abhängigen genutzt werden. Es wird dabei ergänzend zur psychotherapeutischen und psychologischen Behandlung verabreicht. Doch der Wirkstoff wird nicht nur zu diesem Zweck genutzt. In Deutschland, den USA und in anderen europäischen Ländern ist Naltrexon auch zur Rückfallprävention bei Alkoholkrankheit zugelassen. Der Arzneistoff dient der Reduktion des Rückfallrisikos und der Minderung des Alkoholverlangens. Dadurch soll die Abstinenz ehemaliger Alkoholsüchtiger unterstützt werden.

Die Behandlung mit Naltrexon bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen und bei dissoziativen Störungen zeigt ebenfalls Erfolge. Allerdings ist der Wirkstoff für diese Indikation nicht zugelassen, sodass es sich um einen Off-Label-Use handelt. Auch bei Autismus und mentalen Entwicklungsstörungen wird Naltrexon im Off-Label-Use gelegentlich genutzt.

Neuere Studien zeigen zudem eine Wirksamkeit von Low-Dose Naltrexon bei multipler Sklerose. So berichteten die Teilnehmer der Studie nach einem halben Jahr von einer deutliche Reduktion der Spastiken. Der Wirkstoff scheint einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung zu nehmen. Vermutlich liegt hier eine entzündungshemmende Wirkung zugrunde. Nur bei einem von 40 Teilnehmern zeigte sich ein fortschreitender Rückgang der Nervenscheiden. Die Fibromyalgie, die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Krebs und opiatinduzierte Verstopfungen sind weitere Krankheitsbilder, die mit Naltrexon behandelt werden können.


Verabreichung & Dosierung

Naltrexon ist ein Opioidantagonist, der häufig zur Behandlung von Opioid- und Alkoholabhängigkeit eingesetzt wird. Bei der Verabreichung und Dosierung von Naltrexon sind verschiedene Faktoren zu beachten, um eine sichere und wirksame Therapie zu gewährleisten.

Die übliche orale Anfangsdosis bei der Behandlung von Opioidabhängigkeit beträgt 25 mg, gefolgt von 50 mg täglich, sofern keine Anzeichen von Entzugserscheinungen vorliegen. Vor Beginn der Naltrexon-Therapie muss der Patient mindestens 7 bis 10 Tage opioidfrei sein, um das Risiko eines akuten Entzugs zu vermeiden. Dies kann durch einen Urintest auf Opioide oder einen Naloxon-Test bestätigt werden. Bei Alkoholabhängigkeit beträgt die empfohlene Dosis in der Regel 50 mg täglich.

Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion benötigen möglicherweise eine Anpassung der Dosis, da Naltrexon hauptsächlich über die Leber metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden wird. Regelmäßige Leberfunktionstests sind erforderlich, um mögliche Leberschäden zu überwachen, da Naltrexon hepatotoxisch sein kann, insbesondere bei hohen Dosen.

Naltrexon sollte nicht bei Patienten eingesetzt werden, die aktuell Opioide einnehmen, da es sofortige Entzugssymptome auslösen kann. Ebenso ist Vorsicht geboten bei Patienten mit schweren Lebererkrankungen oder akuter Hepatitis. Vor Beginn der Behandlung ist eine umfassende medizinische Anamnese wichtig, um mögliche Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu identifizieren.

Risiken & Nebenwirkungen

Wenn Opioid-abhängige Menschen vor Beginn der Therapie mit Naltrexon nicht mindestens eine Woche opiatfrei sind, kann Naltrexon ein akutes Entzugssyndrom auslösen. Um dieser lebensgefährlichen Situation vorzubeugen und eine Opiatfreiheit zu bestätigen, wird deshalb in der Regel vor dem Beginn der Behandlung eine Urinprobe analysiert.

Häufige Nebenwirkungen, die in Zusammenhang mit Naltrexon auftreten, sind Schlafstörungen, Ängste und eine gesteigerte Erregbarkeit. Ferner kann es zu Übelkeit, Bauchschmerzen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen kommen.

Falls Naltrexon zeitgleich mit Opiaten angewendet wird, kann eine Überdosierung entstehen. Diese geht mit potenziell tödlichen Atemstörungen einher. Deshalb dürfen Patienten während der Therapie mit Naltrexon keinerlei Opiate und andere opioidhaltige Medikamente wie Codein oder Loperamid einnehmen. Es ist zu beachten, dass während der Behandlung mit Naltrexon die Opioid-Analgetika nicht ihre volle Wirkung entfalten können. Zur Schmerzlinderung müsste die Dosis dieser Opioid-Analgetika erhöht werden. Dies kann jedoch gravierende Komplikationen zur Folge haben.

In hohen Dosen wirkt Naltrexon toxisch auf die Leber. Aufgrund dieser hepatotoxischen Wirkung ist die Verabreichung von Naltrexon bei schweren Lebererkrankungen, wie beispielsweise bei Leberzirrhose, kontraindiziert. Auch bei Patienten ohne eine Vorschädigung der Leber kann es jedoch zu einem Anstieg der Leber-Transaminasen und zu einer Schädigung der Leber kommen. Da für alkoholkranke Menschen unter 20 Jahren nur wenige Studiendaten vorliegen, wird bei ihnen in der Regel auf eine Behandlung mit Naltrexon verzichtet.

Kontraindikationen

Bei der Verwendung von Naltrexon gibt es mehrere typische Kontraindikationen, die beachtet werden müssen, um potenzielle Risiken für den Patienten zu vermeiden. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist die gleichzeitige Anwendung von Naltrexon mit Opioiden. Da Naltrexon ein starker Opioidantagonist ist, kann es bei Patienten, die aktuell Opioide einnehmen oder kürzlich Opioide verwendet haben, akute Entzugssymptome auslösen. Vor Beginn der Behandlung muss sichergestellt werden, dass der Patient mindestens 7 bis 10 Tage opioidfrei ist.

Eine weitere Kontraindikation ist eine akute Hepatitis oder schwere Leberinsuffizienz, da Naltrexon hauptsächlich in der Leber metabolisiert wird und in hohen Dosen zu Leberschäden führen kann. Bei Patienten mit vorbestehenden Lebererkrankungen oder erhöhten Leberenzymwerten sollte die Anwendung von Naltrexon sorgfältig abgewogen und regelmäßig überwacht werden.

Naltrexon sollte auch nicht bei Patienten angewendet werden, die eine bekannte Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe haben. Eine weitere wichtige Kontraindikation betrifft Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz, da das Medikament über die Nieren ausgeschieden wird und sich bei eingeschränkter Nierenfunktion anreichern kann.

Patienten, die stark opioidhaltige Schmerzmittel benötigen oder bei denen eine Notfallversorgung mit Opioiden notwendig sein könnte, sollten Naltrexon ebenfalls nicht verwenden, da es die Wirkung der Opioide blockiert und dadurch die Schmerzbehandlung beeinträchtigen kann.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Naltrexon interagiert mit mehreren Medikamenten, und diese Wechselwirkungen müssen bei der Verschreibung berücksichtigt werden. Die wichtigste Interaktion besteht mit opioidhaltigen Arzneimitteln. Da Naltrexon ein Opioidantagonist ist, blockiert es die Wirkung von Opioiden, was bedeutet, dass Schmerzmittel wie Morphin, Fentanyl oder Oxycodon in ihrer Wirkung abgeschwächt oder vollständig blockiert werden. Dies kann bei Patienten, die Naltrexon einnehmen und gleichzeitig eine Schmerztherapie mit Opioiden benötigen, zu Problemen führen. Auch die gleichzeitige Anwendung von Naltrexon mit niedrig dosierten Opioiden in Medikamenten wie Husten- oder Durchfallmitteln kann die Wirksamkeit dieser Präparate verringern.

Eine weitere potenzielle Interaktion besteht mit Medikamenten, die die Leber belasten, da Naltrexon vorwiegend in der Leber metabolisiert wird. Medikamente wie bestimmte Antikonvulsiva (z.B. Valproinsäure) oder bestimmte Antibiotika (z.B. Rifampicin) können das Risiko von Leberschäden erhöhen, wenn sie zusammen mit Naltrexon angewendet werden.

Patienten, die serotonerge Medikamente einnehmen, wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) oder Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), sollten vorsichtig sein, da eine erhöhte serotonerge Aktivität theoretisch das Risiko eines Serotonin-Syndroms erhöhen könnte. Zudem sollten Patienten, die Warfarin oder andere Antikoagulanzien einnehmen, aufgrund der möglichen Veränderung der Blutgerinnung überwacht werden. Die gleichzeitige Anwendung von Naltrexon mit anderen zentral dämpfenden Substanzen wie Alkohol oder Beruhigungsmitteln kann die sedierende Wirkung verstärken.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Naltrexon nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, insbesondere zur Behandlung von Alkohol- und Opioidabhängigkeit.

Bei der Opioidabhängigkeit kann Buprenorphin als Alternative verwendet werden. Buprenorphin ist ein partieller Opioidagonist, der die Opioidrezeptoren teilweise stimuliert, aber das Risiko von Missbrauch und Überdosierung im Vergleich zu reinen Agonisten reduziert. Es hilft, das Verlangen nach Opioiden zu verringern, ohne eine starke Euphorie hervorzurufen. Eine weitere Alternative ist Methadon, ein vollwertiger Opioidagonist, der in spezialisierten Programmen zur Substitutionstherapie eingesetzt wird, um Entzugssymptome zu lindern und die Rückfallgefahr zu minimieren.

Bei der Behandlung von Alkoholabhängigkeit kann Acamprosat eingesetzt werden. Es wirkt auf das Glutamatsystem im Gehirn und hilft, das Verlangen nach Alkohol zu reduzieren, indem es das neurochemische Ungleichgewicht korrigiert, das durch chronischen Alkoholkonsum verursacht wird. Eine andere Option ist Disulfiram, das den Alkoholstoffwechsel stört und bei Alkoholkonsum unangenehme Reaktionen wie Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auslöst, was als Abschreckung dienen soll.

Neben medikamentösen Alternativen spielen auch psychosoziale Interventionen wie kognitive Verhaltenstherapie, Selbsthilfegruppen und Programme zur Rückfallprävention eine wichtige Rolle bei der langfristigen Behandlung von Abhängigkeiten. Diese Methoden können allein oder in Kombination mit alternativen Medikamenten eingesetzt werden, um die Therapieerfolge zu unterstützen.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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