Fehlbildungssyndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter einem Fehlbildungssyndrom werden verschiedene angeborene Fehlbildungen verstanden. Betroffen sind mehrere Organsysteme, die durch multiple Funktionsstörungen auffallen. Die Diagnose kann oft schon im Mutterleib gestellt werden.
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Was ist ein Fehlbildungssyndrom?
Das Fehlbildungssyndrom ist eine sehr selten auftretende Erkrankung. Dennoch hat sie ein breit gefächertes Erscheinungsbild. Es handelt sich bei dem Syndrom um eine Kombinationen mehrerer Fehlbildungen. Es sind zeitgleich mehrere Organe des Patienten betroffen. In Europa leiden 3 Prozent aller Neugeborenen an einem embryonalem Fehlbildungssyndrom.
50 bis 70 Prozent der erkrankten Embryos sterben nach Schätzungen intrauterin. Das Fehlbildungssyndrom kann über Mutation der Gene oder durch Viren ausgelöst werden. Es gibt ungefähr 500 verschiedene Fehlbildungssyndrome, bei denen die Nieren oder Harnwege betroffen sind. Weitere führen zu Beschwerden anderer Organe wie das Herz oder der Leber. Zu den bekanntesten Fehlbildungssyndromen gehören beispielsweise folgende Syndrome:
- Edinburgh-Syndrom
- Triploidie
Akrozephalosyndaktylie-Syndrome wie:
- Carpenter-Syndrom
- Apert-Syndrom
- Apert-Crouzon-Syndrom
- Pfeiffer-Syndrom
- Saethre-Chotzen-Syndrom
- Fetales Alkoholsyndrom
- Silver-Russell-Syndrom
- Pätau-Syndrom
- Cri-du-chat-Syndrom
- Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom
- Rötelnembryofetopathie
- Dzierzynsky-Syndrom
- Arnold-Chiari-Syndrom
- Ullrich-Turner-Syndrom
- Fraser-Syndrom
- Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
- Edwards-Syndrom
- Noonan-Syndrom
- Sotos-Syndrom
- DiGeorge-Syndrom
- Holt-Oram-Syndrom
Bei dem Fehlbildungssyndrom handelt es sich um Anomalien verschiedener Organe sowie Körperregionen. Auffallend ist, dass die Anomalien parallel auftreten. Im Diagnoseprozess ist das Syndrom für gewöhnlich auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen.
Ursachen
Fehlbildungssyndrome können endogen über eine genetische Disposition entstehen. Darüber hinaus können sie auch verschiedene exogene Ursachen haben. Zu ihnen zählen unter anderem Viren, Infektionen oder Toxine. Die meisten Fehlbildungssyndrome die pränatal festgestellt werden, basieren auf chromosomalen Ursachen.
Letztlich kann bei den Patienten jede auftretende Organstörung auf eine Ursache zurückgeführt werden. Damit kann das Fehlbildungssyndrom von anderen Organstörungen deutlich abgegrenzt werden. Diese besitzen keine einheitliche Ätiologie. Viele Fehlbildungssyndrome die von Gendefekten verursacht sind, werden autosomal-dominant vererbt.
Der dominante Erbgang bedeutet, dass der bei mindestens einem Elternteil vorhandene Gendefekt automatisch an das Kind weitergegeben wird. Der Ausbruch der Krankheit kann nicht verhindert werden, da sich das dominante Allel während der Entstehungsphase des Embryos in seiner Merkmalsausprägung gegenüber einem rezessiven Allel durchsetzt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Fehlbildungssyndrom betrifft beim Patienten stets mehrere Körperregionen und Organe. Da es unzählig viele Syndrome gibt, die auch in Kombination auftreten können, sind die Symptome, Beschwerden und Anzeichen beim Patienten sehr individuell sowie sehr zahlreich. Je nach dem vorliegenden Syndrom treten ganz verschiedene Symptome auf.
Möglich sind eine Verformung des Gesichts, Störungen in der Entwicklung, verwachsene Finger oder Zehen und Missbildungen der Gefäße. Ebenso treten Störungen des Wachstums, Entwicklungsstörungen des Mittelhirns, Augenfehlbildungen oder eine Innenohrtaubheit auf. Veränderungen des Gebiss, eine überlange Aorta, ein Beckenschiefstand oder eine geistige wie körperliche Entwicklungsverzögerung werden ebenfalls bei einigen Fehlbildungssyndromen diagnostiziert.
Meist sind bereits optische Auffälligkeiten im Gesicht kurz nach der Geburt beim Neugeborenen hervorstechend. Im weiteren Entwicklungsverlauf treten deutlich erkennbar verschiedene Organstörungen beim Patienten auf. Es kommt zu keiner Spontanheilung oder Linderung der Beschwerden. Die Anzahl der Symptome ist von einer derartigen Vielfalt, dass Schmerzen und Störungen verschiedener Art nicht übersehen werden können.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose wird meist pränatal gestellt. Sollte dies nicht der Fall sein, kommt es spätestens im frühen Kindesalter zu einer Diagnose. Der Ausfall der Organe führt zu verschiedenen Untersuchungen, die dann über Methoden wie Röntgen, Hormon- und Blutwerte nähere Informationen liefert. Es erfolgt im Diagnoseverlauf ein Gentest, um chromosomale Ursachen einzugrenzen.
Da aufgetretene Beschwerden bestehen bleiben und sich während des Wachstums verschlimmern, sollte Arztbesuch erfolgen. Unbehandelt kann das Fehlbildungssyndrom durch multiple Organstörungen zum Tod führen.
Komplikationen
Die Komplikationen bei einem Fehlbildungssyndrom können nicht universell vorausgesagt werden, da sie stark von den Fehlbildungen und ihrer Ausbreitung abhängen. In den meisten Fällen kommt es allerdings zu starken Einschränkungen des Patienten im Alltag und in seinem Leben. Die Lebensqualität nimmt stark ab.
Das Fehlbildungssyndrom betrifft dabei in der Regel verschiedene Organe und kann an diesen entweder einzeln oder an unterschiedlichen Organen gleichzeitig auftreten. Dabei kann es zu Einschränkungen beim Hören und Sehen kommen, die den Alltag des Patienten erschweren. In einigen Fällen kommt es aufgrund des Fehlbildungssyndroms zu Störungen der Entwicklung.
Diese Störung kann sowohl psychisch als auch physisch sein, sodass Patienten nicht selten an Minderwuchs und anderen Wachstumsstörungen leiden. Ein psychische Retardierung kann ebenfalls vorkommen. Eine spornte Heilung tritt nur in sehr seltenen Fällen auf. Patienten mit Entwicklungsstörungen leiden oft an Mobbing und sind auf die Hilfe von anderen Menschen im Alltag angewiesen.
Eine Behandlung kann in vielen Fällen nur die Symptome lindern und dabei die Grunderkrankung selbst nicht bekämpfen. Oft sind auch die Eltern von Kindern mit einem Fehlbildungssyndrom psychisch stark betroffen und benötigen eine Betreuung durch einen Psychologen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Sollte der Betroffene an einem Fehlbildungssyndrom leiden, so muss dieses auf jeden Fall von einem Arzt untersucht und weiterhin auch behandelt werden. Bei dieser Erkrankung kommt es in der Regel nicht zu einer Selbstheilung und in vielen Fällen auch zu einer eingeschränkten Lebenserwartung des Patienten.
Um die Lebenserwartung zu erhöhen, sind die Betroffenen auf eine Behandlung bei einem Mediziner angewiesen. In den meisten Fällen wird das Fehlbildungssyndrom schon vor der Geburt oder direkt nach der Geburt des Kindes diagnostiziert. Die Eltern sollten mit ihren Kindern immer dann einen Arzt aufsuchen, wenn die Fehlbildungen zu Einschränkungen im Alltag führen oder die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen.
In vielen Fällen sind dabei auch regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig, um weitere Komplikationen und Beschwerden vorzubeugen. Sollten die Eltern mit der Belastung des Fehlbildungssyndroms nicht klarkommen, so kann in einigen Fällen auch eine Abtreibung vorgenommen werden. Da das Syndrom häufig auch zu psychischen Verstimmungen oder zu Depressionen führen kann, sollte immer parallel eine Behandlung bei einem Psychologen stattfinden. Dabei sind vor allem die Angehörigen und die Eltern auf diese Behandlung angewiesen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung und Therapie des Fehlbildungssyndroms richtet sich danach, welches Syndrom diagnostiziert wird. Es muss geklärt sein, welche Organe betroffen sind. Anschließend wird der Schweregrad der Erkrankung eingestuft, damit ein individueller Behandlungs- und Therapieplan erarbeitet werden kann.
Die individuellen Behandlungen reichen von operativen Eingriffen bis hin zu einer medikamentösen Therapie. Ziel ist dabei stets eine Linderung der Beschwerden. Eine Erkrankung am Fehlbildungssyndrom kann nicht vollständig geheilt werden. In vielen Fällen kommt es zu chirurgischen Eingriffen, die eine Versorgung und Funktionstüchtigkeit der Organe sicherstellen sollen.
Dies können das Herz, die Nieren oder beispielsweise die Blase betreffen. Bei einigen Syndromen wird eine Transplantation des Knochenmarks durchgeführt. Diese soll das Immunsystem stärken. Durch das Einsetzen neuer funktionierender Immunzellen im Organismus werden diese integriert und der Patient kann eine dauerhafte Linderung erfahren.
Es kann unter Umständen zu einer Entfernung von Gefäßen kommen. Ebenso kann entschieden werden, dass Extremitäten angeglichen werden. Die Gabe von Medikamenten oder Hormonen ist keine Seltenheit. Die Blutwerte werden regelmäßig überprüft, um dem Körper fehlende Substanzen zuzuführen oder den Blutzuckerspiegel zu überprüfen. Die erkrankten Kinder nehmen meist an verschiedenen Frühförderungsprogrammen teil, um die Entwicklung gut zu unterstützen.
Empfohlen wird oftmals begleitend eine Psychotherapie, um mit den Beschwerden gut umgehen zu können. Ebenfalls wird den Angehörigen eine psychologische Betreuung angeraten, damit sie den Herausforderungen im Alltag besser begegnen können.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Fehlbildungssyndroms ist von den individuellen Störungen sowie der Stärke der Erkrankung abhängig. Sie gilt insgesamt trotz aller Bemühungen als ungünstig. Die Sterblichkeitsrate ist besonders in den ersten Entwicklungswochen des Embryos sehr hoch. Mehr als die Hälfte der erkrankten Föten sterben noch im Mutterleib aufgrund der Schwere der vorliegenden organischen Störungen. Oftmals sind die Patienten ohne eine permanente medizinische Versorgung auch nach der Geburt nicht überlebensfähig.
Bei weniger schweren Fehlbildungen können im weiteren Verlauf der Entwicklung durch die wissenschaftlichen und medizinischen Möglichkeiten Linderungen der Beschwerden erreicht werden. Die Behandlung richtet sich nach den jeweiligen Symptomen und wird gezielt anhand der Bedürfnisse des Patienten erarbeitet.
Programme der Frühförderungen, eine gute Betreuung und Therapien helfen bei einer optimalen Entwicklung des Kindes. In operativen Eingriffen werden soweit wie möglich die entstandenen Mutationen korrigiert. Andere Anomalien können durch Organtransplantationen oder die Einsetzung künstlicher Hilfen behandelt werden.
Eine Heilung des diagnostizierten Syndroms ist bislang ausgeschlossen. Die symptomatische Behandlung kann jedoch bei vielen Patienten sehr erfolgreich sein. Der Betroffene wird dennoch lebenslange Beeinträchtigungen haben und muss sich regelmäßigen Untersuchungen unterziehen. Die Vulnerabilität für die Entwicklung weiterer Krankheiten ist erhöht. Die Lebenszeit ist bei den meisten Arten eines Fehlbildungssyndroms herabgesetzt.
Vorbeugung
Die Diagnose ist in Deutschland bereits während der Schwangerschaft möglich. Sie gilt als eine mögliche Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch (§218a StGB). Werdende Eltern werden über die theoretische Lebenserwartung aufgeklärt und erfahren mehr über zu erwartenden Probleme des überlebenden Kindes aufgeklärt.
Nachsorge
In der Regel sind die Möglichkeiten der Nachsorge bei einem Fehlbildungssyndrom extrem stark eingeschränkt. Dabei ist auch keine vollständige Heilung möglich, da die Fehlbildungen meist erblich bedingt sind. Daher kann nur eine rein symptomatische und keine kausale Behandlung erfolgen. Weiterhin kann allerdings bei einem Kinderwunsch des Betroffenen auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das Verben des Syndroms an die Nachfahren eventuell zu verhindern.
Eine Selbstheilung kann dabei allerdings nicht eintreten. Ob die Lebenserwartung des Betroffenen durch das Fehlbildungssyndrom verringert ist, kann dabei ebenfalls nicht universell vorhergesagt werden. In den meisten Fällen sind die Betroffenen dabei auf eine intensive Pflege und auf die dauerhafte Unterstützung durch die Eltern und durch die Familie angewiesen.
Dabei wirkt sich vor allem eine liebevolle und intensive Pflege positiv auf den Verlauf aus und kann Komplikationen verhindern. Weiterhin sind auch regelmäßige Untersuchungen bei Ärzten notwendig, um Schäden am Körper und an den inneren Organen schon frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Auch bei psychischen Verstimmungen oder bei Depressionen sind Gespräche mit den Freunden oder mit der Familie sehr hilfreich, um diese Beschwerden zu lindern. Dabei kann auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Syndroms sinnvoll sein.
Das können Sie selbst tun
Die Möglichkeiten der Selbsthilfe sind bei einem Fehlbildungssyndrom sehr begrenzt. Die Syndrome gelten mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten als unheilbar. Im Alltag ist eine emotionale Stabilisierung des Patienten sowie der Angehörigen für den Umgang mit dem Fehlbildungssyndrom notwendig.
Durch die Erkrankung und die Vielzahl der Beschwerden ist die psychische Belastung sehr hoch. Gemeinsame Aktivitäten und eine individuelle Freizeitgestaltung sind wichtig, um das Wohlbefinden zu fördern. Mit einer gesunden Lebensführung, einer ausgewogenen Ernährung und einer ausreichenden Bewegung kann die Lebensqualität des Patienten verbessert werden.
Die vorhandenen Möglichkeiten sind dem jeweiligen Fehlbildungssyndrom anzupassen und sollten darauf ausgerichtet sein, das Selbstwertgefühl des Betroffenen zu fördern. Sollen optische Makel überdeckt werden, kann dies mit Kleidungsstücken oder Accessoires erfolgen. Hilfreich ist es, offen mit der Erkrankung umzugehen und den Menschen aus dem näheren Umfeld von den Beschwerden und Auswirkungen des Fehlbildungssyndroms zu erzählen.
Angehörige wie auch Erkrankte können Entspannungstechniken nutzen, um ihre mentale Stärke für die Herausforderungen des Alltags aufzubauen. Methoden wie Yoga oder Meditation helfen, um eine innere Balance herzustellen. Zusätzlich helfen Gespräche und der Austausch mit anderen Erkrankten. In Selbsthilfegruppen oder Foren können Tipps und Hinweise ausgetauscht werden. Vorhandene Ängste oder Erfahrungen werden besprochen und können zu einer Entlastung beitragen.
Quellen
- Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003