Artemisinin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der sekundäre Pflanzenfarbstoff Artemisinin aus den Blüten und Blättern des einjährigen Beifußes wird zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Das Medikament kommt vor allem in Gebieten zum Einsatz, in denen andere Malaria-Mittel gegen multiresistente Erreger wirkungslos sind. Das Heilmittel wird bereits in der Jahrtausende alten traditionellen chinesischen Medizin erwähnt.
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Was ist Artemisinin?
Artemisinin gehört zur Stoffklasse der Sesquiterpene. Diese im Pflanzenreich recht verbreiteten chemischen Verbindungen sind aus drei Isopren-Einheiten aufgebaut. Das aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua) gewonnene Medikament enthält, neben einem Trioxanringsystem, auch eine pharmakologisch entscheidende Peroxidbrücke.
1971 isoliert und beschrieb die Chinesin Tu Youyou erstmals den Wirkstoff und bewies in den Folgejahren seine positiven Effekte im Kampf gegen Malaria tropica. Denn Artemisinin ist ein sehr schnell und verlässlich wirkendes Medikament. Das Heilmittel lässt sich aus den getrockneten Blättern und Blüten der in China, Vietnam und Ostafrika angebauten Pflanzen extrahieren.
Da dieses Verfahren recht teuer und aufwendig ist, wird Artemisinin nun auch biotechnologisch mithilfe gentechnisch veränderter Hefen gewonnen. Da Artemisinin selber recht instabil ist, werden in Medikamenten meist seine halbsynthetischen Derivate Artesunat, Artemotil, Artemether und andere genutzt.
Pharmakologische Wirkung
Zwar ist der genaue Wirkmechanismus von Artemisinin bisher (2015) noch nicht bekannt. Doch gehen Wissenschaftler davon aus, dass die recht ungewöhnliche Peroxidstruktur entscheidend ist. Denn diese zerfällt in freie Radikale, wenn sie auf eine große Anzahl von Eisenionen trifft.
Nicht nur die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) des Menschen enthalten viel Eisen, sondern ebenso die Malaria-auslösenden Plasmodien. Denn diese Parasiten werden von der Anopheles-Mücke auf den Menschen übertragen und besiedeln hier die roten Blutkörperchen. Befallen nun die einzelligen Krankheitserreger einen Erythrozyten, so ernähren sie sich von dem Blutfarbstoff Hämoglobin. Da sie hierbei das enthaltene Eisen anreichern, können die freien Radikale des Medikaments die Plasmodien abtöten.
Untersuchungen weisen darauf hin, dass Artemisinin außerdem einen spezifischen Calciumtransporter in der Zellmembran der Einzeller hemmt. Möglicherweise kann Artemisinin außerdem auf ähnliche Weise Krebszellen abtöten. Denn auch diese enthalten hohe Konzentrationen an Eisen. Erste Versuche mit Zellkulturen bestätigen diese Theorie. Ebenso scheint das Arzneimittel gegen die tropische Infektionskrankheit Bilharziose (Schistosomiasis) wirksam zu sein.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Einsatz von Artemisinin oder seinen Derivaten vor allem in Ländern, in denen andere Medikamente aufgrund bekannter multiresistenter Stämme von Plasmodium falciparum unwirksam sind. Galt Artemisinin lange Zeit als sehr wirkungsvoll, so sind mittlerweile allerdings aus mehreren Ländern Krankheitserreger bekannt, die durch Mutationen auch widerstandsfähig gegenüber dem Wirkstoff sind.
Um einer zunehmenden Resistenz gegen Artemisinin vorzubeugen, sollte daher immer eine Kombinationstherapie mit anderen Malaria-Medikamenten erfolgen. Diese Behandlung wird oft mit ACT (Artemisinin-based combination therapy) abgekürzt. Aufgrund der geringen Halbwertzeit müssen die Tabletten über mehrere Tage in festgelegten Abständen eingenommen werden. Die Dosierung bei Kindern richtet sich nach dem Körpergewicht.
Bei der schweren Form der Malaria tropica kann das Derivat Artesunat direkt in die Vene oder den Muskel injiziert werden. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen gilt dieses Medikament im Notfall als Mittel der Wahl. Ob auch ein Tee aus Artemisia annua ausreichend gegen Plasmodien wirkt, ist unter Wissenschaftlern umstritten.
Verabreichung & Dosierung
Artemisinin ist ein Wirkstoff, der hauptsächlich zur Behandlung von Malaria eingesetzt wird. Bei der Verabreichung und Dosierung von Artemisinin müssen mehrere wichtige Aspekte beachtet werden, um Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Zunächst ist die Dosierung von Artemisinin abhängig vom spezifischen Zustand des Patienten, dem Gewicht und dem Schweregrad der Malaria-Infektion. Die Standardbehandlung erfolgt oft in Kombination mit anderen Medikamenten, um die Wirksamkeit zu erhöhen und die Resistenzbildung zu vermeiden. Zu den gängigen Kombinationen gehört die Artemisinin-basierte Kombinationstherapie (ACT), die Artemether-Lumefantrin oder Artesunat-Amodiaquin umfassen kann.
Die Verabreichung erfolgt oral, intravenös oder intramuskulär, abhängig vom Zustand des Patienten und der Verfügbarkeit der Medikamente. Bei schweren Malariafällen, insbesondere bei zerebraler Malaria, wird oft eine intravenöse Verabreichung bevorzugt.
Eine genaue Einhaltung der Dosierungsanweisungen ist entscheidend. Zu niedrige Dosen können die Entwicklung von Resistenzen fördern, während zu hohe Dosen toxische Effekte haben können. Die Behandlung beginnt typischerweise mit einer höheren Dosis, die dann über mehrere Tage reduziert wird.
Wichtig ist auch die Überwachung des Patienten während der Behandlung, um Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel oder allergische Reaktionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Die Therapie sollte immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, da die Selbstmedikation und unsachgemäße Anwendung schwerwiegende gesundheitliche Risiken bergen können. Zudem muss auf die Lagerung des Medikaments geachtet werden, da Artemisinin und seine Derivate licht- und feuchtigkeitsempfindlich sind.
Risiken & Nebenwirkungen
Artemisinin und seine halbsynthetischen Derivate sind in den Dosierungen, die Malaria bekämpfen, von Kindern und Erwachsenen gut verträglich. Treten Nebenwirkungen auf, so ähneln diese in vielen Fällen den typischen Malaria-Symptomen. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Schwindelgefühle.
Ebenso kann der Herzschlag sich erhöhen. Gelenk- und Muskelschmerzen, Müdigkeit und Schlafprobleme sind ebenfalls möglich. Auch kommen manchmal als Folge der Einnahme leichte Blutanomalien vor. Selten treten gefährliche allergische Reaktionen gegen das Medikament auf. Dies kann sich durch Ausschlag, Schwellungen, Atemnot oder Schluckbeschwerden zeigen. Gleichzeitig mit Artemisinin eingenommene Eisenpräparate können zu Wechselwirkungen führen.
Durch die Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten können sich verschiedene Nebenwirkungen verstärken. Dennoch rät die WHO dringend dazu, auf Monotherapien allein mit Artemisinin zu verzichten. Durch Resistenzen kann das Medikament sonst unwirksam werden.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Artemisinin gibt es mehrere Kontraindikationen, die berücksichtigt werden müssen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Eine der Hauptkontraindikationen ist die Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Artemisinin oder seine Derivate. Patienten, die auf diese Substanzen allergisch reagieren, sollten Artemisinin nicht verwenden.
Schwangere Frauen, insbesondere im ersten Trimester, sollten Artemisinin und seine Derivate mit Vorsicht verwenden, da es Hinweise auf mögliche Risiken für den Fötus gibt. Obwohl in vielen Fällen die Vorteile der Malariabehandlung die Risiken überwiegen, sollte die Anwendung sorgfältig abgewogen und überwacht werden.
Bei Patienten mit schweren Leber- oder Nierenerkrankungen sollte Artemisinin ebenfalls vorsichtig eingesetzt werden. Die Metabolisierung und Ausscheidung des Wirkstoffs kann bei diesen Patienten beeinträchtigt sein, was zu einer erhöhten Toxizität führen kann. In solchen Fällen ist eine genaue Überwachung der Organfunktion und gegebenenfalls eine Anpassung der Dosierung notwendig.
Zusätzlich sollten Patienten, die bestimmte Herzrhythmusstörungen haben oder Medikamente einnehmen, die das QT-Intervall verlängern, Artemisinin nur unter strenger ärztlicher Überwachung verwenden. Es besteht das Risiko, dass Artemisinin das QT-Intervall verlängern und dadurch das Risiko schwerwiegender Herzrhythmusstörungen erhöhen kann.
Artemisinin-basierte Therapien sind auch bei Kindern unter sechs Monaten oder einem Körpergewicht von weniger als 5 kg mit Vorsicht anzuwenden, da die Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten in dieser Altersgruppe begrenzt sind. In jedem Fall sollte die Anwendung von Artemisinin durch einen qualifizierten Arzt erfolgen, der die individuellen Risikofaktoren des Patienten berücksichtigt.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Artemisinin und seine Derivate können mit einer Vielzahl von Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung beeinflussen kann. Eine der wichtigsten Interaktionen besteht mit Medikamenten, die das Enzym Cytochrom P450 (CYP450) beeinflussen, insbesondere CYP2B6 und CYP3A4. Artemisinin kann die Aktivität dieser Enzyme induzieren, was zu einer beschleunigten Metabolisierung anderer gleichzeitig verabreichter Medikamente führt.
Dies kann insbesondere die Wirksamkeit von antiretroviralen Medikamenten zur Behandlung von HIV beeinträchtigen. Beispielsweise können Protease-Inhibitoren und nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) durch Artemisinin schneller abgebaut werden, was ihre Konzentration im Blut verringert und die Wirksamkeit der HIV-Therapie reduziert.
Artemisinin kann auch die Plasmakonzentrationen von Medikamenten beeinflussen, die über dieselben Enzyme metabolisiert werden, wie z.B. bestimmte Antiepileptika (Phenytoin, Carbamazepin) und Antikoagulantien (Warfarin). Diese Wechselwirkungen können zu einer verminderten Wirksamkeit oder erhöhten Toxizität der betroffenen Medikamente führen.
Ein weiteres bedeutendes Interaktionspotenzial besteht mit Medikamenten, die das QT-Intervall verlängern. Die gleichzeitige Verwendung solcher Medikamente, wie einige Antiarrhythmika (Amiodaron, Quinidin) oder bestimmte Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram), kann das Risiko für schwere Herzrhythmusstörungen erhöhen.
Zusätzlich kann die gleichzeitige Einnahme von Antimalariamitteln wie Chloroquin oder Mefloquin zu synergistischen oder antagonistischen Effekten führen. Daher ist eine sorgfältige Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der Therapie durch einen Arzt erforderlich, wenn Artemisinin in Kombination mit anderen Medikamenten verwendet wird.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Artemisinin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um Malaria effektiv zu behandeln. Eine der Hauptalternativen ist Chloroquin, insbesondere in Regionen, in denen keine Chloroquin-Resistenz vorliegt. Chloroquin ist seit langem ein Standardmedikament gegen Malaria und wirkt durch die Hemmung der Hämozoin-Bildung im Parasiten.
Eine weitere Alternative ist Mefloquin, das vor allem in Regionen mit Chloroquin-Resistenz eingesetzt wird. Mefloquin wirkt, indem es die DNA-Synthese und die Proteinsynthese des Malariaparasiten hemmt. Aufgrund möglicher neuropsychiatrischer Nebenwirkungen ist jedoch Vorsicht geboten.
Atovaquon-Proguanil ist eine Kombinationstherapie, die besonders in Gebieten mit multiresistenten Malariastämmen wirksam ist. Atovaquon stört die mitochondrialen Funktionen des Parasiten, während Proguanil die Dihydrofolatreduktase hemmt, was die DNA-Synthese verhindert.
Doxycyclin, ein Breitbandantibiotikum, kann ebenfalls zur Malariaprophylaxe und -behandlung eingesetzt werden. Es ist besonders nützlich als Prophylaxe bei Reisenden in Malaria-Endemiegebieten, sollte jedoch wegen möglicher Nebenwirkungen wie Lichtempfindlichkeit mit Vorsicht verwendet werden.
Eine weitere wirksame Option ist die Kombinationstherapie mit Piperaquin-Dihydroartemisinin. Obwohl es ein Artemisinin-Derivat enthält, wird es oft gut vertragen und bietet eine starke Wirkung gegen Plasmodium falciparum.
Für schwere Malariafälle ist die intravenöse Verabreichung von Artesunat eine effektive Alternative zu Artemether, obwohl es auch ein Artemisinin-Derivat ist. Schließlich bleibt auch die Prävention, einschließlich Moskitonetzen und Insektiziden, eine wichtige Maßnahme, um Malaria-Infektionen zu vermeiden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor