Retrograde Peristaltik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der retrograden Peristaltik handelt es sich um eine Muskelbewegung von Hohlorganen wie Speiseröhre, Magen, Darm, Harnleiter, Gebärmutter und Eileiter. Sie transportieren bei dieser Bewegung ihren Inhalt aktiv entgegen der physiologischen Richtung. Die retrograde Peristaltik hat eine schützende Funktion und tritt physiologisch beim Darm auf, um Stuhl zu speichern.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die retrograde Peristaltik?

Bei der retrograden Peristaltik handelt es sich um eine Muskelbewegung von Hohlorganen wie z.B. dem Darm.

Die Medizin beschreibt mit der retrograden Peristaltik eine spezifische Transportbewegung von Speiseröhre, Magen, Dickdarm oder Harnleiter, sowie Gebärmutter oder Eileiter bei Frauen. Diese Strukturen nennt die Anatomie Hohlorgane, da sie keine durchgehende kompakte Zellmasse bilden und stattdessen einen Innenraum umfassen. Dieser Hohlraum ist auch als Lumen bekannt; ein hautähnliches Deckgewebe (Epithel) überzieht die Innenseite des Hohlraums, während sich in den äußeren Schichten glatte Muskulatur befindet.

Bei der Peristaltik kontrahieren diese Muskeln und zwingen den Inhalt des Hohlorgans dadurch, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Nerven des vegetativen Nervensystems steuern die glatte Muskulatur, die der Mensch nicht willkürlich kontrollieren kann.

Die Medizin nennt den Transport in normaler Richtung auch orthograde Peristaltik. Die retrograde Peristaltik hingegen beschreibt den Transport in umgekehrte Richtung und trägt daher auch den Namen Antiperistaltik.

Funktion & Aufgabe

Glatte Muskulatur umschließt Hohlorgane. Ihr Name erinnert an die ebene Oberfläche der Muskulatur: Ihr fehlen die quer verlaufenden Muskelstreifen, die für die quergestreifte Muskulatur charakteristisch sind. Im Vergleich zu ihr verbraucht die glatte Muskulatur weniger Energie und Sauerstoff, arbeitet jedoch langsamer.

Der Parasympathikus steuert die retrograde Peristaltik. Beim Parasympathikus handelt es sich um einen Teil des vegetativen Nervensystems. Es kontrolliert unwillkürliche Prozesse, die vom Individuum nicht willentlich in Gang gesetzt oder unterbrochen werden können. Diese Vorgänge sind hochgradig automatisiert und beanspruchen dadurch nur sehr geringe Kapazitäten des Gehirns. Die Aktivierung des Sympathikus, dem aktivierenden Teil des Nervensystems, hemmt in der Regel die Peristaltik.

Doch der Parasympathikus ist nicht allein für die retrograde Peristaltik verantwortlich: Vor allem in Magen und Harnleiter lösen auch Eigenreflexe der Organe die Transportbewegung aus. Bei der Peristaltik zieht sich die glatte Muskulatur eines Hohlorgans ringförmig zusammen und verengt dadurch das Lumen. Die Einschnürung zwingt den Inhalt, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen – bei der retrograden Peristaltik entgegen der physiologischen Richtung. Die Kontraktion setzt sich in der Transportrichtung fort und schiebt den Inhalt des Hohlorgans dadurch Stück für Stück in die gewünschte Richtung.

Die retrograde Peristaltik der Speiseröhre und des Magens kommt vor allem beim Erbrechen zum Einsatz. Die Speiseröhre transportiert den Speisebrei aktiv, um nicht zu verschließen. Auch können dadurch kleinere Reste aus der Speiseröhre entfernt werden. Auf diese Weise schützt sich die Speiseröhre vor Reizungen und ernsthaften Schäden durch die Magensäure. Verbleibende Speisereste bilden zudem ein potenzielles Infektionsrisiko.

Im Dünn- und Dickdarm befördert die Peristaltik in physiologischer Richtung den Darminhalt zum Rektum. Die Bewegungen des Dickdarms sind jedoch nicht kontinuierlich; sie treten phasenweise auf. Das Verdauungssystem eines gesunden Menschen durchläuft ein bis drei solcher Bewegungsperioden pro Tag. Ihre Anzahl hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel der physischen Aktivität der Person oder dem Ballaststoff-Anteil der Nahrung.

Die retrograde Peristaltik ermöglicht es dem Dickdarm, vorübergehend Stuhl zu speichern. Sie wird nicht nur vom Parasympathikus ausgelöst, sondern auch vom lokalen peristaltischen Reflex des Darms.

Bei Frauen dient die Peristaltik der Beförderung der Eizelle im Eileiter. Des Weiteren unterstützt die Peristaltik der Gebärmutter den Abbau und Abtransport der Schleimhaut im Rahmen der Menstruation. Außerdem spielt sie eine wichtige Rolle im Geburtsprozess.


Krankheiten & Beschwerden

Im Normalfall führt die Peristaltik des Dickdarms zu bis zu drei Darmentleerungen pro Tag, abhängig von körperlicher Aktivität, Ballaststoffgehalt der Nahrung, Konsum darmstimulierender Substanzen und anderen Faktoren. Darüber hinaus spielen auch psychogene Einflüsse bei der Häufigkeit der Peristaltik eine Rolle. Die Medizin spricht von einer Verstopfung (Obstipation), wenn sich der Darm weniger als ein Mal in drei Tagen entleert. Häufige Symptome einer Verstopfung sind z.B. Schmerzen im Unterbauch, unnatürliches Völlegefühl, druck- und bewegungsabhängige Schmerzen, Blähungen und der Eindruck unvollständiger Entleerung beim Stuhlgang.

Längerfristige Obstipation stellt aus verschiedenen Gründen ein Risiko dar: Der Stuhl kann den Darm physiologisch verstopfen und im Extremfall den Darm vollständig verschließen; die Darmwände können durch verhärteten Stuhl mechanischen Schaden nehmen und sogar reißen. In einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass Exkremente in den Bauchraum gelangen, in dem sich zahlreiche Organe befinden. Eindringende Bakterien und Verschmutzungen können dann Infektionen hervorrufen, die sowohl das Gewebe zwischen den Organen als auch die Organe selbst befallen können. Die retrograde Peristaltik des Dickdarms kann dies bis zu einem gewissen Grad verhindern.

Auch die retrograde Peristaltik des Magens nimmt eine schützende Funktion wahr. Verzehrt eine Person potenziell giftige Substanzen, kann der Körper eine Reihe von Reflexen und unwillkürlichen Reaktionen in Gang setzen. Über den Würgreflex und die Antiperistaltik kann der Organismus Erbrechen herbeiführen. Die Muskulatur des Magens zieht sich dabei zusammen und verringert das Volumen des Magens so stark, dass sein Inhalt hinaus drängt. Die Kontraktion der Speiseröhren-Muskeln unterstützt ebenfalls den Transport der möglichen Giftstoffe aus dem Körper hinaus. Die aktive Transportbewegung ist noch wichtiger als bei der orthograden Peristaltik, da sie den Speisebrei sowohl gegen der Normalrichtung als auch gegen die Schwerkraft transportieren muss.

Quellen

  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013

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