Ciclosporin

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2025Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Wirkstoffe Ciclosporin
Ciclosporin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der immunsupprimierenden Arzneistoffe. Er wird überwiegend zur Prävention von Abstoßungsreaktion nach Organtransplantationen verwendet.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Ciclosporin?
Ciclosporin ist der gemeinfreie Name eines Arzneimittelwirkstoffs, der die Immunabwehr unterdrückt. Hergestellt wird der Arzneistoff aus den norwegischen Pilzarten Cylindrocarpon lucidum und Tolypocladium inflatum. Chemisch betrachtet ist Ciclosporin ein zyklisches Protein mit elf verschiedenen Aminosäureestern.
Erstmalig wurde Ciclosporin in der Transplantationsmedizin im Jahr 1978 eingesetzt. Diese Erstverwendung war eine Revolution dieses Bereichs der Medizin, da sich durch Ciclosporin die Überlebenszeit der Organempfänger deutlich steigerte. Entdecker des Arzneistoffes sind Hartmann Stähelin und Jean-François Borel.
Pharmakologische Wirkung
Ciclosporin ist ein sogenanntes zyklisches Protein. Es bindet sich an Cyclophilin A. Dieses ist ein Immunophilin. Immunophiline sind Eiweiße, die in den Körperzellen vorkommen. Ihre genaue Bedeutung für den Organismus ist noch unbekannt. Sie fungieren im Falle des Ciclosporins als intrazellulärer Rezeptor. Durch die Bindung an diese Prolyl-cis-trans-Isomerase entsteht ein Komplex, welcher sich wiederum an das Calcineurin bindet. Calcineurin ist eine Phosphatase, die Calcium- und Calmodulin-abhängig ist.
Der Komplex aus Cyclophilin A und Ciclosporin verhindert beim Calcineurin die Aktivierung des nuclear factor acticatin T-Cell (NFAT). Es handelt sich dabei um ein genregulierendes Protein. Normalerweise gelangt das aktivierte NFAT in den Zellkern und induziert dort die Produktion von Zytokinen, Interleukinen und Interferonen.
Ohne Hemmung von Ciclosporin werden zahlreiche immunstimulierende Stoffe ausgeschüttet. Ciclosporin deaktiviert diesen Mechanismus vorübergehend und hemmt somit die Ausschüttung von Immunstimulanzien und die Vermehrung von weißen Blutkörperchen. Auf diese Weise wirkt Ciclosporin immunsupprimierend.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Ciclosporin wird zur Unterdrückung des Immunsystems eingesetzt. Eine solche Immunsuppression ist beispielsweise nach Transplantationen nötig. Nach Transplantationen kann es sein, dass der Körper das transplantierte Organ als fremd erkennt und attackiert. Das Immunsystem reagiert dabei auf das Transplantat wie auf einen Krankheitserreger. Solche Abstoßungsreaktionen können Tage, Monate oder sogar Jahre nach der Operation auftreten. Um diese Reaktionen zu verhindern, werden Immunsuppressive wie Ciclosporin eingesetzt.
Ciclosporin wird allerdings auch bei Autoimmunerkrankungen verwendet. Bei einer Autoimmunreaktion richtet sich das Immunsystem aus oft noch unbekannten Gründen gegen eigenes Gewebe oder gegen eigene Organe. Colitis ulcerosa und Morbus Crohn gehören zu den Autoimmunerkrankungen, die mit Ciclosporin behandelt werden. Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gehen mit Symptomen wie Bauchkrämpfen, Durchfall und starken Verdauungsstörungen einher.
Auch die Glomerulonephritis wird mit Ciclosporin behandelt. Die Glomerulonephritis ist eine Erkrankung der Nierenkörperchen, die meistens ein bis zwei Wochen nach einer Infektion der oberen Atemwege oder der Ohren auftritt.
Weitere Anwendungsgebiete für Ciclosporin sind schwere oder sogar therapieresistente Hauterkrankungen wie Schuppenflechte oder atopische Dermatitis (Neurodermitis) und chronische Entzündungen der Augenbindehaut oder der Hornhaut.
In Kombination mit dem Arzneistoff Methylprednisolon werden mit Ciclosporin bei der Behandlung der Alopecia areata gute Erfolge erzielt. Alopecia areata ist auch als kreisrunder Haarausfall bekannt. Es handelt sich dabei um die häufigste entzündliche Erkrankung mit Haarausfall.
