Proopiomelanocortin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Proopiomelanocortin (POMC) ist ein sogenanntes Prohormon, aus welchem über zehn verschiedene aktive Hormone gebildet werden können. Das Prohormon wird in der Adenohypophyse, im Hypothalamus sowie in der Plazenta und den Epithelien synthetisiert, um dort die entsprechenden Hormone zu exprimieren. Ein Mangel an POMC führt zu schwerwiegenden Hormonstörungen im Organismus.
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Was ist Proopiomelanocortin?
Proopiomelanocortin ist ein Protein, welches aus 241 verschiedenen Aminosäuren aufgebaut ist. Als Substanz selber ist es im Organismus unwirksam, weil es nur ein sogenanntes Prohormon darstellt. Als Prohormon kann es jedoch in über zehn wichtige aktive Hormone über verschiedene Zwischenschritte abgebaut werden.
Das geschieht durch den Einfluss von Konvertasen. Die Konvertasen wiederum stellen Enzyme dar, welche die Umwandlungsschritte des Prohormons in aktive Wirkstoffe katalytisch unterstützen. Diese Reaktionen werden als limitierte Proteolyse bezeichnet. Durch komplizierte Regulationsmechanismen im Körper wird nur so viel Proopiomelanocortin umgewandelt, dass eine ausreichende Konzentration der jeweiligen aktiven Zielhormone entsteht. POMC wird über ein Gen auf dem Chromosomenabschnitt 2p23.3 codiert.
Die einzelnen aktiven Peptidhormone werden posttranslational aus dem Prohormon Proopiomelanocortin abgespalten. Ein veränderter Aufbau dieser Hormone wird daher nur über das Gen 2p23.3 vermittelt. Somit hat eine Mutation auf diesem Gen einen großen Einfluss auf die hormonellen Vorgänge im menschlichen Organismus.
Funktion, Wirkung & Aufgaben
Es ist verantwortlich für die Steroidsynthese und regt die Nebennieren zur Bildung von Kortison und Mineralkortikoiden an. Außerdem stimuliert es die Bildung der Sexualhormone wie Testosteron und die Östrogene. Es wird immer bei Stress in größerem Maße gebildet, da es auch für die Bildung des Stresshormons Kortison verantwortlich ist. Die Melanozyten stimulierenden Hormone werden im Hypothalamus und Hypophysenzwischenlappen gebildet und sind verantwortlich für die Aktivierung der Melanocortinrezeptoren. Damit regulieren sie die Bildung von Melanin in den Melanozyten. Des Weiteren regulieren sie die Fieberreaktion und sind beteiligt an der Steuerung des Hungergefühls und der sexuellen Erregung.
Die Melanozyten stimulierende Hormone werden wiederum aus einem Zwischenprodukt beim Abbau von Proopiomelanocortin, dem β-Lipotropin, gebildet. β-Lipotropin selber hat zusätzlich noch Lipid mobilisierende Wirkung. Neben den Melanozyten stimulierenden Hormonen bilden sich aus β-Lipotropin noch γ-Lipotropin und die Endorphine. Die Endorphine besitzen eine schmerzstillende Wirkung und sind unter anderem für das Hungergefühl und die Entwicklung des Glücksgefühls oder der Euphorie durch die Aktivierung der dopaminabhängigen Synapsen verantwortlich. Aus diesem Grund spielt das Prohormon Proopiomelanocortin insgesamt eine große Rolle für die Regulation von Hunger und Sexualität, für die Schmerzempfindung, für das körperliche Energiegleichgewicht, das Körpergewicht und die Stimulation der Melanozyten.
Bildung, Vorkommen, Eigenschaften & optimale Werte
Proopiomelanocortin wird, wie bereits erwähnt, in der Adenohypophyse, im Hypothalamus, den Epithelien und der Plazenta gebildet. Das auch als POMC bezeichnete Prohormon wird von einem Gen auf Chromosom 2 auf dem Chromosomenabschnitt 2p23.3 codiert. Als Prohormon liegt es in einer inaktiven Form vor. Durch Aufspaltung in verschiedene aktive Peptidhormone können unterschiedliche körperliche Funktionen erfüllt werden, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.
Durch Ausfall dieses Prohormons kommt jedoch seine überaus wichtige Funktion für den Organismus zum Ausdruck, da dann gleichzeitig auch die aus Proopiomelanocortin abgespalteten aktiven Hormone fehlen oder funktionelle Störungen aufweisen. POMC wird jedoch nicht gleichzeitig in alle nachfolgenden Peptidhormone umgewandelt. Über komplizierte Regulationsmechanismen werden die einzelnen Reaktionsschritte koordiniert. So ist für die Bildung von ACTH aus POMC in der Adenohypophyse das Corticotropin releasing Hormon (CRH) verantwortlich. Es wird beispielsweise bei Stress aktiv, der mit Krankheit, Emotionen, physischen und psychischen Belastungen oder auch mit Depressionen zusammenhängt.
Krankheiten & Störungen
Ein genetisch verändertes Prohormon kann keine voll funktionsfähigen Peptidhormone abspalten. Ein extremes Krankheitsbild, welches mit einem Mangel an Proopiomelanocortin im Zusammenhang steht, zeichnet sich durch extreme Adipositas aus. Diese Adipositas besteht bereits seit der Geburt. Des Weiteren sind die Haare der Patienten rot gefärbt. Zum Krankheitsbild gehören hypoglykämische Krämpfe, Cholestase und Hyperbilirubinämie. Durch eine extreme Hyperphagie (Fresssucht) infolge der Dysregulation des Hungerzentrums ist eine Gewichtsregulierung nicht möglich. Es entwickelt sich auch eine Nebennierenrindeninsuffizienz, weil sich die Glukokortikoide und Mineralkortikoide nicht mehr ausreichend bilden können.
Insgesamt führt die Erkrankung unbehandelt zum Tod durch Leberversagen. Allerdings wurde dieses extreme Krankheitsbild bisher nur selten beobachtet. Bisher wurden insgesamt zehn Fälle beschrieben. Ursache dieses Syndroms ist der Mangel an POMC durch eine Mutation am Gen 2p23.3. Dieser genetische Defekt wird autosomal rezessiv vererbt. Die Seltenheit dieser Erkrankung ist dadurch bedingt, dass ein vollständiges Fehlen von POMC oder ein schwerer Defekt, der zum Funktionsausfall führt, nicht mit dem Leben vereinbar ist. Deshalb kommt es nur bei wenigen Mutationen in diesem Gen zu lebensfähigen Nachkommen, die aber schwere gesundheitliche Probleme aufweisen.
Differenzialdiagnostisch müssen natürlich mehrere Krankheiten ausgeschlossen werden, die durch nachfolgende Regulationsfehler im Hormonsystem entstehen. Der vollständige Nachweis der Erkrankung kann nur über einen Gentest erfolgen.
Quellen
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Clark, D.P.: Molecular Biology: Das Original mit Übersetzungshilfen. Spektrum Akademischer Verlag., Heidelberg 2006
- Marischler, C.: BASICS Endokrinologie. Urban & Fischer, München 2013