Loperamid
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Loperamid ist ein Arzneistoff, der zur Wirkstoffklasse der Opioide gehört und zur Behandlung von Durchfallerkrankungen eingesetzt wird. Er steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO (Weltgesundheitsorganisation).
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Was ist Loperamid?
Der Arzneistoff Loperamid wurde erstmalig von Paul Janssen für die Firma Janssen Pharmaceutica synthetisiert. Aus chemischer Sicht ist Loperamid ein Diphenyl-Piperidin. Es gehört zu den Scheinopioiden. Die erste klinische Studie mit dem Wirkstoff erschien 1973 in einem amerikanischen Fachmagazin. Im selben Jahr wurde Loperamid auf den Markt gebracht und ist noch immer unter dem Handelsnamen Imodium® erhätlich.
Seit 1976 ist Loperamid auch auf dem deutschen Markt erhältlich. In Deutschland ist es das am häufigsten verkaufte, nicht rezeptpflichtige Mittel gegen Durchfall. Es wird zur symptomatischen Behandlung bei akuten Durchfällen empfohlen. Der Arzneistoff wird oral zugeführt und ist zudem in einigen Kombinationspräparaten zusammen mit dem Wirkstoff Simeticon enthalten. In allen erhältlichen Formen ist Loperamid apothekenpflichtig.
Pharmakologische Wirkung
Loperamidhydrochlorid bindet sich an die µ-Opioid-Rezeptoren im Plexus myentericus. Der Plexus myentericus, auch Auerbach-Plexus genannt, durchzieht fast die gesamte Muskulatur des Magen-Darm-Trakts. Er ist Teil des Enterischen Nervensystems (ENS) und reguliert die Peristaltik des Darms. Er reguliert auch die Sekretion von Verdauungsenzymen in das Darminnere.
Über die µ-Opioid-Rezeptoren reduziert Loperamid die Aktivität der glatten Muskulatur der Darmwand. Insbesondere die longitudinale und die zirkuläre Dünndarmmuskulatur werden in ihrer Tätigkeit gehemmt. Durch die abgeschwächte Peristaltik verbleibt der Darminhalt länger im Dünndarm. Der Darminhalt hat somit über einen längeren Zeitraum Kontakt mit der Schleimhaut des Dünndarms, sodass Elektrolyte und Flüssigkeit vermehrt aufgenommen werden können. Der Stuhl wird fester. Zudem erhöht Loperamid die Muskelspannung des Afterschließmuskels. Dadurch wird eine verbesserte Stuhlkontinenz erreicht.
Da Loperamid die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann, erreicht es die Opioidrezeptoren nicht und wird deshalb zu den Scheinopioiden gezählt. Loperamid ist ausschließlich lokal wirksam.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Hauptindikationen für den Einsatz von Loperamid sind Durchfälle jeder Art. Das Mittel wird oral eingenommen bei Reisedurchfällen, unspezifischen Durchfällen, Durchfällen bei Reizdarmsyndrom oder bei Durchfällen infolge von Störungen der Darmperistaltik.
Unter ärztlicher Aufsicht wird Loperamid auch zur Therapie von Durchfällen genutzt, die durch Zytostatika oder sogenannte Proteaseinhibitoren im Rahmen einer chemotherapeutischen Behandlung hervorgerufen werden. In Kombination mit dem Wirkstoff Simeticon wird Loperamid bei akuten Durchfällen mit Bauchkrämpfen verabreicht.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Loperamid, einem gängigen Medikament gegen akuten Durchfall, ist Vorsicht geboten, da die Dosierung individuell an den Schweregrad des Durchfalls und die Verträglichkeit des Patienten angepasst werden sollte.
Für Erwachsene beträgt die Anfangsdosis häufig 4 mg (entspricht zwei Tabletten), gefolgt von 2 mg (eine Tablette) nach jedem weiteren ungeformten Stuhlgang. Die tägliche Höchstdosis für Erwachsene liegt in der Regel bei 16 mg. Für Kinder ist Loperamid in der Regel nicht für Kleinkinder unter zwei Jahren geeignet, und die Dosierung für ältere Kinder sollte immer ärztlich überwacht werden, da Überdosierungen ernsthafte Nebenwirkungen verursachen können.
Loperamid sollte nur zur kurzfristigen Behandlung eingesetzt werden, da es lediglich die Symptome lindert und die Ursache des Durchfalls nicht bekämpft. Die Anwendung ist auf zwei Tage beschränkt, sofern kein ärztlicher Rat vorliegt. Falls Durchfall mit Fieber oder [[Blut im Stuhl |blutigem Stuhl]] einhergeht, ist Loperamid kontraindiziert, da es den Darm verlangsamt und möglicherweise den Abgang schädlicher Bakterien behindert.
Bei Überdosierung können schwerwiegende Nebenwirkungen wie Atemdepression und Herzrhythmusstörungen auftreten. Daher ist es wichtig, die angegebene Dosierung nicht zu überschreiten und das Medikament sofort abzusetzen, wenn der Durchfall gestoppt ist.
Risiken & Nebenwirkungen
Es ist zu beachten, dass Loperamid ausschließlich symptomatisch wirkt und somit nicht die Ursache der Durchfallerkrankung bekämpft. Es kann zwar helfen den Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten zu stoppen, sollte aber dennoch nur kurzzeitig bei einer bekannten Grunderkrankung oder parallel zu einer ursächlichen Therapie eingenommen werden.
Loperamid ist nicht zur Behandlung von infektiösen Durchfallerkrankungen geeignet. Diese machen sich meist durch Schleim, Blut oder Eiter im Stuhl bemerkbar. Loperamid stellt den Darm ruhig und verlängert die Darmpassage. Dieser Effekt ist bei einigen Durchfallerkrankungen gewünscht, bei infektiösen Dysenterien verlängert er jedoch die Aufenthaltsdauer der Erreger im Darm. Während die Erreger im Darm verweilen, können sie weiter Toxine in den Darm abgeben. Insbesondere bei einer Infektion mit enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) kann das gefährlich werden. Durch die Toxine kann das Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ausgelöst werden.
Loperamid sollte auch nicht bei akuten Schüben der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa angewandt werden. Weitere Kontraindikationen sind die Colitis pseudomembranosa, die Einnahme von Breitband-Antibiotika und alle Erkrankungen, bei denen die Darmperistaltik pathologisch gehemmt ist. Dazu gehören der Darmverschluss (Ileus), das Megakolon und das toxische Megakolon.
Im Allgemeinen wird Loperamid sehr gut vertragen. Durch die Störung der Darmbewegungen können jedoch Bauchschmerzen, Übelkeit und Verstopfungen auftreten. Der Bauch kann aufgebläht sein. Sollte sich bei einem akuten Durchfall innerhalb von 48 Stunden nach der Einnahme von Loperamid keine Besserung einstellen, muss ein Arzt aufgesucht werden. Eine längere Anwendung sollte ausschließlich nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.
Im Normalfall kann Loperamid die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Bei einer beeinträchtigten Blut-Hirn-Schranke gelangt der Arzneistoff jedoch ins Gehirn und kann dort schwere Nebenwirkungen hervorrufen. In wechselseitiger Wirkung mit anderen Arzneistoffen kann Loperamid die Blut-Hirn-Schranke jedoch leichter passieren.
Bei gleichzeitiger Einnahme von Ketoconazol, Verapamil und Chinidin kann Loperamid Atemstörungen auslösen. Auch mit Ritonavir, einem HIV-Proteinase-Inhibitor, können Wechselwirkungen auftreten. Es ist zudem zu beachten, dass Loperamid die saure Sphingomyelinase funktionell hemmt (FIASMA). Eine dadurch entstehende Fehlregulierung kann schwerwiegende klinische Krankheitsbilder zur Folge haben.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Loperamid umfassen verschiedene gesundheitliche Zustände, bei denen das Medikament nicht angewendet werden sollte, da es die Symptome verschlimmern oder das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen erhöhen könnte. Eine der Hauptkontraindikationen ist akuter Durchfall, der mit Fieber oder blutigem Stuhl einhergeht, da dies auf eine bakterielle oder virale Infektion hinweisen kann. In solchen Fällen kann Loperamid den Darm verlangsamen und so verhindern, dass Krankheitserreger ausgeschieden werden.
Auch Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn sollten Loperamid meiden, da das Medikament zu einem toxischen Megakolon führen kann – eine potenziell lebensgefährliche Erweiterung des Dickdarms, die mit starken Komplikationen verbunden ist. Weitere Kontraindikationen umfassen Darmlähmung (Ileus) und Verstopfung, da Loperamid den Darm noch weiter verlangsamt und den Zustand verschlechtern könnte.
Kinder unter zwei Jahren sollten Loperamid generell nicht erhalten, da sie empfindlich auf die Wirkung des Medikaments reagieren und ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen wie Atemdepression besteht. Auch Schwangere und Stillende sollten das Medikament nur nach Rücksprache mit einem Arzt einnehmen, da die Sicherheit in diesen Fällen nicht ausreichend erforscht ist. Patienten mit Leberinsuffizienz wird ebenfalls zur Vorsicht geraten, da Loperamid bei ihnen langsamer abgebaut wird und so das Risiko für eine toxische Wirkung erhöht.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Loperamid kann mit verschiedenen anderen Medikamenten Wechselwirkungen eingehen, die dessen Wirkung verstärken oder Nebenwirkungen erhöhen können. Besonders bei Medikamenten, die das Zentralnervensystem beeinflussen, wie opioidhaltige Schmerzmittel oder Beruhigungsmittel, besteht Vorsicht, da Loperamid in hoher Dosierung eine ähnliche Wirkung auf das Nervensystem haben kann. Diese Kombination kann das Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Atemdepression oder Schläfrigkeit erhöhen.
Ein weiterer bedeutender Wechselwirkungsbereich betrifft Medikamente, die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems hemmen oder aktivieren, wie bestimmte Antibiotika (z. B. Erythromycin), Antimykotika (z. B. Ketoconazol) oder antivirale Mittel (z. B. Ritonavir). Diese Medikamente können den Abbau von Loperamid in der Leber verlangsamen, was zu höheren Loperamid-Konzentrationen im Blut und somit zu verstärkten Nebenwirkungen führt.
Auch die gleichzeitige Anwendung von Loperamid mit anderen Medikamenten gegen Durchfall, wie bestimmten Anticholinergika, sollte vermieden werden, da dies das Risiko für einen Darmverschluss (Ileus) erhöhen kann. Zudem kann die Kombination mit Medikamenten, die den Herzrhythmus beeinflussen, wie Antiarrhythmika oder einige Antidepressiva, das Risiko für Herzrhythmusstörungen verstärken, insbesondere bei Überschreitung der empfohlenen Dosis von Loperamid.
Alternative Behandlungsmethoden
Falls Loperamid nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um Durchfall zu behandeln. Eine der häufigsten Alternativen sind adsorbierende Mittel wie Aktivkohle oder Diosmektit. Diese binden Giftstoffe und Krankheitserreger im Darm und unterstützen deren Ausscheidung, ohne die Darmbewegung zu verlangsamen, was sie bei infektiösem Durchfall besonders geeignet macht.
Probiotika sind ebenfalls eine bewährte Alternative. Sie fördern eine gesunde Darmflora und können die Dauer des Durchfalls reduzieren, insbesondere bei durch Antibiotika oder Infektionen verursachtem Durchfall. Probiotika wie Saccharomyces boulardii oder Lactobacillus rhamnosus GG haben sich in Studien als wirksam erwiesen und sind gut verträglich.
Für Fälle von Durchfall, die mit Entzündungen oder Reizungen des Darms verbunden sind, können pflanzliche Mittel wie Flohsamenschalen oder Gerbstoffe aus Heidelbeeren und Eichenrinde lindernd wirken. Flohsamenschalen binden Wasser im Darm und regulieren so die Stuhlkonsistenz, während Gerbstoffe entzündungshemmend und adstringierend wirken.
In Fällen von Reisedurchfall oder infektiösem Durchfall sind antibakterielle Medikamente wie Rifaximin eine mögliche Option, allerdings sollten diese nur nach ärztlicher Absprache verwendet werden, da sie gezielt gegen bestimmte Erreger wirken. Eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr bleibt bei Durchfall essenziell und ist unabhängig von der gewählten Methode ein zentraler Bestandteil der Behandlung.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor