Lowe-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei dem Lowe-Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene Erbkrankheit. Da sie auf dem X-Chromosom liegt, sind fast nur Jungen von der Krankheit betroffen. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung, die verschiedene Organe betrifft und nur symptomatisch behandelt werden kann.
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Was ist das Lowe-Syndrom?
Vom Lowe-System betroffen sind besonders Augen, Nieren, Muskeln und Gehirn. Bei der Erkrankung ist der Graue Star angeboren, wobei bei einigen Betroffenen auch ein erhöhter Augendruck nachgewiesen kann (Grüner Star). Schon in dem ersten Lebensjahr entwickeln betroffene Jungen Nierenprobleme, die mit einem überdurchschnittlich hohen Verlust von Natrium, Kalium, Kalzium und verschiedenen Säuren im Urin einhergehen.
Zudem zeigt sich früh eine geistige Behinderung (Retardierung). Verursacht wird das Lowe-Syndrom durch Mutationen auf dem sogenannten OCLR1-Gen. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung Mitte der 1950er Jahre von Charles Upton Lowe - dem Namensgeber der Erkrankung. Er vermerkte die Erkrankung als Syndrom mit geringer Harnstoffproduktion, mentaler Zurückgebliebenheit und Azidurie. Die genetische Erkrankung wird auch als Okulo-zerebro-renales Syndrom bezeichnet.
Ursachen
Die Erkrankung wird x-chomosomal rezessiv vererbt. Aus diesem Grund sind vorwiegend Männer betroffen. Ihnen fehlt das zweite X-Chromosom, das den Defekt ausgleichen könnte. Frauen hingegen können das defekte Chomosom tragen, ohne selbst von der Krankheit betroffen zu sein, da bei ihnen das zweite X-Chromosom den Ausbruch der Krankheit verhindert. Nur im Falle anderer Gendefekte können Mädchen betroffen sein.
Lokalisiert ist die Erkrankung auf dem langen Arm des X-Chromosoms (Xq24-q26.1). Die Mutation sorgt für einen Defekt im Insositol-Phosphat-Stoffwechsel, bedingt durch den Defekt bei der Bildung eines Enzyms.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Es gibt verschiedene Anzeichen, die auf die Erkrankung hindeuten. Neben den oben genannten Symptomen weisen betroffene Jungen eine Muskelschwäche auf. Außerdem sind oftmals keine Reflexe auslösbar oder treten nur sehr verspätet auf. Die Retardierung betrifft nicht nur die geistige Entwicklung, sondern auch die körperliche. Erkrankte sind minderwüchsig und zeichnen sich meist durch ein sehr schrilles Schreien aus.
Dysmorphiezeichen sind neben blasser Haut auch sehr schütteres Haar und eine hohe Stirn. Neurologisch betrachtet kann es zu Krampfanfällen kommen. Zusätzlich weisen die Patienten kaum Sehnenreflexe auf. Die Beeinflussung der Muskeln hängt mit der Beeinflussung des Gehirns und Rückenmarks durch das nervöse Nervensystem zusammen. Aus diesem Grund können auch epileptische Anfälle und Verhaltensprobleme auftreten.
Bei der Hälfte der Betroffenen treten außerdem Ergreifungsstörungen auf. Diese können mit Fieberkrämpfen einhergehen. Daneben zeigen am Lowe-Syndrom Erkrankte gewisse Verhaltensauffälligkeiten, die die Arbeit mit ihnen erschweren. In der Regel sind sie zwar vom Charakter her unproblematisch und oftmals lieb und eher glücklich, zeichnen sich aber durch häufige, sich wiederholende Bewegungen aus. Dabei kommt es besonders oft zu wiederholten Bewegungen der Hände, die nicht bewusst kontrolliert werden können.
Abgesehen davon, sind sie zumeist nur schwer in der Lage, sich zu konzentrieren und lassen sich überdurchschnittlich schnell ablenken. Aufgrund der Beeinträchtigung der Muskeln lernen nur 25 Prozent der Kinder bis zum 6. Lebensjahr das aufrechte Gehen. Der Rest entwickelt die Fähigkeit erst bis zum 13. Lebensjahr. Manche Kinder lernen hingegen nie laufen. Aufgrund der Schwäche im Rücken kann es bei einem Teil der Betroffenen außerdem zu Skoliose oder Morbus Scheuermann kommen. Ein anderes Symptom sind Rachitis oder weiche Knochen.
Im Bereich der Augen sind Schielen und Linsentrübungen möglich. Die Jungen sind gezwungen, eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen, sofern sie sie vertragen. In schweren Fällen kann durch den Augendruck eine Verletzung des Sehnervs entstehen, die zur Erblindung führen kann. Auch vernarbtes Gewebe vor der Netzhaut kann das Eindringen des Lichtes verhindern und somit zur Blindheit führen. Diese Veränderung kann nicht operiert werden und ist irreversibel. Durch die Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems sind manche Kinder zudem hyperaktiv oder können in seltenen Fällen auch zu Wutanfällen neigen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Lowe-Syndroms erfolgt über eine spezielle DNS-Untersuchung, die RFLP-Analyse (Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus-Analyse). Zusätzlich kann nach der Geburt mittels einer Schaltlampe der Katarakt diagnostiziert werden. In einigen Fällen ist bereits hier der Augeninnendruck erhöht. Dies ist ein erstes Anzeichen für eine Erkrankung. Anhand eines CT kann die Erweiterung von Ventrikeln ermittelt werden, wobei auch eine Urinuntersuchung Aufschluss geben kann. Im Urin sind Phosphat-, Aminoazid- und Proteinurien nachweisbar. Außerdem ist im Blut die Kreatinkinase erhöht.
Komplikationen
Diese können im schlimmsten Fall auch zum Tode des Patienten führen. Die Kinder selbst leiden dabei an Verhaltensauffälligkeiten und können dabei oft dem Unterricht nicht folgen. Auch Erwachsene können an psychischen Beschwerden leiden, sodass die Ausübung einer Tätigkeit in vielen Fällen nicht ohne Weiteres stattfinden kann. Weiterhin kann es durch das Lowe-Syndrom auch zu einer vollständigen Erblindung des Betroffenen kommen.
Die Patienten sind hyperaktiv, wodurch nicht selten auch Eltern und Angehörige an psychischen Beschwerden leiden können. Eine kausale Behandlung des Lowe-Syndroms ist nicht möglich. Die Behandlung findet daher vor allem mit Hilfe von Medikamenten und durch psychologische Beratungen statt. Ob dabei alle Beschwerden eingeschränkt werden können, kann in der Regel nicht universell vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Eltern bei ihrem Kind ein auffälliges Verhalten bemerken, sollte der Kinderarzt hinzugezogen werden. Das Lowe-Syndrom äußert sich durch eine geistige Behinderung und körperliche Beschwerden, die meist in den ersten Lebensjahren auftreten. Warnzeichen wie Gehbeschwerden oder Probleme beim Sprechen deuten auf ein ernstes Leiden hin. Ebenso Sehbeschwerden, Nahrungsverweigerung oder Gelbsucht. Ein verlangsamtes Wachstum muss rasch mit einem Mediziner besprochen werden.
Das Lowe-Syndrom ist in jedem Fall von einem Facharzt für innere Erkrankungen zu diagnostizieren, da ansonsten weitere Komplikationen auftreten können. Die eigentliche Therapie findet in der Regel in einer Spezialklinik statt, wobei je nach Symptombild verschiedene Fachärzte hinzugezogen werden. So müssen etwaige Muskelstörungen von einem Orthopäden oder einem Chiropraktiker behandelt werden, während Sehstörungen wie der graue Star augenärztlich zu behandeln sind. Die geistige Behinderung bedarf therapeutischer Maßnahmen, die oft ein Leben lang andauern. Beteiligt sind neben den Betroffenen oft auch die Eltern und Angehörigen. Zuletzt sind auch physiotherapeutische Maßnahmen, etwa Krankengymnastik, ein wesentlicher Bestandteil der Therapie.
Behandlung & Therapie
Das Lowe-Syndrom ist nicht heilbar, eine Genesung unmöglich. Daher wird die Erkrankung rein symptomatisch therapiert. Hierzu gehören eine Physio- und Sprachtherapie sowie Behandlungen der Einzelbeschwerden. Dazu gehört beispielsweise die Glaukombehandlung und die Kataraktoperation. Augenprobleme werden mit Tropfen oder Salben behandelt, sofern dies möglich ist.
Außerdem werden in der Regel Medikamente gegen Verhaltensstörungen verschrieben. Das können einerseits Stimulanzien und andererseits Neuroleptika sein. Auch Antidepressiva sind möglich. Zur Standardtherapie gehört außerdem die regelmäßige Gabe vom Phosphat und Vitamin D. So können Rachitis und Anämien behandelt werden. Mit Natriumcarbonat wird ein Azidose-Ausgleich geschaffen.
Die Prognose für Erkrankte ist schlecht. Nur wenige überleben das erste Jahrzehnt und sind wenn dann in den folgenden Jahren schwer behindert. Zum frühzeitigen Tod führt meistens Niereninsuffizienz oder Hypotonie. Die Lebenserwartung überschreitet in der Regel kaum das dreißigste Lebensjahr.
Aussicht & Prognose
Die Prognose des Lowe-Syndrom ist ungünstig. Die genetisch bedingte Erkrankung kann nicht ursächlich therapiert werden. Die Gesetzeslage untersagt einen Eingriff und die Veränderung des genetischen Erbmaterials beim Menschen. Daher können Ärzte und Forscher lediglich Behandlungsmaßnahmen anwenden, die zu einer Linderung der Symptome führen.
Da die Erkrankung zu einer Vielzahl von Beschwerden führt, ist die Lebensqualität des Patienten stark eingeschränkt. Zudem ist die durchschnittliche Lebenszeit bei den Betroffenen herabgesetzt. Trotz aller Bemühungen im Finden einer passenden Therapie kommt es bei dieser Erkrankung zu geistigen wie auch körperlichen Unregelmäßigkeiten. Oftmals sterben die Patienten aufgrund eines Organversagens. Die meisten Betroffenen erreichen kaum das 30. Lebensjahr.
Die Erkrankung stellt insgesamt eine große Herausforderung bei der Bewältigung im Alltag für den Patienten wie auch für dessen Angehörige dar. Eine tägliche Pflege ist notwendig, damit eine gute Lebensqualität erhalten bleibt. Die ersten Anzeichen und Beschwerden zeigen sich bereits innerhalb der ersten Lebensmonate oder Jahre. Es kann jederzeit zu einem akuten gesundheitlichen Zustand kommen, der eine intensivmedizinische Betreuung notwendig macht. Krampfanfälle treten auf, Verhaltensauffälligkeiten sind vorhanden und diverse Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Organismus kennzeichnen die Erkrankung. Folgeschäden können jederzeit auftreten und eine psychologische Beratung sollte in Anspruch genommen werden.
Vorbeugung
Es liegen keine Hinweise und Ratschläge vor, durch deren Befolgung die Erkrankung verhindert werden kann.
Nachsorge
Genetische Defekte oder Mutationen können so gravierende Folgen haben, dass Mediziner nur wenige davon abmildern, korrigieren oder behandeln können. In vielen Fällen lösen Erbkrankheiten schwere Behinderungen aus, mit denen Betroffene oftmals lebenslang zu kämpfen haben. Die Nachsorge konzentriert sich daher darauf, diese Einschränkungen anzunehmen und damit umzugehen.
Psychotherapeutische Betreuung ist bei Erbkrankheiten dann sinnvoll, wo es infolge der Merkmale der Erkrankung zu Depressionen, Minderwertigkeitsgefühlen oder anderen psychischen Störungen kommt. Oftmals kommen neben der psychischen Stabilisierung auch physiotherapeutische oder psychotherapeutische Maßnahmen zur Anwendung. Bei einer ganzen Reihe von langsam fortschreitenden Erbkrankheiten können jedoch Behandlungserfolge erzielt werden. Wie sehr diese das allgemeine Wohlempfinden verbessern, hängt von der Schwere der Erkrankung selbst.
Verallgemeinernde Aussagen über die Art der Nachsorge sind nur insoweit zulässig, als dass man den betroffenen Patienten das Leben nach Möglichkeit erleichtert. Einige der Symptome oder Störungen von Erbkrankheiten können heutzutage erfolgreich behandelt werden.
Das können Sie selbst tun
Personen, die am Lowe-Syndrom leiden, bedürfen einer umfassende [[Physiotherapie|Physio- und Sprachtherapie. Die Selbsthilfe-Maßnahmen beschränken sich darauf, die Behandlung durch regelmäßiges Üben zu unterstützen. Zudem müssen etwaige Begleitsymptome diagnostiziert und behandelt werden. Der Patient kann durch das Führen eines Beschwerdetagebuchs zu einer raschen Diagnose beitragen.
Die einzelnen Symptome können individuell behandelt werden. So bieten sich bei Glaukomen, Katarakten und anderen Augenproblemen Tropfen oder Salben an. In der Regel wird der Arzt ein geeignetes Präparat verschreiben, doch in einigen Fällen können auch Mittel aus der Naturheilkunde zum Einsatz kommen. Etwaige Verhaltensstörungen müssen, neben der medikamentösen Behandlung, im Rahmen einer Verhaltenstherapie behandelt werden. Der Betroffene benötigt die Unterstützung von Freunden und Angehörigen, die bei Krämpfen und anderen Beschwerden rasch eingreifen können.
Begleitend zu diesen Maßnahmen ist eine Ernährungsumstellung angezeigt. Patienten mit Lowe-Syndrom müssen regelmäßig Vitamin D, Phosphat und andere Vitamine und Mineralstoffe einnehmen, um Symptome wie Rachitis und Anämien zu lindern bzw. zu vermeiden. Manchmal ist auch die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll. Was die Betroffenen daneben noch selbst tun können, hängt von der individuellen Situation ab und kann nur vom zuständigen Arzt beantwortet werden.
Quellen
- Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003