Enzephalopathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Enzephalopathie kennzeichnet krankhafte Zustände des Gehirns, die durch unterschiedliche Ursachen bedingt sind. Die Symptomatik der Funktionsstörungen des Gehirns ist unabhängig von den zugrunde liegenden Erkrankungen. Zumindest anfangs treten keine strukturellen Veränderungen im Gehirn auf, sodass nach Behebung der Gründe für die neurologischen Ausfälle sich die Symptome oft auch wieder zurückbilden können.
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Was ist eine Enzephalopathie?
Enzephalopathie ist ein Sammelbegriff für krankhafte Prozesse im Gehirn, die nicht auf hirnorganische Strukturveränderungen zurückzuführen sind. Das bedeutet, dass durch äußere Einflüsse wie Vergiftungen, Viren, Prionen oder Bluthochdruck zunächst bestimmte funktionelle Prozesse in Gehirn gestört werden. Allerdings ist es schwer, Enzephalopathien gegen andere Erkrankungen des Gehirns deutlich abzugrenzen.
So gehören nach dieser Definition unter anderem entzündliche Prozesse im Gehirn nicht zu den Enzephalopathien. Des Weiteren unterliegen bei einer Enzephalopathie nicht nur Teile des Gehirns, sondern das gesamte Gehirn, den Funktionsstörungen. Ursache für die auftretenden Symptome bei diesem Krankheitskomplex sind Dysfunktionen im Zusammenspiel von Nerven- und Gliazellen.
Durch interne Veränderungen im Organismus kommt es zu Störungen des zerebralen Gleichgewichts, in deren Folge die Funktionen von Neurotransmittern und Membranen beeinträchtigt werden. Im Allgemeinen sind die Prozesse reversibel nach Beendigung der zugrunde liegenden Prozesse. Langzeitschäden können jedoch durch entzündliche Prozesse entstehen, die sich infolge der Funktionsstörungen herausbilden.
Ursachen
Ursachen für die Entstehung von Enzephalopathien können erhöhte Konzentrationen potenziell giftiger Stoffe aus Stoffwechselprozessen oder Vergiftungen, Elektrolytstörungen, Krankheitserreger oder Durchblutungsstörungen sein. Das trifft unter anderem zu, wenn sich im Blut durch bestimmte Organschäden toxische Substanzen ansammeln, die nicht mehr abgebaut werden können.
Ein bekanntes Beispiel ist die hepatische Enzephalopathie. Bei der hepatischen Enzephalopathie kann die Leber ihre Entgiftungsfunktion nicht mehr leisten. So erhöht sich bei einer Leberzirrhose die Ammoniakkonzentration im Blut, weil das aus dem Proteinabbau stammende Ammoniak nicht mehr ausreichend in Harnstoff umgewandelt werden kann.
Im Gehirn verändert Ammoniak die Konzentration bestimmter Botenstoffe, sodass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Nerven- und Gliazellen gestört ist. Die Ursache dafür ist ein Anschwellen der Astrozyten durch den Einfluss von Ammoniak. Es entsteht ein Hirnödem, welches die Neurotransmitterfunktion beeinträchtigt.
Zu den Enzephalopathien, die durch toxischen Einfluss entstehen, gehören auch die urämische Enzephalopathie, die Bilirubinenzephalopathie und die Dialyse-Enzephalopathie. Bei der urämischen Enzephalopathie liegt ein Nierenversagen zugrunde. Die Nieren sind nicht mehr in der Lage, harnpflichtige Stoffe wie Harnsäure oder Kreatinin aus dem Blut zu entfernen.
Diese Substanzen stören die Funktion der Nervenzellen im Hirn. Der Bilirubinenzephalopathie liegt wiederum eine erhöhte Konzentration von unkonjugiertem Bilirubin im Blut vor. Diese Erkrankung betrifft vor allem Neugeborene mit einer schweren Neugeborenengelbsucht. Bei der Dialyse-Enzephalopathie wird vor allem eine Aluminiumintoxikation durch die Verwendung von aluminiumhaltigen Dialyseflüssigkeiten vermutet.
Weitere Formen der Enzephalopathie stellen die hypertensive Enzephalopathie, die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit), die HIV-Enzephalopathie, die Wernicke-Enzephalopathie, die Hashimoto-Enzephalopathie, das MELAS-Syndrom und Morbus Binswanger dar.
Die hypertensive Enzephalopathie wird durch plötzlich erhöhten arteriellen Blutdruck hervorgerufen. Als Ursache für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit werden sogenannte Prionen, die erstmalig im Rinderhirn nachgewiesen wurden, verantwortlich gemacht. Bei der Wernicke-Enzephalopathie liegt eine Hypovitaminose mit Vitamin B1 vor, die durch Mangelernährung oder zu hohem Alkoholkonsum verursacht wird.
Die Hashimoto-Enzephalopathie wird durch Autoimmunprozesse hervorgerufen, die sich gegen das Gehirn richten. Beim MELAS-Syndrom handelt es sich um eine mitochondriale Störung. Der Morbus Binswanger ist wiederum eine arteriosklerotisch verursachte Enzephalopathie.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Enzephalopathien sind durch rasche Verhaltensänderungen gekennzeichnet. Es kommt zu kognitiver und motorischer Verlangsamung. Des Weiteren treten Bewusstseinsstörungen von leichter Benommenheit bis hin zum Koma auf. Hinzu kommen Antriebs-, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen. Manchmal leidet der Patient auch unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
Zum Gesamtbild gehören auch solche Symptome wie Tremor, Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen oder gar epileptische Anfälle. Auch vegetative Symptome wie Herzrhythmusstörungen, Atembeschwerden oder Temperaturregulationsstörungen sowie Blutdruckänderungen können vorkommen. Dabei müssen nicht alle Symptome erscheinen. In vielen Fällen werden Kombinationen einzelner Symptome beobachtet.
Diagnose
Anhand der Symptome kann die Ursache der vorliegenden Enzephalopathie noch nicht ermittelt werden. Wichtig dazu ist zunächst die Durchführung einer umfassenden Anamnese der Krankengeschichte. Selbstverständlich müssen auch andere Symptome in Betracht gezogen werden, um die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren.
Durch Laboruntersuchungen können mögliche Toxine oder Krankheitserreger bestimmt werden. In bildgebenden Verfahren werden bei Enzephalopathien noch keine hirnorganischen Veränderungen festgestellt. Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen des Zentralnervensystems wie Schlaganfälle, Traumen, Infektionen oder Epilepsien abgegrenzt werden.
Komplikationen
Eine Enzephalopathie kann die verschiedensten Ursachen haben, daher sind unterschiedliche Komplikationen möglich. Zum einen kommt es bei der Erkrankung der Gehirns zu unterschiedlichsten Lähmungserscheinungen, aber auch Krämpfe oder Sensibilitätsstörungen. Zum anderen kann die Enzephalopathie durch eine erhöhte Konzentration von Ammoniak hervorgerufen werden wie es beispielsweise bei einem Versagen der Niere (Niereninsuffizienz) der Fall ist.
Dies kann in einem lebensgefährlichen Koma enden. Daneben kommt es bei der Niereninsuffizienz zu einer verminderten Ausscheidung von Kalium (Hyperkaliämie), was die Entstehung von Herzrhythmusstörungen begünstigt. Auch weniger Säuren werden dabei ausgeschieden, was ebenfalls zu einer Erhöhung der Kaliumkonzentration im Blut führt. Durch das Nierenversagen kommt es auch zur Entstehung von schmerzhaften Ödemen vor allem im Beinbereich.
Auch eine Leberzirrhose wie sie bei einem erhöhten Alkoholkonsum auftritt, führt zu einer Entstehung einer Enzephalopathie. Durch diese werden weniger Proteine für den Körper produziert, es wird die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Ödemen und einer Aszites erhöht. Dazu sind auch Störungen in der Blutgerinnung denkbar.