Ciclosporin kommt ebenfalls in der Krebstherapie zum Einsatz. Zusammen mit dem Arzneistoff Verapamil verhindert es, dass Chemotherapeutika vom Multidrug-Resistance-Protein 1 aus den Zielzellen transportiert werden. Der Transporter MDR1 ist oft für eine Resistenz gegenüber Chemotherapeutika verantwortlich.
Verabreichung & Dosierung
Ciclosporin ist ein Immunsuppressivum, das vor allem zur Verhinderung von Transplantatabstoßungen sowie zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird. Die Verabreichung und Dosierung erfordert eine sorgfältige Überwachung, da das Medikament eine enge therapeutische Breite besitzt.
Die Dosierung wird individuell angepasst und hängt von Faktoren wie Körpergewicht, Organfunktion und Therapieziel ab. In der Regel erfolgt die initiale Dosis bei Organtransplantationen mit 10–15 mg/kg Körpergewicht pro Tag, aufgeteilt auf zwei Gaben. Später wird die Dosis schrittweise reduziert. Bei Autoimmunerkrankungen liegt die Dosis meist niedriger.
Die Einnahme sollte stets zur gleichen Tageszeit erfolgen, vorzugsweise auf nüchternen Magen oder mit einer leichten Mahlzeit, um Schwankungen der Wirkstoffaufnahme zu minimieren. Der Blutspiegel von Ciclosporin muss regelmäßig überwacht werden, um Unter- oder Überdosierungen zu vermeiden.
Besondere Vorsicht ist bei der gleichzeitigen Einnahme von Medikamenten geboten, die den Ciclosporin-Spiegel beeinflussen können, darunter bestimmte Antibiotika, Antimykotika und Calciumkanalblocker. Zudem sollte auf Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft geachtet werden, da dieser die Ciclosporin-Konzentration im Blut erhöhen kann. Eine sorgfältige Nieren- und Leberfunktionüberwachung ist essenziell, da Ciclosporin nephro- und hepatotoxisch sein kann.
Risiken & Nebenwirkungen
Schon in geringeren Dosen kann die regelmäßige Einnahme von Ciclosporin die Nieren schädigen. Auch Schädigungen von Leber und Magen-Darm-Trakt sind möglich. Des Weiteren kann es zu Wucherungen des Zahnfleisches und zu Wassereinlagerungen kommen. Auch Bluthochdruck oder Hirsutismus sind mögliche Nebenwirkungen. Als Hirsutismus wird ein männliches Verteilungsmuster der Körperhaare bei der Frau bezeichnet. So finden sich bei den betroffenen Frauen kräftige Haare im ohrnahen Kieferbereich, an der Oberlippe, am Kinn, auf der Brust und auf dem Bauch.
Bei Patienten, die Ciclosporin regelmäßig in hoher Dosierung einnehmen, wird das Immunsystem stark geschwächt. In der Regel sind von dieser Immunschwäche Transplantationspatienten betroffen. Einerseits ist die Immunschwäche zur Prävention von Transplantatabstoßungen gewünscht, andererseits erhöht sie die Krebserkrankungswahrscheinlichkeit um den Faktor drei bis fünf. Darüber hinaus besteht eine erhöhte Infektionsgefahr. Auch eigentlich harmlose Infektionen können schwere Verläufe nehmen. Zudem kommt es zu einer Erhöhung der Blutfettwerte. Einige Patienten entwickeln bei der Einnahme auch Fibroadenome. Fibroadenome sind tumoröse gutartige Neubildung im Bereich der Brustdrüse. Unter Einnahme von Ciclosporin sollte starke Sonneneinstrahlung vermieden werden. Auch UV-Bestrahlungen und Lichttherapien sind kontraindiziert.
Kontraindikationen
Ciclosporin darf nicht angewendet werden, wenn bestimmte Kontraindikationen vorliegen, da das Medikament schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen kann. Eine absolute Kontraindikation ist eine bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Ciclosporin oder einem der Hilfsstoffe des Präparats.
Schwere Nierenfunktionsstörungen stellen eine wesentliche Kontraindikation dar, da Ciclosporin nephrotoxisch ist und die Nierenfunktion weiter verschlechtern kann. Auch Patienten mit unkontrollierter Hypertonie sollten das Medikament nicht erhalten, da es den Blutdruck erhöhen kann. Schwere Lebererkrankungen können die Metabolisierung von Ciclosporin beeinträchtigen und zu einer erhöhten Toxizität führen.
Patienten mit unbehandelten oder aktiven Infektionen sollten von einer Ciclosporin-Therapie absehen, da das Immunsystem durch das Medikament unterdrückt wird und das Infektionsrisiko steigt. Ebenso ist die Anwendung bei malignen Erkrankungen wie Lymphomen oder Hautkrebs kontraindiziert, da Immunsuppressiva das Tumorwachstum begünstigen können.
Bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die die Ciclosporin-Konzentration stark verändern (z. B. Johanniskraut, Rifampicin oder bestimmte Antimykotika), ist besondere Vorsicht geboten. Die Kombination mit anderen immunsuppressiven Wirkstoffen kann das Risiko für schwere Infektionen oder Toxizitäten erhöhen. Stillende Frauen sollten Ciclosporin meiden, da es in die Muttermilch übergeht und das Kind gefährden kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Ciclosporin zeigt zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die dessen Konzentration im Blut erhöhen oder senken können, was das Risiko für Nebenwirkungen oder eine unzureichende Wirkung mit sich bringt.
Substanzen, die die Ciclosporin-Konzentration erhöhen, indem sie dessen Abbau in der Leber hemmen, sind unter anderem Makrolid-Antibiotika wie Erythromycin und Clarithromycin, Antimykotika wie Ketoconazol und Fluconazol sowie Calciumkanalblocker wie Verapamil und Diltiazem. Auch Grapefruitsaft kann die Ciclosporin-Konzentration steigern, weshalb dessen Konsum während der Behandlung vermieden werden sollte. Eine erhöhte Ciclosporin-Konzentration kann zu verstärkter Nephrotoxizität, Bluthochdruck und anderen Nebenwirkungen führen.
Umgekehrt gibt es Medikamente, die die Ciclosporin-Konzentration senken, indem sie dessen Abbau in der Leber beschleunigen. Dazu gehören Rifampicin, Johanniskraut sowie bestimmte Antiepileptika wie Phenytoin, Phenobarbital und Carbamazepin. Eine reduzierte Ciclosporin-Konzentration kann zu einer unzureichenden Immunsuppression und einem erhöhten Risiko für Transplantatabstoßungen führen.
Zusätzlich kann Ciclosporin selbst den Spiegel anderer Medikamente beeinflussen. Es erhöht beispielsweise die Toxizität von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und Aminoglykosid-Antibiotika, was die Nierenbelastung verstärkt. Die gleichzeitige Gabe von Ciclosporin und Statinen kann zudem das Risiko einer Myopathie oder Rhabdomyolyse erhöhen, weshalb eine engmaschige Überwachung erforderlich ist.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Ciclosporin nicht vertragen wird oder aufgrund von Kontraindikationen nicht angewendet werden kann, stehen verschiedene alternative Immunsuppressiva und Behandlungsmethoden zur Verfügung.
Ein häufig verwendeter Ersatz ist Tacrolimus, ein Calcineurin-Inhibitor mit einer ähnlichen Wirkweise wie Ciclosporin, aber einer anderen Nebenwirkungsprofil. Tacrolimus wird oft bei Organtransplantationen oder Autoimmunerkrankungen eingesetzt und kann insbesondere dann eine Alternative sein, wenn Ciclosporin zu schweren Nebenwirkungen führt.
Ein weiteres Immunsuppressivum ist Mycophenolat-Mofetil (MMF), das die Vermehrung von Lymphozyten hemmt und häufig in Kombination mit anderen Immunsuppressiva eingesetzt wird. Es eignet sich besonders bei Nierentransplantationen oder Autoimmunerkrankungen wie Lupus. Azathioprin ist eine weitere Option, die vor allem in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt wird.
In einigen Fällen können Biologika wie Rituximab oder Belatacept eine Alternative darstellen, insbesondere wenn eine gezielte Modulation des Immunsystems erforderlich ist. Kortikosteroide wie Prednisolon werden oft zur kurzfristigen Immunsuppression oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen verwendet.
Falls eine medikamentöse Therapie nicht infrage kommt, können Plasmapherese oder Photopherese als alternative Behandlungsansätze genutzt werden, insbesondere bei bestimmten Autoimmunerkrankungen oder Abstoßungsreaktionen nach einer Transplantation.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor