Nerv-Muskel-Zusammenspiel
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Ein gut funktionierendes Nerv-Muskel-Zusammenspiel ist die Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Bewegungssystems. Eine Störung führt zwangsläufig zu einem Verlust von Gebrauchsfunktionen und beträchtlichen Einschränkungen der Aktivitätsmöglichkeiten.
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Was ist das Nerv-Muskel-Zusammenspiel?
Das regelrechte Zusammenwirken zwischen Nerven und Muskulatur ist die Grundvoraussetzung für die Ausführung von wohlkoordinierten Bewegungshandlungen und adäquaten Stabilisationsaktivitäten. Das Nervensystem übernimmt dabei die Funktionen der Steuerung und der Informationsübermittlung. Die Muskeln sind die ausführenden Organe.
Bewegungsimpulse werden in den motorischen Zentren der Großhirnrinde generiert, wo verschiedene Hirnareale die diversen Körperregionen repräsentieren und versorgen. Die Bewegungsbefehle, die für die Durchführung eines Bewegungsprogramms notwendig sind, werden von dort über die Nervenbahnen des sogenannten pyramidalen Systems zu den jeweiligen Segmenten des Rückenmarks geleitet. Dort werden sie umgeschaltet und in die Peripherie zu den Muskeln geschickt, die für die Ausführung zuständig sind.
Bei dynamischen Handlungen werden die Gegenspieler (Antagonisten) gleichzeitig auf Rückenmarksebene gehemmt. Der Nervenreiz gelangt schließlich über viele motorischen Endplatten zur Muskulatur und wird über das Membransystem ins Innere der Muskelzelle weitergeleitet. Dort erfolgt die Umwandlung des elektrischen in einen chemischen Reiz, der zur Folge hat, dass das in Vesikeln gespeicherte Calcium ins Zellinnere entlassen wird. Übersteigt die Calciumkonzentration eine gewisse Schwelle, erfolgt unter Energieverbrauch die Kontraktion in der Muskelzelle und durch Summation im gesamten Muskel.
Funktion & Aufgabe
Unsere Bewegungsprogramme sind so ausgelegt, das bei Bewegungen die handelnden Muskeln (Agonisten) automatisch aktiviert und die Antagonisten gehemmt werden, um die Aktion nicht zu behindern. Bei Stabilisationsanforderungen können die gleichen Muskelgruppen als Synergisten zusammenarbeiten, um zum Beispiel Gelenke zu stabilisieren. Ein typischer Bewegungsvorgang, bei dem beide Vorgänge vorkommen, ist das Gehen. In der Schwungbeinphase werden am Ende die Kniestrecker aktiviert bei gleichzeitiger Hemmung der Beuger. In der Standbeinphase arbeiten beide Muskelgruppen zusammen, um das Kniegelenk während der Druckbelastung zu stabilisieren und zu zentrieren.
Die Kontraktionsaktivität von einzelnen Muskeln oder Muskelgruppen kann auf verschiedenen Wegen abgestuft, modifiziert und gesteuert werden. Dies geschieht zum einen durch die räumliche und zeitliche Ansteuerung der motorischen Einheiten. Jeder motorische Nerv verfügt über tausende von Nervenfasern und jede einzelne von ihnen verteilt ihre Impulse auf mehrere motorische Endplatten, die nie alle gleichzeitig, sondern immer zeitversetzt angesteuert werden.
Das motorische Programm bestimmt, welche (Rekrutierung) und wie viele pro Zeiteinheit (Frequenzierung) aktiviert werden. Die Stärke der Kontraktion kann so abgestuft werden.
Die unterste Stufe der Kontrolle übernehmen die Rezeptoren in den Sehnen (Golgi-Sehnen- Organ) und die Muskelspindeln. Sie messen Längen- und Spannungsveränderungen im Muskel und melden diese über sensible Nervenfasern zum Rückenmark. Sind die Signale sehr stark, bedeutet dies Verletzungsgefahr für den Muskel und die Kontraktion im Muskel wird reduziert oder gestoppt.
Die Kontrolle und Feinabstimmung der Muskelaktivität übernimmt das extrapyramidale System, insbesondere das Kleinhirn. Es bekommt ständig Informationen über den Ablauf der Bewegungsvorgänge und vergleicht diese mit gespeicherten Programmen und Informationen aus anderen Hirnzentren. Eventuelle Abweichungen werden modifiziert, um koordinierte Abläufe zu gewährleisten.
Krankheiten & Beschwerden
Auf der Muskelebene sind dies vorwiegend Erkrankungen, die die Bereitstellung von Energieträgern oder Mineralstoffen beeinflussen oder strukturelle Veränderungen der Gewebezusammensetzung hervorrufen.
Im Rahmen einer Diabeteserkrankung ist einerseits die Aufnahme von Glucose in die Muskelzelle gestört und andererseits die Aufspaltung von Fetten blockiert. Dem Körper steht dadurch bei Bedarf nicht genug Energie für die Kontraktionen zur Verfügung, was sich durch eine Minderung der Leistungsfähigkeit und eine schnelle Ermüdung der Muskulatur bei Anstrengungen äußert.
Muskeln, die lange Zeit nicht oder wenig benutzt werden und währenddessen vorwiegend in einer angenäherten Position verbleiben, verlieren allmählich ihre Dehnfähigkeit. Zunächst ist dieser Prozess noch reversibel, irgendwann jedoch nicht mehr. Kontraktile Einheiten werden stillgelegt und umgebaut, so dass sie die gleichen Eigenschaften wie Bindegewebe erhalten. Der Muskel verliert damit nicht nur seine Dehnfähigkeit, sondern auch an Kraft.
Calciummangel kann durch eine verminderte Aufnahme durch die Nahrung oder als Folge von Erkrankungen entstehen, die entweder die Aufnahme erschweren oder eine vermehrte Ausscheidung verursachen. Die Folgen für den Muskel können Krämpfe sein, weil zeitweise nicht genügend Calcium für die Lösung der Kontraktion zur Verfügung steht.
Neurologische Erkrankungen, die die Leitung der motorischen Nerven schädigen, haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Muskelaktivitäten. Bei Nervenverletzungen wird das gesamte Nervenkabel oder Teile davon durchtrennt oder druckgeschädigt. Je nach Schweregrad können dann keine oder nur noch wenig Reize zum Muskel gelangen und es entsteht eine komplette oder inkomplette Lähmung.
Bei der Polyneuropathie wird die Isolierschicht der Nervenleitungen geschädigt, die sogenannten Markscheiden. Die elektrischen Informationen, die über dieses System transportiert werden, gehen auf dem Weg zu den Muskeln verloren. Sie können nur noch wenig oder keine Kraft mehr entwickeln. Bei dieser Erkrankung entstehen häufig auch Empfindungsstörungen, da auch die sensiblen Nervenfasern betroffen sind.
Das gleiche gilt für die Multiple Sklerose, die allerdings zusätzlich zu koordinativen Störungen der Muskelaktivität führen kann, da nicht nur die peripheren Nerven, sondern auch das Zentralnervensystem befallen ist.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013