Ebenfalls wird auch das Blut, welches durch die Leber fließt, umgelenkt und zur Milz geleitet, welche sich infolgedessen vergrößert. Daneben kommt es auch zur Entstehung von Hämorrhoiden und Krampfadern im Bereich des Magens und der Speiseröhre, welche im schlimmsten Falle platzen können und zu inneren Blutungen führt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald sich der Betroffene auffällig verhält. Neben den ungewöhnlichen Verhaltensänderungen gelten Störungen des Bewusstseins als besonders besorgniserregend. Bei einem Gefühl der Benommenheit, der Verminderung der allgemeinen Leistungsfähigkeit oder einer allgemeinen Schwäche, ist die Konsultation eines Arztes zu empfehlen.
Kommt es zu Funktionsstörungen einzelner Systeme wird ein Arzt benötigt, um die Ursache zu klären und Maßnahmen der Linderung einzuleiten. Bei Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühlen der Haut oder Sensibilitätsstörungen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Verminderungen des Sehens, Hörens oder der Sprachbildung gelten als ungewöhnlich und sind schnellstmöglich von einem Arzt abklären zu lassen.
Störungen des Herzrhythmus, Herzrasen, Bluthochdruck oder ein allgemeines Unwohlsein müssen medizinisch untersucht und behandelt werden. Bei Atembeschwerden oder Aussetzern der Atmung wird ein Arzt benötigt.
Es droht ein lebensgefährlicher Zustand, der rechtzeitig untersucht und abgeklärt werden sollte. Setzen Orientierungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite oder Gedächtnisprobleme ein, muss ein Arzt aufgesucht werden. Bei Halluzination oder Wahn wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Veränderungen der Persönlichkeit, emotionale Auffälligkeiten oder Stimmungsschwankungen sind einem Arzt vorzustellen. Ein Arztbesuch ist ebenfalls nötig, wenn es zu epileptischen Anfällen oder einer allgemeinen Bildung von Krämpfen im Körper kommt. Schmerzempfinden, ein diffuses Krankheitsgefühl oder ungewöhnliche Teilnahmslosigkeit sollten mit einem Arzt besprochen werden.
Behandlung & Therapie
Die Therapie der Enzephalopathie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei einer hepatischen Enzephalopathie steht die Therapie der Lebererkrankung im Vordergrund. Zur Milderung der Symptome der Enzephalopathie muss die Ammoniakkonzentration verringert werden.
Das kann unter anderem durch Angleich des Stoffwechsels, Beschleunigung des Harnstoffzyklus durch Gabe von Ornithinaspartat, durch Gabe des Abführmittels Lactulose und durch Gabe von Antibiotika zur Reduzierung von Ammoniak produzierenden Bakterien erreicht werden. Bei Nierenversagen ist eine Dialyse angezeigt.
Wenn eine Hypovitaminose mit Vitamin B1 vorliegt, muss Thiamin (Vitamin B1) in hohen Dosen verabreicht werden. Weiterhin ist absolute Alkoholabstinenz notwendig. Bei den blutdruckbedingten Enzephalopathien steht die Normalisierung des Blutdrucks im Vordergrund.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Enzephalopathie richtet sich nach der Grundursache, dem Fortschritt der Erkrankung sowie dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. In schweren Fällen kommt es zum Organversagen mit Todesfolge. Die hepatische Enzephalopathie ist bei einer frühzeitigen Behandlung und bei guter Therapie reversibel. Die Symptome werden individuell behandelt, bis eine Linderung der Beschwerden einsetzt.
Bei einer klinisch manifesten hepatischen Enzephalopathie ist mit einem episodischen oder chronischen Krankheitsverlauf zu rechnen. Jede neue Episode hat eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes zur Folge. Bei einem chronischen Verlauf kommt es zu einer kontinuierlichen Verschlechterung. Bei beiden Krankheitsverläufen mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko zu rechnen. Zudem besteht die Gefahr eines Komas. Erwacht der Betroffene aus diesem, ist mit starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Eine vollständige Genesung ist nicht zu erwarten.
Ist der Patient an einer Wernicke-Enzephalopathie erkrankt, ist ebenfalls der Fortschritt der Erkrankung entscheidend für die Prognose. Bei einer unverzüglichen Behandlung kann eine deutliche Linderung der vorhandenen Beschwerden erreicht werden. Innerhalb weniger Wochen ist eine Verbesserung der sprachlichen oder motorischen Störungen gegeben. Bei ungefähr 40% der Fälle bleiben dauerhafte Beeinträchtigungen bestehen. Diese haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität. ¾ aller Patienten erleiden psychische Folgeschäden. Häufig sind die Patienten auf eine lebenslange Unterstützung oder Pflege angewiesen.
Vorbeugung
Das Risiko für eine Enzephalopathie kann allgemein durch eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, viel Bewegung und Verzicht auf zu hohen Alkoholkonsum deutlich verringert werden. Viele zugrunde liegende Erkrankungen können so verhindert werden.
Nachsorge
In den meisten Fällen stehen den Betroffenen bei einer Enzephalopathie nur sehr wenige oder sogar keine direkten Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Die Krankheit muss dabei in erster Linie schon sehr früh erkannt und anschließend behandelt werden, damit es nicht zu weiteren Beschwerden oder Komplikationen im Leben des Betroffenen kommt.
Dabei wirkt sich eine frühzeitige Diagnose mit einer anschießenden Behandlung immer positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus und kann eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindern. Eine Selbstheilung kann dabei in der Regel nicht eintreten. In den meisten Fällen sind die Patienten bei der Enzephalopathie auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei werden vor allem Antibiotika verschrieben. Diese sollten immer genau nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden, um die Beschwerden zu lindern.
Auf die Einnahme von Alkohol ist dabei zu verzichten, um die Wirkung der Antibiotika nicht zu verringern. Weiterhin wirkt sich auch eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung immer positiv auf den weiteren Verlauf der Enzephalopathie aus. Die Betroffenen sollten regelmäßig ihren Blutdruck kontrollieren und diesen gegebenenfalls auf den Normalwert senken. Ob die Enzephalopathie die Lebenserwartung verringert, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.
Das können Sie selbst tun
Enzephalopathie ist ein Sammelbegriff für krankhafte Zustände des Gehirns, die durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden. Ob und was ein Patient selbst zur Besserung seines Befindens beitragen kann, hängt davon ab, auf welche Grunderkrankung die Enzephalopathie zurückzuführen ist.
Störungen des Gehirns können zum Beispiel durch zu hohen Blutdruck ausgelöst werden. In diesen Fall kann der Patient eine Reihe von Selbsthilfemaßnahmen ergreifen. Neben einer regelmäßigen Kontrolle des Blutdrucks ist meist eine Änderung der Lebens- und Konsumgewohnheiten unumgänglich. Übergewicht ist ein zentraler Risikofaktor, weshalb Betroffene mit zu Body-Mass-Index (BMI) zunächst einmal dauerhaft Gewicht verlieren müssen.
Die dauerhafte Gewichtsreduktion setzt in der Regel eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten voraus, die die Betroffenen meist nicht ohne Unterstützung von außen bewältigen. Patienten sollten deshalb nicht nur einen Arzt, sondern auch einen Ernährungsberater konsultieren und sich, wenn es ihnen an Motivation fehlt, einer Selbsthilfegruppe anschließen.
Auch bei Störungen des Gehirns die auf Hypovitaminose, zum Beispiel einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1), zurückzuführen sind, kann der Patient selbst viel zur Besserung beitragen. Zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung und, falls dennoch erforderlich, den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln. Sofern der Vitaminmangel durch einen Missbrauch von Alkohol oder anderen Drogen verursacht wurde, sollte der Patient eine Entziehungskur nebst begleitender Therapie beginnen.
Quellen
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013