Glycopyrroniumbromid
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 29. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Glycopyrroniumbromid ist ein Arzneimittel der Gruppe der Parasympatholytika. Es dient als Wirkstoff zur Sekretreduzierung bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD. Als Anticholinergikum unterdrückt es die Wirkung von Acetylcholin im Parasympathikus.
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Was ist Glycopyrroniumbromid?
Glycopyrroniumbromid ist ein chemisch kompliziert aufgebauter Wirkstoff mit einer quaternären Ammoniumstruktur. Es besteht als inneres Salz aus einem organischen Kation und dem Anion Bromid.
Außerdem ist es chemisch verwandt mit dem Atropin. Als reine Substanz liegt es als weißes, kristallines Pulver vor. Es ist aufgrund seiner Salzstruktur in Wasser leicht und in Fetten b. z. w. Ölen unlöslich. Glycopyrroniumbromid hat einen Bronchien erweiternden Einfluss und wird deshalb zur Behandlung von COPD eingesetzt. Es wirkt sehr schnell, aber auch langfristig, sodass es täglich nur einmal angewendet werden muss. Die Behandlung erfolgt als Pulverinhalation.
Aufgrund seiner geringen Fettlöslichkeit kann es die Blut-Hirn-Schranke kaum überwinden und ruft dadurch auch keine schwerwiegenden psychischen Nebenwirkungen bei der Anwendung hervor. Es treten lediglich Nebenwirkungen auf, welche im Zusammenhang mit einer verringerten Sekretion in den Schleimhäuten und Schweißdrüsen stehen.
Pharmakologische Wirkung
Glycopyrroniumbromid entfaltet seinen Einfluss an den muskarinartigen Rezeptoren des Parasympathikus. Dabei hemmt es die Wirkung von Acetylcholin und unterdrückt damit indirekt die Nervenweiterleitungen im parasympathischen Nervensystem (Parasympathikus).
Der Parasympathikus gehört neben dem sympathischen und dem enterischen Nervensystem (Darmnervensystem) zum sogenannten vegetativen Nervensystem. Parasympathikus und Sympathikus wirken als Gegenspieler. Der Parasympathikus ist für die inneren Funktionen des Körpers bei Ruhe verantwortlich, während der Sympathikus äußere Aktivitäten fördert. Bei erhöhter Aktivität des Parasympathikus findet eine stärkere Sekretion von Schleim in den Bronchien und Schweiß aus den Schweißdrüsen statt.
Außerdem besteht eine erhöhte Motilität des Magen-/Darmkanals. Durch die Hemmung des Acetylcholins an den muskarinartigen Rezeptoren des Parasympathikus werden natürlich auch die Sekretproduktion, die Schweißbildung und die Magen-/Darmtätigkeit reduziert. Außerdem findet noch eine Absenkung der Herzfrequenz statt. Zur symptomatischen Behandlung bei einigen Erkrankungen oder zur Vorbereitung von Operationen sind solche Reduktionen von bestimmten Körperfunktionen notwendig.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Glycopyrroniumbromid kommt hauptsächlich bei der symptomatischen Behandlung von COPD, der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, zur Anwendung. Hier soll durch die Erweiterung der Bronchien die Schleimsekretion reduziert werden. Dabei wird täglich das Medikament als Pulver inhaliert. Eine Heilung der Erkrankung ist so nicht möglich, aber durch die Bekämpfung der Symptome wird die Lebensqualität der Patienten deutlich erhöht.
Das Medikament wird auch bei dem äußerst schweren Krankheitszustand der Rasselatmung angewendet. Hier ist der Patient nicht mehr in der Lage, das gebildete Sekret abzuhusten und droht zu ersticken. Das Gleiche gilt bei Schluckstörungen mit erhöhtem Speichelfluss. Auch vor Operationen wird Glycopyrroniumbromid zur Senkung der Speichel- und Schleimsekretion eingesetzt.
Da die Muskarinrezeptoren gut auf Glycopyrroniumbromid ansprechen, tritt z. B. die Wirkung zur Reduzierung des Speichelflusses bei einer Dosierung ein, wo Nebenwirkungen noch keine Rolle spielen. Ein weiteres Einsatzgebiet von Glycopyrroniumbromid ist die Narkoseeinleitung, um auch hier die Sekretbildung und die Herzfrequenz herabzusetzen. Gute Wirksamkeit zeigen die Medikamente auch bei Magen-/Darmstörungen.
So wird die erhöhte Darmtätigkeit herabgesetzt und die Magensaftsekretion reduziert. Als weitere Indikation ist auch noch die Hyperhidrosis zu nennen. Die Hyperhidrosis ist eine Erkrankung, bei welcher eine übermäßige Schweißbildung stattfindet.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Glycopyrroniumbromid sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten. Glycopyrroniumbromid, ein Anticholinergikum, wird häufig zur Behandlung von übermäßiger Speichelproduktion und anderen spastischen Zuständen eingesetzt.
Zunächst ist die Dosierung individuell anzupassen, abhängig von der Schwere der Symptome, dem Alter, dem Gewicht und der Reaktion des Patienten. Erwachsene beginnen oft mit einer niedrigen Dosis, die schrittweise erhöht wird, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren. Für Kinder und ältere Menschen sind in der Regel niedrigere Anfangsdosen erforderlich.
Die Verabreichungsform kann variieren: Glycopyrroniumbromid ist als Tablette, Injektionslösung und als Inhalationslösung verfügbar. Bei oraler Einnahme sollte das Medikament vor den Mahlzeiten eingenommen werden, um die beste Absorption zu gewährleisten. Bei der Injektion ist auf aseptische Techniken zu achten, um Infektionen zu vermeiden.
Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit bestehenden Erkrankungen wie Glaukom, Prostatavergrößerung, Magen-Darm-Stenosen oder Myasthenia gravis geboten, da Glycopyrroniumbromid anticholinerge Effekte verstärken kann. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, insbesondere anderen Anticholinergika, müssen sorgfältig überwacht werden, um additive Effekte und potenzielle Nebenwirkungen zu vermeiden.
Häufige Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Harnverhalt und Sehstörungen sollten überwacht und gegebenenfalls durch Dosisanpassungen oder symptomatische Behandlungen gemindert werden. Patienten sollten auch über mögliche Symptome einer Überdosierung informiert werden, wie starke Mundtrockenheit, erhöhter Puls, Verwirrtheit und Hitzewallungen, und angehalten werden, sofort medizinische Hilfe zu suchen, falls solche Symptome auftreten.
Risiken & Nebenwirkungen
Wie bei allen Medikamenten treten auch beim Einsatz von Glycopyrroniumbromid Nebenwirkungen auf. Als Nebenwirkungen treten eventuell Mundtrockenheit, Verstopfung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Harnwegsinfektionen und auch Sehstörungen auf.
Dabei ist zu sagen, dass diese Nebenwirkungen meist relativ mild sind. Nur bei einer konkreten Überempfindlichkeit gegen Glycopyrroniumbromid ist eine Anwendung kontraindiziert. Außerdem darf Glycopyrroniumbromid nicht in Kombination mit anderen Parasympatholytika eingesetzt werden. Schwere Nebenwirkungen von Glycopyrroniumbromid können bereits deshalb verhindert werden, weil die positiven Wirkungen schon bei geringer Dosierung auftreten und die Wirkung relativ lange anhält.
Weiterhin ist Glycopyrroniumbromid durch seine ionische Struktur fettunlöslich und kann dadurch nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Dadurch kann der Wirkstoff keine schweren zentralnervösen Störungen, wie Gedächtnisstörungen, Verwirrtheitszustände oder Halluzinationen auslösen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Glycopyrroniumbromid umfassen mehrere medizinische Zustände und Situationen, in denen das Medikament nicht sicher oder wirksam ist. Eine der Hauptkontraindikationen ist das Vorliegen eines Engwinkelglaukoms, da Glycopyrroniumbromid den Augeninnendruck erhöhen kann und das Glaukom verschlimmern könnte.
Patienten mit einer obstruktiven Erkrankung des Magen-Darm-Trakts, wie z.B. Pylorusstenose oder paralytischem Ileus, sollten Glycopyrroniumbromid ebenfalls nicht verwenden. Das Medikament kann die Magen-Darm-Motilität weiter verringern und die Obstruktion verschlimmern. Ähnlich gilt dies für Patienten mit einer schweren Colitis ulcerosa, da anticholinerge Medikamente das Risiko einer toxischen Megakolonbildung erhöhen können.
Eine weitere wichtige Kontraindikation ist die Myasthenia gravis, eine Erkrankung, die durch eine gestörte neuromuskuläre Übertragung gekennzeichnet ist. Glycopyrroniumbromid kann die Symptome dieser Erkrankung verschlechtern, da es die cholinerge Übertragung hemmt.
Patienten mit Harnverhalt oder einer schweren Prostatavergrößerung sollten ebenfalls von der Anwendung von Glycopyrroniumbromid absehen. Das Medikament kann die Blasenentleerung erschweren und den Harnverhalt verschlimmern.
Darüber hinaus sollte Glycopyrroniumbromid bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit oder Allergie gegen das Medikament oder einen seiner Bestandteile nicht angewendet werden. Die Möglichkeit von allergischen Reaktionen, einschließlich Anaphylaxie, macht es erforderlich, solche Fälle zu vermeiden.
Insgesamt erfordert die Anwendung von Glycopyrroniumbromid eine sorgfältige Abwägung der Risiken und eine gründliche Anamnese, um potenzielle Kontraindikationen zu identifizieren und sicherzustellen, dass die Behandlung für den jeweiligen Patienten geeignet ist.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Glycopyrroniumbromid kann mit verschiedenen anderen Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie beeinflussen kann. Eine wichtige Gruppe von Interaktionen betrifft andere anticholinerge Medikamente. Die gleichzeitige Anwendung von Glycopyrroniumbromid mit anderen anticholinergen Substanzen, wie Atropin oder Scopolamin, kann die anticholinergen Effekte verstärken und das Risiko für Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Harnverhalt und Verwirrung erhöhen.
Darüber hinaus kann Glycopyrroniumbromid die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, die auf das zentrale Nervensystem wirken. Zum Beispiel können die sedierenden Effekte von Antihistaminika, trizyklischen Antidepressiva und einigen Antipsychotika verstärkt werden, wenn sie zusammen mit Glycopyrroniumbromid eingenommen werden. Diese Kombinationen können zu verstärkter Schläfrigkeit, Verwirrung und verminderter kognitiver Funktion führen.
Auch die Wirkung von Medikamenten gegen Bewegungsstörungen, wie Levodopa bei der Parkinson-Krankheit, kann durch Glycopyrroniumbromid beeinträchtigt werden. Es kann zu einer Verschlechterung der Parkinson-Symptome kommen.
Darüber hinaus kann Glycopyrroniumbromid die Absorption von anderen oral eingenommenen Medikamenten beeinflussen, indem es die Magenentleerung verlangsamt. Dies kann die Wirksamkeit von Medikamenten wie Digoxin, die eine konstante Resorption erfordern, beeinträchtigen.
Patienten, die Protonenpumpenhemmer oder andere Medikamente zur Behandlung von Magensäure verwenden, sollten ebenfalls vorsichtig sein, da Glycopyrroniumbromid die Magensäureproduktion beeinflussen kann und somit die Wirkung dieser Medikamente verändern kann.
Insgesamt ist es wichtig, dass Ärzte und Apotheker die gesamte Medikation eines Patienten berücksichtigen, um potenzielle Interaktionen zu identifizieren und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Patienten sollten auch angehalten werden, ihre vollständige Medikamentenliste offenzulegen, um Risiken zu minimieren.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Glycopyrroniumbromid nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und den spezifischen Bedürfnissen des Patienten.
Für die Behandlung von übermäßiger Speichelproduktion (Sialorrhoe) können andere Anticholinergika wie Scopolamin oder Atropin in Betracht gezogen werden. Diese Medikamente wirken ähnlich wie Glycopyrroniumbromid, indem sie die Speichelproduktion verringern, haben jedoch unterschiedliche Nebenwirkungsprofile, die besser vertragen werden könnten.
Botulinumtoxin-Injektionen sind eine weitere wirksame Alternative zur Behandlung von Sialorrhoe. Botulinumtoxin wird in die Speicheldrüsen injiziert, um die Speichelproduktion temporär zu reduzieren. Diese Methode bietet den Vorteil einer gezielten Wirkung mit einer relativ langen Wirkungsdauer von mehreren Monaten.
Für Patienten mit spastischen Zuständen oder Hyperhidrose (übermäßiges Schwitzen) können andere Medikamentenklassen wie Muskelrelaxanzien (z.B. Baclofen) oder Beta-Blocker (z.B. Propranolol) eingesetzt werden, je nach den spezifischen Symptomen und Bedürfnissen des Patienten. Diese Medikamente wirken über unterschiedliche Mechanismen und können besser vertragen werden als Anticholinergika.
Darüber hinaus können nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Verhaltenstherapie oder physikalische Therapien hilfreich sein, insbesondere bei Kindern oder Patienten, die empfindlich auf Medikamente reagieren. Spezielle Übungen und Techniken können helfen, die Kontrolle über Symptome wie übermäßigen Speichelfluss zu verbessern.
Die Auswahl der geeigneten Alternative sollte individuell und in Absprache mit einem Arzt erfolgen, unter Berücksichtigung der spezifischen gesundheitlichen Bedürfnisse und der bisherigen Reaktionen des Patienten auf verschiedene Behandlungen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor