Beruhigungsmittel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beruhigungsmittel sind solche Arzneimittel, die eine dämpfende Wirkung auf die verschiedenen Funktionen des zentralen Nervensystems haben und dadurch eine beruhigende Wirkung auf den Körper ausüben. Ab einer gewissen Dosierung ist hierbei der Übergang zur Sedierung, also die Narkose, fließend, daher sollte eine Einnahme immer mit Bedacht erfolgen. Beruhigungsmittel sind abzugrenzen von Schlafmitteln.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Beruhigungsmittel?

Beruhigungsmittel sind solche Arzneimittel, die eine beruhigende Wirkung auf den Körper ausüben. Baldrian ist ein sehr bekanntes pflanzliches Beruhigungsmittel.

Beruhigungsmittel, auch Sedativa genannt, sind eine Klasse von Medikamenten, die darauf abzielen, Angst und Spannung zu reduzieren, Schlaf zu fördern oder übermäßige Erregung zu dämpfen. Sie wirken, indem sie auf das zentrale Nervensystem (ZNS) einwirken, um dessen Aktivität zu verlangsamen, was zu einem Zustand der Beruhigung oder Entspannung führt.

Es gibt verschiedene Kategorien von Beruhigungsmitteln, die je nach chemischer Struktur und Wirkungsweise unterschieden werden. Zu den häufigsten gehören:

  • Benzodiazepine: Diese Gruppe von Medikamenten wird häufig zur kurzfristigen Behandlung von Angstzuständen, Panikattacken, Schlafstörungen und manchmal auch zur Muskelentspannung verwendet. Beispiele sind Diazepam (Valium), Lorazepam (Ativan) und Alprazolam (Xanax). Sie wirken durch Verstärkung der Wirkung des Neurotransmitters GABA, was zu einer beruhigenden Wirkung führt.
  • Barbiturate: Früher häufig zur Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen eingesetzt, sind sie wegen ihres hohen Risikos für Abhängigkeit und schwerwiegende Nebenwirkungen heute weniger verbreitet. Sie werden nur noch in speziellen medizinischen Situationen oder in der Anästhesie verwendet.
  • Nicht-benzodiazepine Schlafmittel: Diese Medikamente, oft als „Z-Drugs“ bezeichnet, wie Zolpidem (Ambien), werden hauptsächlich zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Sie ähneln in ihrer Wirkungsweise den Benzodiazepinen, haben jedoch ein potenziell geringeres Risiko für Abhängigkeit.

Beruhigungsmittel können effektiv sein, bergen jedoch auch Risiken wie Abhängigkeit, Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen. Daher ist es wichtig, sie nur unter ärztlicher Aufsicht und in Übereinstimmung mit medizinischen Anweisungen zu verwenden. Sie sind nicht für die langfristige Anwendung gedacht, und die Behandlung sollte regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin angemessen und sicher ist.

Geschichte und Entwicklung

Die Geschichte der Beruhigungsmittel reicht weit zurück und spiegelt den menschlichen Wunsch wider, Angstzustände und Schlafprobleme zu bewältigen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die verwendeten Substanzen und deren Anwendung erheblich weiterentwickelt.

Bis ins 19. Jahrhundert nutzte man vor allem natürliche Substanzen wie Opium, Alkohol und pflanzliche Extrakte, zum Beispiel von Baldrian und Hopfen, um beruhigende Effekte zu erzielen. Diese Mittel waren allerdings oft unzuverlässig in ihrer Wirkung und das Potenzial für Missbrauch und Abhängigkeit war groß.

Die moderne Ära der Beruhigungsmittel begann mit der Synthese von Barbituraten im späten 19. Jahrhundert. 1903 wurde mit Barbital das erste kommerziell erfolgreiche Barbiturat eingeführt, gefolgt von Phenobarbital im Jahr 1912. Diese Medikamente dominierten die Anxiolyse und die Behandlung von Schlafstörungen für viele Jahrzehnte. Allerdings hatten Barbiturate erhebliche Nachteile, einschließlich hohem Abhängigkeitspotenzial und Risiko schwerer Überdosierung.

In den 1960er Jahren wurden Benzodiazepine als sicherere Alternative zu Barbituraten eingeführt. Medikamente wie Diazepam (Valium) und später Alprazolam (Xanax) wurden schnell populär, da sie effektiv Angstzustände reduzierten und ein geringeres Risiko für tödliche Überdosierungen boten.

Heute konzentriert sich die Entwicklung neuer Beruhigungsmittel darauf, noch sicherere und spezifischere Medikamente zu finden, die weniger Nebenwirkungen und geringeres Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Diese Forschung beinhaltet auch nicht-benzodiazepine Schlafmittel und alternative Ansätze wie die Modulation anderer Neurotransmittersysteme jenseits des GABA-Systems.

Beruhigungsmittel gegen Angst & Stress

Beruhigungsmittel können bei vielen körperlichen oder psychischen Störungen, die eine Unruhe mit sich bringen, zum Einsatz kommen. Eine kurzfristige Verwendung von Beruhigungsmitteln kann bei beruflichen Stress erfolgen, um die Leistungsfähig zu erhalten. Kurzfristig kann dadurch eine Verbesserung der Lebenssituation erreicht werden, langfristig sollte jedoch der Stress behoben werden.

Auch in Fällen von Prüfungs- oder Flugangst können Beruhigungsmittel vorübergehend hilfreich sein. Es sollte jedoch auf keinen Fall eine längere Einnahme von einem solchen Beruhigungsmittel erfolgen. Im Falle eines größeren medizinischen Eingriffes werden dem Patienten zumeist vor Beginn des Eingriffs Beruhigungsmittel zur Reduzierung der Stressbelastung verabreicht.

Nach Unfällen mit anschließenden Verspannungen und dadurch bedingten Schmerzzuständen kann eine kurzfristige Gabe von einem Beruhigungsmittel krampflösend und muskelentspannend wirken.

Bei psychischen Problemen werden Beruhigungsmittel insbesondere bei Spannungs-, Angst- und Erregungszuständen eingesetzt. Aber auch bei Phobien und psychosomatischen Störungen kann durch die Verabreichung von einem Beruhigungsmittel eine Verbesserung des Zustandes erreicht werden. Da Beruhigungsmittel auch eine schlaffördernde Wirkung haben, finden sie auch bei Schlafstörungen häufig Verwendung. Siehe hierzu aber den Artikel: Schlafmittel und Schlafstörungen.

Pflanzliche, natürliche & chemische Beruhigungsmittel

Man unterscheidet grundsätzlich in Beruhigungsmittel auf chemisch-synthetischer und auf pflanzlicher-natürlicher Basis. Auf der chemisch-synthetischen Basis sind die Benzodiazepine die am häufigst verwendeten. Diese sind jedoch zumeist sehr stark und haben mehr Nebenwirkungen. Weitere wichtige künstlich hergestellte Beruhigungsmittel sind Neuroleptika, Betablocker und Antidepressiva.

Die pflanzlichen und natürlichen Beruhigungsmittel gibt es zumeist in Tabletten- oder Kapselform. Da die Wirkstoffe jedoch auch wasserlöslich sind, ist auch die Darreichungsform als Tee sehr beliebt. Die bekanntesten pflanzlichen Beruhigungsmittel sind Baldrian, Hopfen, Johanniskraut und Melisse.

Auch im Bereich der Homöopathie kommen Beruhigungsmittel zum Einsatz. Hier finden Tropfen oder Globuli von Acidum phosphoricum, Arnica oder Argentum nitricum Verwendung. Bei der Bachblütentherapie kommen Essenzen von Ulme, Lärche, Olive oder Eiche als Beruhigungsmittel in Betracht.

Der Übergang zwischen den pflanzlichen und den chemisch-synthetischen Beruhigungsmitteln ist jedoch fließend, da die Wirkstoffe häufig sehr ähnlich sind. Eine weitere Unterscheidung der Beruhigungsmittel kann in Höhe des Wirkstoffes, Schnelligkeit der Wirkung, Art der Verstoffwechselung, Wirkdauer und Abbauart im Körper erfolgen.


Risiken & Nebenwirkungen

Beruhigungsmittel haben jedoch, in Abhängigkeit vom Wirkstoff und der Stärke, viele verschiedenen Nebenwirkungen und bringen einige Risikofaktoren mit sich. Da der Körper sich mit der Zeit an die verwendeten Beruhigungsmittel gewöhnt, kann eine Abhängigkeit erfolgen.

Des Weiteren verlangsamen sie die Atmung und senken den Blutdruck. Auch bringen Beruhigungsmittel des öfteren Müdigkeit und Schwindel mit sich und können zu Kopfschmerzen führen.

Ein weiterer unerwünschter Nebeneffekt ist, dass sich der Patient nach der Einnahme von Beruhigungsmitteln benommen fühlen kann und unter Verwirrung leidet. Auch Niedergeschlagenheit tritt oft in Verbindung mit der Einnahme von Beruhigungsmitteln auf.

Da Beruhigungsmittel die Reaktionsfähigkeit verlangsamen ist das Führen von Fahrzeugen und Maschinen nicht anzuraten. Auch die sexuellen Bedürfnissen können bei einer längerfristigen Einnahme von Beruhigungsmitteln zurückgehen.

Aufgrund der Risiken und Nebenwirkungen sollte zumindest eine längerfristige Einnahme von Beruhigungsmittel jeglicher Art nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Alternativen

Neben traditionellen Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen und Barbituraten gibt es verschiedene alternative Medikamente und Therapieformen zur Behandlung von Angstzuständen und Schlafproblemen, die oft weniger Risiken in Bezug auf Abhängigkeit und Nebenwirkungen bergen.

1. Antidepressiva: Speziell Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs) werden häufig zur Behandlung von Angststörungen verwendet. Diese Medikamente regulieren Neurotransmitter im Gehirn, was zu einer Stimmungsverbesserung und Angstreduktion führen kann. Im Vergleich zu Beruhigungsmitteln haben sie ein geringeres Abhängigkeitsrisiko, benötigen jedoch oft mehrere Wochen, bis ihre volle Wirkung eintritt.

2. Buspiron: Ein Anxiolytikum, das speziell zur Behandlung von chronischer Angst eingesetzt wird. Es ist nicht sedierend und hat ein geringeres Abhängigkeitspotenzial im Vergleich zu Benzodiazepinen, was es zu einer guten Langzeitoption für viele Patienten macht.

3. Beta-Blocker: Obwohl sie hauptsächlich zur Behandlung von Herzerkrankungen verwendet werden, können Beta-Blocker auch zur Linderung von körperlichen Symptomen der Angst, wie zitternde Hände oder Herzrasen, eingesetzt werden. Sie wirken, indem sie die Wirkung von Adrenalin blockieren.

4. Psychotherapie: Therapeutische Ansätze wie die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) sind effektiv in der Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen. Sie helfen Patienten, die Ursachen ihrer Angst zu verstehen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, was eine dauerhafte Lösung ohne Medikamente bieten kann.

5. Natürliche Heilmittel und Ergänzungen: Substanzen wie Melatonin, Baldrianwurzel und Passionsblume werden oft als natürliche Schlafhilfen oder zur Angstreduktion verwendet. Diese Mittel haben in der Regel ein geringeres Risiko für Nebenwirkungen und Abhängigkeit, ihre Wirksamkeit kann jedoch von Person zu Person variieren.

Diese Alternativen bieten unterschiedliche Ansätze zur Behandlung von Angst und Schlafproblemen, wobei jeder seine eigenen Vor- und Nachteile hat. Die Wahl der Behandlung sollte individuell angepasst werden und kann oft eine Kombination aus medikamentöser Therapie und Psychotherapie umfassen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Forschung & Zukunft

In der aktuellen Forschung zu Beruhigungsmitteln konzentrieren sich die Wissenschaftler auf die Entwicklung sichererer, effektiverer und spezifischerer Behandlungen, die weniger Nebenwirkungen und ein geringeres Abhängigkeitsrisiko bieten. Einige der vielversprechenden Trends und Ansätze umfassen:

1. Target-spezifische Medikamente: Forscher arbeiten daran, Medikamente zu entwickeln, die spezifischere Ziele im Gehirn ansprechen. Dies könnte zu Beruhigungsmitteln führen, die die gewünschten therapeutischen Effekte erzielen, ohne die üblichen Nebenwirkungen wie Sedierung oder Suchtpotenzial. Zum Beispiel könnten Medikamente, die selektiv auf Subtypen von GABA-Rezeptoren abzielen, Angstzustände lindern, ohne die motorischen Fähigkeiten oder das Bewusstsein zu beeinträchtigen.

2. Modulation von Neuropeptiden: Neueste Entdeckungen zeigen, dass Neuropeptide wie Neuropeptid Y (NPY) und Corticotropin-releasing Factor (CRF) eine Rolle bei der Regulierung von Angst und Stress spielen. Medikamente, die diese Peptide oder ihre Rezeptoren modulieren, könnten neue, effektive Behandlungsoptionen für Angststörungen bieten.

3. Verbesserung der Chronopharmakologie: Forscher untersuchen auch, wie Medikamente zu bestimmten Tageszeiten verabreicht werden können, um ihre Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren. Dies könnte besonders relevant sein für Schlafmittel, indem sie so formuliert werden, dass sie den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers unterstützen.

4. Alternative und ergänzende Therapien: Es gibt ein zunehmendes Interesse an der Integration von alternativen Methoden wie der Kräutermedizin, Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Cannabidiol oder CBD) und psychologischen Therapien in die Behandlungspläne. Diese Methoden könnten helfen, die Dosis und Abhängigkeit von traditionellen Beruhigungsmitteln zu reduzieren.

5. Nutzung von Big Data und künstlicher Intelligenz: Durch den Einsatz von Big Data-Analysen und KI in der medizinischen Forschung könnten Muster identifiziert werden, die zur Entwicklung von personalisierten Medikamenten und Behandlungsplänen führen, die auf die spezifischen biologischen und genetischen Profile der Patienten zugeschnitten sind.

Diese Trends spiegeln das Bestreben wider, die Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen zu verbessern, indem sie sicherere, individuellere und integrative Ansätze bieten, die das Wohlbefinden der Patienten in den Mittelpunkt stellen.

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