Tenofovir
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. November 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Tenofovir (auch Tenofovirdisoproxil) wird therapeutisch bei der HIV-1- und bei der Hepatitis B - Infektion eingesetzt. Tenofovirdisoproxil wird dabei in den menschlichen Zellen zu Tenofovir aktiviert. Es hemmt einerseits die reverse Transkriptase bei HI-Viren (bzw. die DNA-Polymerase bei Hepatitis B-Viren) und wird andererseits als falscher Baustein in die Virus-DNA eingebaut, sodass sich das Virus nicht mehr vermehren kann. Es ist im Allgemeinen gut verträglich, kann aber bei vorbestehender Nierenschädigung zum Nierenversagen führen.
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Was ist Tenofovir?
Tenofovir ist ein antivirales Medikament (Virostatikum) und gehört zur Gruppe der nukleosidischen Hemmstoffe der reversen Transkriptase (NRTI) bei HI-Viren. Der Wirkstoff kann ebenfalls die DNA-Polymerase bei Hepatitis B-Viren blockieren.
Es ist ein modifiziertes Adenosinmonophosphat-Analogon und besteht aus einer Pentose, einer Nukleinbase sowie aus einem Phosphorsäurerest. Tenofovirdisoproxil ist dabei das Prodrug, das durch körpereigene Enzyme zu Tenofovir aktiviert wird.
Pharmakologische Wirkung
Die Einnahme des Medikamentes erfolgt in Tablettenform und sollte zu den Mahlzeiten erfolgen. Die korrekte Dosierung ist mit dem behandelnden Arzt abzusprechen und genau einzuhalten, da es sonst zu Resistenzbildungen kommen kann. Es besteht eine geringe Plasmaeiweißbindung und die Plasmahalbwertszeit beträgt 12 bis 18 Stunden. Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über die Niere.
Der Wirkstoff Tenofovirdisoproxil wird unverändert in die menschliche Zelle aufgenommen und durch spezielle Enzyme, die Kinasen, in Nukleotid-Triphosphate phosphoryliert und aktiviert. Tenofovir hat dabei einen dualen Wirkmechanismus. Die aktivierten Derivate hemmen einerseits die virale reverse Transkriptase beim HI-Virus beziehungsweise die DNA-Polymerase bei der Hepatitis B. Andererseits erfolgt ebenfalls ein Einbau in die virale DNA als falscher Baustein. Folglich wird nun die DNA-Synthese, aufgrund der fehlenden 3`Hydroxylgruppe am aktivierten Tenofovir, abgebrochen. Dadurch kann sich das Virus nicht weiter vermehren.
Im menschlichen Körper gibt es jedoch auch DNA-Polymerasen, insbesondere in den Mitochondrien. Diese können durch das Medikament ebenfalls gehemmt werden, mit entsprechenden Nebeneffekten.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Tenofovir wird in der Behandlung der HIV-1- und Hepatitis B-Infektion angewandt. Initial wurde das Medikament 2002 in Europa für die HIV-Therapie zugelassen und seit 2008 besteht eine Indikation zur Behandlung der chronischen Hepatitis B. Insbesondere bei Patienten mit Hepatitis B und aktiver Virusvermehrung sowie erhöhten Leberenzymen wird Tenofovir eingesetzt.
Bei der Behandlung von HIV wird Tenofovir immer in Kombination mit anderen Medikamenten eingesetzt. Angewendet werden kann die Therapie bei Erwachsenen sowie bei Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren.
Bei Schwangeren mit chronischer Hepatitis B-Infektion kann Tenofovir eine Übertragung des Virus auf das Ungeborene verringern. Dabei wurde unter Studienbedingungen das Medikament im letzten Schwangerschaftsdrittel gegeben und die Gabe bis 4 Wochen nach der Geburt fortgesetzt. Eine signifikante Erhöhung an Fehlbildungen beim Ungeborenen konnte bis dahin nicht beobachtet werden.
Zu beachten ist, dass es durch die Behandlung mit Tenofovir zu keiner Heilung von HIV-1 oder Hepatitis B kommt, sodass der Patient selbst unter der Therapie noch immer Viren auf andere Menschen übertragen kann. Entsprechende Schutzmaßnahmen sind daher unabdingbar, um eine Ansteckung zu vermeiden.
Verabreichung & Dosierung
Tenofovir ist ein antivirales Medikament, das zur Behandlung von HIV-Infektionen und chronischer Hepatitis B eingesetzt wird. Bei der Verabreichung und Dosierung sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um eine optimale Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Die übliche Dosierung von Tenofovir als Tenofovirdisoproxil beträgt 300 mg einmal täglich, entweder mit oder ohne Nahrung. In der Form von Tenofoviralafenamid ist die Dosierung niedriger, meist 25 mg einmal täglich, da es eine verbesserte Bioverfügbarkeit aufweist. Die genaue Dosierung hängt von der Indikation, dem Präparat und den individuellen Gesundheitsfaktoren des Patienten ab.
Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss die Dosierung von Tenofovir angepasst werden, da das Medikament hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird. Regelmäßige Kontrollen der Nierenfunktion, insbesondere der Kreatinin-Clearance, sind essenziell, um das Risiko für Nephrotoxizität zu minimieren.
Bei Patienten mit Hepatitis B ist die Dauer der Behandlung oft langfristig und erfordert regelmäßige Überwachung der Leberfunktion und Viruslast. Tenofovir sollte nicht abrupt abgesetzt werden, da dies zu einer Reaktivierung des Virus und einer Verschlechterung der Lebererkrankung führen kann.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, insbesondere nephrotoxischen Substanzen wie NSAR oder bestimmten Antibiotika, sollten berücksichtigt werden. Zudem sollte die Einnahme regelmäßig erfolgen, um Resistenzbildung zu vermeiden.
Risiken & Nebenwirkungen
Im Allgemeinen ist Tenofovir sehr gut verträglich. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall, Müdigkeit, Schwindel sowie Kopfschmerzen. Jedoch ist Vorsicht geboten bei Patienten mit bestehender Nierenfunktionseinschränkung. Das Mittel wirkt nephrotoxisch und kann in seltenen Fällen bis zum Nierenversagen führen. Auch sollte Tenofovir nicht mit anderen Medikamenten zusammen eingenommen werden, die die Niere zusätzlich schädigen können. Bei dialysepflichtigen Patienten ist Tenofovir kontraindiziert.
Durch die Hemmung der menschlichen mitochondrialen DNA-Polymerase können einige seltene, aber wichtige Langzeitnebenwirkungen entstehen. Besonders Kleinkinder, die einer Nukleosidtherapie im Mutterleib ausgesetzt waren, können ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen aufweisen. Es kann, durch einen Überschuss an Milchsäure im Blut, zu einer Laktatazidose kommen. Dies äußert sich in einer tiefen und schnellen Atmung, Schläfrigkeit sowie Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen. Dies sollte unverzüglich ärztlich versorgt werden, da diese Nebenwirkung tödlich enden kann.
Weiterhin kann es zur Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) kommen, was sich insbesondere durch Schmerzen im Oberbauch bemerkbar macht. In seltenen Fällen kann eine Muskel- und Gelenkschwäche, eine Schädigung der Nervenbahnen (Polyneuropathie) sowie eine Lipodystrophie (Körperfettumverteilungsstörung) auftreten. Bei bekannter allergischer Reaktion auf Tenofovir selbst oder auf andere Bestandteile des Medikamentes darf es nicht eingenommen werden.
Eine Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar und bedarf einer individuellen, medikamentösen Einstellung. Das Stillen während der Therapie ist nicht gestattet, da bislang unbekannt ist, ob das Medikament in die Muttermilch übertritt.
Kontraindikationen
Tenofovir weist mehrere Kontraindikationen auf, die bei der Verschreibung berücksichtigt werden müssen, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine schwere Niereninsuffizienz, insbesondere wenn keine Möglichkeit zur Dosisanpassung oder Dialyse besteht. Da Tenofovir hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird, kann eine eingeschränkte Nierenfunktion zu einer Akkumulation des Medikaments und einem erhöhten Risiko für Nephrotoxizität führen.
Patienten mit einer bekannten Überempfindlichkeit gegen Tenofovir oder einen seiner Inhaltsstoffe sollten das Medikament nicht einnehmen, da dies allergische Reaktionen wie Hautausschläge, Schwellungen oder in schweren Fällen anaphylaktische Reaktionen auslösen kann.
Auch bei bestehender Laktatazidose oder schweren Leberfunktionsstörungen ist Vorsicht geboten, da Tenofovir in seltenen Fällen Laktatazidose oder eine Hepatomegalie mit Steatose verursachen kann. Diese Zustände können sich durch die Einnahme verschlimmern.
Für schwangere Frauen und Stillende ist die Verwendung von Tenofovir sorgfältig abzuwägen, da es in die Muttermilch übergehen kann und mögliche Auswirkungen auf das Kind nicht vollständig geklärt sind. Bei gleichzeitiger Einnahme anderer nephrotoxischer Medikamente oder antiviraler Wirkstoffe, die über ähnliche Stoffwechselwege abgebaut werden, ist ebenfalls Vorsicht geboten, da das Risiko für Nebenwirkungen erhöht sein kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Tenofovir kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, was seine Wirksamkeit oder Sicherheit beeinflussen kann. Eine wichtige Interaktion besteht mit nephrotoxischen Medikamenten wie nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), Aminoglykosid-Antibiotika oder Amphotericin B. Die gleichzeitige Einnahme kann das Risiko für Nierenschäden erhöhen, da Tenofovir ebenfalls die Nierenfunktion beeinträchtigen kann.
Bei gleichzeitiger Einnahme von HIV-Proteaseinhibitoren wie Lopinavir/Ritonavir kann die Konzentration von Tenofovir im Blut erhöht sein, was das Risiko für Nebenwirkungen wie Nephrotoxizität oder Knochenschwäche steigert. Umgekehrt können Medikamente wie Didanosin, ein weiteres antivirales Mittel, durch Tenofovir in ihrer Plasmakonzentration erhöht werden. Dies kann zu verstärkten Nebenwirkungen von Didanosin wie Pankreatitis oder Laktatazidose führen.
Tenofovir kann auch mit Medikamenten interagieren, die die Nierenausscheidung beeinflussen, wie Probenecid, das die renale Elimination hemmt und somit die Tenofovir-Spiegel im Blut erhöht. Bei gleichzeitiger Anwendung von Verapamil, Ciclosporin oder Tacrolimus ist ebenfalls Vorsicht geboten, da diese Substanzen die Nierenfunktion beeinträchtigen können.
Zusätzlich sollte die gleichzeitige Anwendung von Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Phenobarbital vermieden werden, da diese den Tenofovir-Spiegel senken können und somit die antivirale Wirksamkeit beeinträchtigen. Regelmäßige Überwachung und Anpassung der Therapie sind bei diesen Kombinationen essenziell.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Tenofovir nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, abhängig von der Indikation (HIV oder Hepatitis B).
Für die Behandlung von HIV sind alternative antiretrovirale Medikamente aus der gleichen oder anderen Wirkstoffklassen verfügbar. Abacavir, ein Nukleosidanaloga-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI), ist eine häufig genutzte Alternative, sofern keine Abacavir-Hypersensitivität vorliegt. Ein weiterer Ersatz ist Emtricitabin, das oft mit anderen Medikamenten wie Dolutegravir oder Rilpivirin kombiniert wird. Integrasehemmer wie Dolutegravir oder Bictegravir können ebenfalls in antiretroviralen Therapieschemata verwendet werden und haben weniger nephrotoxische Nebenwirkungen.
Für chronische Hepatitis B können andere antivirale Medikamente wie Entecavir oder Pegyliertes Interferon alpha eingesetzt werden. Entecavir wirkt ähnlich wie Tenofovir, weist jedoch ein geringeres Risiko für Nieren- und Knochenschäden auf. Pegyliertes Interferon stimuliert das Immunsystem, um die Virusreplikation zu kontrollieren, ist jedoch mit häufigeren Nebenwirkungen wie grippeähnlichen Symptomen verbunden.
Zudem können Lebensstiländerungen und regelmäßige Kontrollen die Krankheitslast reduzieren. Eine ausgewogene Ernährung, die Vermeidung von Alkohol und nephrotoxischen Substanzen sowie regelmäßige Überwachung der Viruslast und Organfunktion sind essenziell, um die Behandlung anzupassen und Komplikationen zu vermeiden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor