Gehirnentwicklung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Während der Embryogenese, in der das Kind im Mutterleib heranwächst, bilden und differenzieren sich auch die Anlagen des Gehirns. Dabei ist von der Gehirnentwicklung die Rede. Diese setzt sich auch nach der Geburt noch fort. Treten Störungen bei der Gehirnentwicklung ein, kann dies zu schweren Problemen führen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Gehirnentwicklung?

Die Gehirnentwickelung setzt sich nach der Geburt weiter fort. Neugeborene besitzen mit 100 Milliarden Neuronen im Gehirn bereits die Mehrheit der benötigten Neuronen.

Die Entwicklung des Gehirns lässt sich grob in die embryonale und die postnatale Gehirnentwicklung einteilen. In der Embryonalzeit entwickeln sich die Gewebestrukturen des Nervensystems durch Prozesse der Zelldifferenzierung und Spezialisierung. Neugeborene besitzen damit ausgebildete Gewebe, die das Gehirn und das Nervensystem ausmachen.

Die Gehirnentwickelung setzt sich nach der Geburt weiter fort. Neugeborene besitzen mit 100 Milliarden Neuronen im Gehirn bereits die Mehrheit der benötigten Neuronen. Trotzdem wiegt das Gehirn eines Säuglings nur rund ein Viertel von dem Gehirn eines Erwachsenen. Postnatal finden im Gehirn vor allem Verdickungsprozesse bestimmter Nervenfasern statt. Außerdem werden Verbindungen geknüpft.

Bis in die Pubertät macht das Gehirn solcherlei strukturierende Entwicklungen durch. Auch danach ist das Gehirn aber kein statisches Organ, sondern entwickelt sich im Rahmen der neuronalen Plastizität immer weiter. Synapsen verändern sich in Abhängigkeit von der Art und Weise, wie sie vom Einzelnen verwendet werden. Verknüpfungen werden wieder gelöst. Neue Verknüpfungen werden aufgebaut. Derartige Prozesse sind wichtige Phänomene innerhalb aller Lernprozesse. Spielen und abwechslungsreiche Erfahrungen fördern daher vielfältige Verknüpfungen innerhalb des Gehirns.

Das Gehirn ist das komplexeste Organ des Menschen und hat sich phylogenetisch aus einfachen Vorstufen entwickelt. Ontogenetisch gesehen ist das Gehirn im Laufe eines menschlichen Lebens permanent Veränderungen ausgesetzt, die bei der Entstehung im Mutterleib beginnen und bis zum Tod vorhalten.

Funktion & Aufgabe

Die Entwicklung des Gehirns und Nervensystems beginnt in der dritten Schwangerschaftswoche. Innerhalb der fünf nächsten Entwicklungswochen werden Gehirn und Rückenmark als neuronale Strukturen bei der Neurulation voll angelegt. In der darauffolgenden Zeit bilden sich durch Zellteilung Unmengen an Nervenzellen, die zum Teil vor der Geburt wieder abgebaut werden. Noch im Mutterleib erreichen erste Informationen das embryonale Gehirn, so zum Beispiel durch die Sprache der Eltern oder durch Musik.

Mit der Geburt sind rund 100 Milliarden Neuronen im Gehirn vorhanden. Das Gehirn nimmt im Säuglingsalter allerdings stark an Gewicht und Größe zu, da erste Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen geknüpft werden und sich viele Nervenfasern verdicken. Das Dickenwachstum entspricht einer Ummantelung der Nervenfasern, die eine höhere Signalleitfähigkeit zur Folge hat. Der Säugling kann nach Abschluss des Dickenwachstums Reize aus der Umwelt schneller wahrnehmen und umso schneller auf sie reagieren.

Beim Säugling sind in diesem Zusammenhang vor allem Reflexe relevant, die dem Rückenmark entspringen. Erst nach rund sechs Monaten erreicht das Gehirn eine Entwicklungsphase, die das Baby zur Kontrolle von Oberkörper und Gliedmaßen befähigt. Etwas später sind im Gehirn auch die Steuerzentralen für die Beine voll entwickelt.

In der Kleinkindphase setzt sich die Gehirnentwicklung rasant vor. Mit etwa zwei Jahren gelangen viele Nervenfasern im Rückenmark, im Nachhirn und im Kleinhirn zu ihrer endgültigen Stärke und die komplexe Koordination der Bewegungen wird langsam möglich. Das Kleinkind kann mittlerweile gehen, laufen und Gegenständen aufnehmen.

Ab dem dritten Lebensjahr nimmt im Gehirn die Zahl der Synapsen zu. Erst ab diesem Alter wird ein hochkomplex angelegtes Neuronennetz gebildet, das jede Nervenzelle mit anderen Neuronen (Nervenzellen) verbindet. Die Zahl der Synapsen übersteigt vom dritten bis zehnten Lebensjahr die eines Erwachsenen um das Doppelte. Bis zum Jugendalter verringern sich die Synapsen wieder, indem sich kaum genutzte Verbindungen zurückbilden. Ab der Pubertät ändert sich an der Gesamtanzahl der Synapsen kaum mehr etwas.

Dass Kleinkinder eine weitaus größere Synapsenzahl besitzen, spricht für ihre Anpassungs- und Lernfähigkeit. Welche Synpasen bestehen bleiben, hängt von den erlernten Fertigkeiten ab. Was das Kind bislang erfahren oder erlebt und erlernt hat, nimmt einen Einfluss auf die Gehirnstrukturen.

Auch die Entwicklung der Erinnerungsfähigkeit ist ein Teil der Gehirnentwicklung. Das Langzeitgedächtnis entwickelt sich zum Beispiel erst ab sechs Jahren. In diesem Alter entstehen in der vorderen Großhirnrinde das logische Denken, die Rechenfähigkeit und die sozial angemessene Verhaltensfähigkeit.

Ab dem zehnten Lebensjahr entspricht die Gehirnentwicklung einer Optimierung, was die bis dahin entwickelten Fähigkeiten und Gedächtnisleistungen betrifft. Bis zum Tod kann sich das Gehirn in Maßen umstrukturieren und dazulernen. Das Gehirn ist bis ins Alter ein flexibles und anpassungsfähiges Organ.


Krankheiten & Beschwerden

Die embryonale Gehirnentwicklung ist die Basis der Gehirnentwicklung. Gerade in dieser Zeit sind die neuronalen Strukturen des Organs allerdings anfällig gegenüber Einflüssen von außen. Aus diesem Grund reagiert das embryonale Gehirn während der gesamten Schwangerschaft äußerst empfindlich auf toxische Einflüsse wie Alkoholkonsum, Nikotin, Strahlungen oder Nährstoffmangel. Auch bestimmte Erkrankungen der Mutter können eine Schädigung des fetalen Gehirns bedingen. Dementsprechend viele Embryopathien gibt es. Als Alkoholembryopathie bezeichnet die Medizin zum Beispiel Missbildungen, die sich aufgrund von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gebildet haben. In vielen Fällen ist das Gehirn mit betroffen, da es mitunter am sensibelsten auf Gifte reagiert.

Auch genetische Faktoren können die embryonale Gehirnentwicklung negativ beeinflussen. Bei vielen genetischen Mutationen ist das Gehirn mit betroffen, was zum Beispiel eine geistige Behinderung zur Folge haben kann.

Da sich auch nach der Geburt noch Entwicklungsprozesse im Gehirn abspielen, kann allerdings auch ein falscher Umgang mit dem Kleinkind weitreichende Konsequenzen haben. Wenn Kleinkinder zum Beispiel nicht ausreichend Möglichkeiten haben ihre Neugierde auszuleben, bilden sich nachweislich weniger Synapsen in ihrem Gehirn.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist die Gehirnentwicklung im Sinne der Zellentwicklung endgültig abgeschlossen. Die Nervenzellen des Gehirns weisen die höchste Spezialisierung aller Körperzellen auf. Aus diesem Grund gilt das Gehirn nur eingeschränkt als regenerationsfähig. Wenn im Rahmen von Traumata, Entzündungen, Infektionen oder neurologischen Erkrankungen und Degenerationen Nervenzellen des Gehirns beschädigt werden, liegt meist ein bleibender Defekt in diesen Zellen vor.

Weil das Gehirn jedoch ein flexibles Organ ist, können intakte Regionen oft die Aufgaben von beschädigten Regionen übernehmen. Dieser Zusammenhang lässt sich zum Beispiel an Schlaganfallpatienten nachvollziehen, die das Laufen und Sprechen wieder lernen.

Quellen

  • Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
  • Michaelis, R., Niemann, G.W.: Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Upledger, J. E.: Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und Zentralen Nervensystems: a brain is born. Haug, Stuttgart 2003

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