Fentanyl
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 17. Mai 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Fentanyl wurde im Jahr 1960 von Paul Janssen entwickelt und war damals das erste Anilinopiperidin. Durch einige Modifikationen an der Molekularformel konnte aus Fentanyl seither einige Derivate entwickelt werden, die besser steuerbar sind.
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Was ist Fentanyl?
Bei Fentanyl handelt es sich um ein synthetisches Opiod, dass in der Anästhesie als potentes Schmerzmittel und bei der Therapie von chronischen Schmerzen als transdermales therapeutisches System angewandt wird.
Es wirkt dabei als so genannter Agonist. In Deutschland sowie in der Schweiz fällt Fentanyl unter das Betäubungsmittelgesetz, in Österreich unter das Suchtmittelgesetz.
Pharmakologische Wirkung
Fentanyl hat vorrangig eine analgetische (stark schmerzlindernde) und sedierende (beruhigende) Wirkung. Dabei ist es im Vergleich zu Morphin 120 Mal so potent, was zu einer höheren Wirksamkeit und einer kürzeren Wirkdauer führt.
So wirkt Fentanyl bei intravenöser Anwendung bereits nach zwei bis fünf Minuten, die so genannte Halbwertzeit liegt bei etwa drei bis zwölf Stunden. Die Dosis für eine effektive Behandlung liegt bei 0,01 mg pro Kilogramm Körpergewicht, die Dosis, die zum Tod führt bei 3,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht, wobei sich die letzte Angabe auf Ratten bezieht. Bereits niedrigere Dosen können deshalb auch beim Menschen schon zum Tod aufgrund von Atemdepression führen.
Die Nebenwirkungen können allerdings generell mit denen von Morphin verglichen werden. Fentanyl löst sich gut in Fett und kann sich in fetthaltigem Gewebe deshalb gut verteilen. Hauptsächlich wird es in der Leber verstoffwechselt, weniger als zehn Prozent werden über die Nieren unverändert ausgeschieden. In Abhängigkeit vom Zustand des Patienten und der verabreichten Dosis kann Fentanyl die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigen, beruhigend wirken, zu Bewusstseinseintrübungen führen oder aber einen schlafähnlichen Zustand herbeiführen. Letzterer Punkt ist Grund für die Anwendung in der Anästhesie.
Hauptsächlich wird Fentanyl bei Operationen in Verbindung mit einem Schlafmittel als Schmerzmittel eingesetzt und kann wahlweise auch als muskelentspannendes Mittel genutzt werden. Da Fentanyl aufgrund der Lipophilie schwer kontrolliert im Fettgewebe eingelagert und wieder freigegeben wird, werden alternativ oft die Stoffe Remifentanil, Alfentanil oder Sufentanil angewandt.
Fentanyl wirkt beruhigend, diese Wirkung kann sowohl durch andere Beruhigungsmittel als auch Alkohol verstärkt oder durch die Einnahme anderer Opiode verringert werden. Zu schweren Kreislauf- und Atemstörungen kann es in Verbindung mit der Einnahme von so genannten Monoamiooxidase-Hemmern kommen, weshalb zwischen der jeweiligen Einnahme ein Zeitraum von mindestens 14 Tagen liegen sollte.
Bei der Verwendung von Schmerzpflastern kann es außerdem zu einer Wechselwirkung mit Präparaten wie Omeprazol, Furosemid oder Glibenclamid kommen. Auch mit Präparaten, die Johanniskraut enthalten, kann es zu Wechselwirkungen kommen. Für Raucher ist es unter Umständen notwendig, dass die Dosis Fentanyl angepasst wird.
Wird ein fentanylhaltiges Arzneimittel zusammen mit einem serotonerg wirkenden Arzneimittel eingenommen, kann es zu einem gefährlichen Serotonin-Syndrom kommen, dessen Symptome Blutdruckkrisen, Halluzinationen oder auch ein Koma sein können.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Fentanyl wird als Fentanyldihydrogencitrat in drei Formen angewendet: als transdermales therapeutisches System, als intravenöse Verabreichung in der Anästhesie und Notfallmedizin sowie als oral-transmukosales therapeutisches System (bei Durchbruchschmerzen als Lutschtablette). Gegen Durchbruchschmerz ist seit dem 1. September 2009 Instanyl von Nycomed, das erste zugelassene Fentanyl-Nasenspray EU-weit, zugelassen.
Geeignet ist dieses Medikament für Behandlungen von Durchbruchschmerzen bei erwachsenen Patienten, bei denen bereits eine Basistherapie mit einem Opioid gegen chronische Tumorschmerzen erfolgt. Fentanyl hat eine starke schmerzstillende Wirkung und wird deshalb meist perioperativ (vor einer OP) oder auch nach einer Operation eingesetzt.
Bei starken, chronischen Schmerzen von Krebspatienten wird es in Form eins Hautpflasters als Analgetikum eingesetzt, auch eine Anwendung in der Analgesie bei chronischen Schmerzen, die nicht mit einem Tumor zusammenhängen ist möglich. Der Notarzt darf Fentanyl bei akuten Schmerzen im Rettungsdienst einsetzen.
Verabreichung & Dosierung
Fentanyl ist ein starkes Opioid-Analgetikum, das zur Behandlung von starken Schmerzen verwendet wird, insbesondere bei Krebspatienten und nach chirurgischen Eingriffen. Aufgrund seiner Potenz und des Risikos schwerer Nebenwirkungen und Abhängigkeit ist bei der Verabreichung und Dosierung von Fentanyl besondere Vorsicht geboten.
Verabreichungsformen
Fentanyl ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter transdermale Pflaster, Injektionslösungen, Lutschtabletten, Nasensprays und sublinguale Tabletten. Die Wahl der Verabreichungsform hängt von der Schmerzintensität, der Dauer der Schmerzen und den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab.
Dosierung
Die Dosierung von Fentanyl muss individuell angepasst werden, basierend auf der Schmerzintensität, dem bisherigen Opioidverbrauch und der Toleranz des Patienten. Bei transdermalen Pflastern beginnt die Dosierung typischerweise mit einem niedrigen Dosisbereich (z.B. 25 mcg/h) und kann je nach Bedarf alle 72 Stunden angepasst werden. Bei oralen und sublingualen Formen wird die Dosierung in kleinen Schritten titriert, um eine angemessene Schmerzkontrolle zu erreichen, ohne das Risiko einer Überdosierung zu erhöhen.
Sicherheitshinweise
Überwachung: Patienten, die Fentanyl einnehmen, sollten regelmäßig überwacht werden, um Anzeichen von Überdosierung oder Nebenwirkungen wie Atemdepression, Sedierung und Hypotonie frühzeitig zu erkennen.
Vermeidung von Wechselwirkungen: Fentanyl sollte nicht mit anderen zentral dämpfenden Substanzen wie Benzodiazepinen oder Alkohol kombiniert werden, da dies das Risiko einer lebensbedrohlichen Atemdepression erhöhen kann.
Aufklärung des Patienten: Patienten und ihre Angehörigen müssen über die richtige Anwendung, Lagerung und Entsorgung von Fentanyl informiert werden, um Missbrauch und versehentliche Exposition zu verhindern. Insbesondere transdermale Pflaster sollten außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt und nach Gebrauch sicher entsorgt werden.
Dosisanpassung bei Risikogruppen: Bei älteren Patienten und Personen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion ist eine sorgfältige Dosisanpassung erforderlich, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren.
Fentanyl ist ein wirksames Schmerzmittel, das bei korrekter Anwendung erheblichen Nutzen bieten kann, erfordert jedoch eine sorgfältige Dosierung und Überwachung, um sicher und effektiv eingesetzt zu werden.
Risiken & Nebenwirkungen
Als Nebenwirkung von Fentanyl kann es zu einer Beeinträchtigung der Atmung bis hin zu Atemdepressionen kommen. Weiterhin sind Nebenwirkungen wie eine verkrampfte oder erstarrte Muskulatur, eine verlangsamte Herztätigkeit, Euphorie oder auch Angstzustände, verengte Pupillen, Erbrechen, Übelkeit sowie Verstopfung möglich. Erfolgt eine schnelle Injektion, kann es in seltenen Fällen auch zu einem kurzzeitigen Hustenreiz führen.
Kontraindikationen
Fentanyl ist ein starkes Opioid-Analgetikum, das zur Behandlung schwerer Schmerzen eingesetzt wird. Aufgrund seiner potenten Wirkung und des hohen Risikos für Nebenwirkungen gibt es mehrere Kontraindikationen, die eine Verwendung von Fentanyl ausschließen oder besondere Vorsicht erfordern.
Schwere Atemwegserkrankungen
Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen wie COPD, Asthma oder anderen obstruktiven Lungenerkrankungen sollten Fentanyl nicht verwenden. Das Medikament kann eine Atemdepression verursachen oder verschlimmern, was zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann.
Akute oder schwere Asthmaanfälle
Während eines akuten oder schweren Asthmaanfalls ist Fentanyl kontraindiziert, da es die Atmung weiter beeinträchtigen kann.
Bekannte Überempfindlichkeit
Eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Fentanyl oder andere Opioide schließt die Anwendung aus. Allergische Reaktionen können von Hautausschlägen bis hin zu [[Anaphylaktischer Schock|anaphylaktischen Schocks reichen.
Nicht-opioid-tolerante Patienten
Fentanyl ist nicht für die Verwendung bei opioid-naiven Patienten geeignet. Es ist für Personen vorgesehen, die bereits eine Toleranz gegenüber Opioiden entwickelt haben, da das Risiko einer schweren Atemdepression bei nicht-opioid-toleranten Personen höher ist.
Schwere Leber- oder Niereninsuffizienz
Patienten mit schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz sollten Fentanyl nicht verwenden, da die Metabolisierung und Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigt sein können, was zu einer Akkumulation und erhöhtem Risiko für toxische Wirkungen führt.
Unbehandelte Magen-Darm-Erkrankungen
Patienten mit paralytischem Ileus oder anderen schweren Magen-Darm-Erkrankungen sollten Fentanyl nicht verwenden, da Opioide die Darmmotilität weiter beeinträchtigen und das Risiko einer Darmverstopfung erhöhen können.
Akute Alkoholintoxikation
Die Verwendung von Fentanyl bei Patienten, die unter akuter Alkoholintoxikation leiden, ist kontraindiziert. Die Kombination kann die zentral dämpfenden Wirkungen verstärken und das Risiko einer Atemdepression und anderen schwerwiegenden Nebenwirkungen erhöhen.
Erhöhter Hirndruck
Patienten mit erhöhtem Hirndruck oder Schädel-Hirn-Trauma sollten Fentanyl nicht verwenden, da Opioide den Hirndruck weiter erhöhen und die neurologische Beurteilung erschweren können.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Fentanyl ist ein starkes Opioid-Analgetikum, dessen Verwendung in Kombination mit bestimmten Medikamenten zu ernsthaften Wechselwirkungen führen kann. Diese Interaktionen können die Wirksamkeit von Fentanyl beeinflussen und das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen erhöhen.
Zentral dämpfende Substanzen
Benzodiazepine: Die gleichzeitige Anwendung von Fentanyl und Benzodiazepinen kann die dämpfenden Effekte auf das zentrale Nervensystem verstärken, was zu schwerer Sedierung, Atemdepression, Koma und Tod führen kann.
Andere Opioide: Die Kombination mit anderen Opioiden erhöht das Risiko für eine additive Atemdepression und Sedierung, was lebensbedrohlich sein kann.
Alkohol: Alkoholkonsum verstärkt die dämpfende Wirkung von Fentanyl auf das zentrale Nervensystem, was zu schwerer Atemdepression und Sedierung führt.
CYP3A4-Inhibitoren und -Induktoren
CYP3A4-Inhibitoren: Medikamente wie Ketoconazol, Ritonavir, Clarithromycin und andere starke CYP3A4-Inhibitoren können den Abbau von Fentanyl verlangsamen und dessen Plasmaspiegel erhöhen. Dies erhöht das Risiko für eine verlängerte oder verstärkte Opioidwirkung und Nebenwirkungen.
CYP3A4-Induktoren: Rifampicin, Carbamazepin und Phenytoin sind Beispiele für Medikamente, die die CYP3A4-Aktivität erhöhen und dadurch den Abbau von Fentanyl beschleunigen können, was zu einer verringerten Wirksamkeit führt.
Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
Die gleichzeitige Anwendung von Fentanyl mit MAO-Hemmern, wie Phenelzin oder Tranylcypromin, kann zu schwerwiegenden und unvorhersehbaren Wirkungen führen, einschließlich eines Serotonin-Syndroms oder einer hypertensiven Krise. MAO-Hemmer sollten mindestens 14 Tage vor Beginn der Fentanyl-Behandlung abgesetzt werden.
Serotoninerge Medikamente
Die gleichzeitige Anwendung von Fentanyl mit serotonergen Medikamenten, wie SSRIs, SNRIs und Triptanen, kann das Risiko eines Serotonin-Syndroms erhöhen. Symptome umfassen Verwirrtheit, Hyperthermie, Tachykardie, und Hyperreflexie.
Muskelrelaxantien
Die gleichzeitige Anwendung von Fentanyl mit Muskelrelaxantien kann die neuromuskuläre Blockade verstärken und das Risiko einer Atemdepression erhöhen.
Die Kenntnis dieser potenziellen Wechselwirkungen ist entscheidend für die sichere Verwendung von Fentanyl, insbesondere bei Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Fentanyl nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen mehrere alternative Opioid- und Nicht-Opioid-Analgetika sowie andere Schmerzbehandlungsmethoden zur Verfügung.
Opioid-Alternativen
Morphin: Ein häufig verwendetes Opioid für starke Schmerzen. Es hat eine längere Wirkdauer als Fentanyl und ist für viele Patienten eine geeignete Alternative.
Hydromorphon: Ein starkes Opioid, das oft bei Patienten verwendet wird, die Morphin nicht vertragen. Es hat eine ähnliche Potenz wie Fentanyl und kann sowohl oral als auch parenteral verabreicht werden.
Oxycodon: Ein wirksames Opioid, das häufig für moderate bis starke Schmerzen verwendet wird. Es ist in verschiedenen Formulierungen erhältlich, einschließlich retardierter Formen für anhaltende Schmerzbehandlung.
Nicht-Opioid-Analgetika
Paracetamol: Geeignet für leichte bis mäßige Schmerzen und kann in Kombination mit Opioiden zur Schmerzreduktion verwendet werden.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Medikamente wie Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac können entzündungsbedingte Schmerzen lindern und sind besonders nützlich bei muskuloskelettalen Schmerzen.
Gabapentin und Pregabalin: Antikonvulsiva, die zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Sie sind hilfreich bei chronischen Schmerzzuständen, die auf Nervenschäden zurückzuführen sind.
Andere Behandlungsansätze
Nervenblockaden: Injektionen von Lokalanästhetika oder Steroiden in oder um Nerven können akute und chronische Schmerzen lindern.
Physiotherapie: Bewegungstherapien und manuelle Techniken können bei chronischen Schmerzen helfen, insbesondere bei muskuloskelettalen Beschwerden.
Akupunktur: Eine alternative Therapie, die durch das Setzen von Nadeln in bestimmte Körperpunkte Schmerzlinderung bieten kann.
Psychologische Therapien: Techniken wie kognitive Verhaltenstherapie (CBT) können bei der Bewältigung von chronischen Schmerzen und den damit verbundenen psychologischen Belastungen helfen.
Die Wahl der geeigneten Alternative zu Fentanyl hängt von der Art und Schwere der Schmerzen, den individuellen Patientenbedürfnissen und den zugrunde liegenden medizinischen Bedingungen ab. Eine sorgfältige Abwägung der Risiken und Vorteile ist entscheidend, um eine effektive und sichere Schmerzbehandlung zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor