Amisulprid
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 17. September 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der Wirkstoff Amisulprid ist ein Benzamid und Sulpirid-Derivat. Er ist unter mehreren Namen im Handel und wird als atypisches Neuroleptikum zur Schizophrenie-Therapie eingesetzt. Amisulprid ist verschreibungspflichtig.
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Was ist Amisulprid?
Die vollständige chemische Bezeichung für Amisulprid lautet (RS)-4-Amino-N-[(1-ethyl-2-pyrrolidinyl)methyl]-5-(ethylsulfonyl)-2-methoxybenzamid. Amisulprid ist ein Dopamin-Rezeptor-Antagonist und wird als sogenanntes Racemat zur Therapie von akuten und chronischen Schizophrenien verwendet. In Einzelfällen wurden außerdem Therapieerfolge beim Tourette-Syndrom beobachtet. Amisulprid gibt es als Tabletten zu 50 mg, 100 mg, 200 mg und 400 mg sowie als 1-ml-Lösung zum Einnehmen mit 100 mg des Wirkstoffs. Die Darreichungsform und Dosis entscheidet der behandelnde Arzt.
Das Neuroleptikum Amisulprid hat einen antipsychischen und sedierenden Einfluss. Anders als die meisten Neuroleptika wirken Benzide wie Amisulprid nicht dämpfend, sondern eher stimmungsaufhellend und aktivierend. Die Einnahme von Amisulprid verursacht weniger Nebenwirkungen als übliche Neuroleptika. Insbesondere Phänomene wie Bewegungsstörungen oder Müdigkeit treten wesentlich seltener auf.
Pharmakologische Wirkung
Chemisch zählt Amisulprid zur Gruppe substituierter Benzamide und es ist ein Derivat von Sulpirid. Neuroleptika greifen in die Nerventätigkeit des Gehirns ein, indem sie die Konzentrationen der Botenstoffe im Gehirn verändern. Dies beeinflusst Wahrnehmung und Gefühlsleben.
Während die meisten der typischen Neuroleptika auf den Botenstoff Dopamin wirken und damit auf die entsprechenden Rezeptoren, wirkt Amisulprid als atypisches Neuroleptikum zusätzlich hemmend auf weitere Botenstoffe und ihre Bindungsstellen im Gehirn. Dazu gehört auch Serotonin.
Als Medikament gegen Psychosen wie Schizophrenie wirkt das atypische Neuroleptikum Amisulprid zweifach:
- 1. Amisulprid beeinflusst die „Positiv-Symptomatik“: Es dämpft Wahnvorstellungen.
- 2. Amisulprid beeinflusst außerdem die „Negativ-Symptomatik“: Es verringert Effekte wie sozialen Rückzug, Isolation, Antriebsminderung sowie Gefühlsabflachungen eines Patienten.
- Amisulprid wirkt also vermehrt stimmungsaufhellend und aktivierend und nicht ermüdend und dämpfend wie typische Neuroleptika.
Der Wirkstoff Amisulprid kann mit anderen zentral wirkenden Arzneimitteln interagieren und deren Wirkung verstärken. Auf Levodopa, ein Anti-Parkinson-Medikament, übt Amisulprid eine entgegengesetzte Wirkung aus und schwächt dessen Effekt. Gelegentlich wird wiederum während einer Therapie mit Amisulprid eine ergänzende Gabe von einem Anti-Parkinson-Medikament empfohlen, um Nebenwirkungen wie eingeschränkte motorische Fähigkeiten, Körpersteifheit oder Verkrampfungen zu lindern.
Als weitere mögliche Nebenwirkungen von Amisulprid sind zu nennen: Spätdyskinesien, Hyperprolaktinämie, Menstruationsstörungen, Impotenz, Libidoverlust, gastrointestinale Beschwerden, epileptische Anfälle, Hypotonie und die Verlängerung des QT-Intervalls des Herzens. Extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen treten unter einer Behandlung mit Amisulprid verglichen mit anderen Neuroleptika selten auf.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Amisulprid als atypisches Neuroleptikum wird zur Therapie von Schizophrenie sowie weiteren Psychosen verwendet. Dies sind im Einzelnen:
- Schizophrenie - akut und chronisch
- Psychosen, Wahnvorstellungen, Denkstörungen, Halluzinationen
- Persönlichkeitsstörungen
Als ein nicht dämpfendes und dafür die Stimmung hebendes und aktivierendes Medikament wirkt Amisulprid dazu auf positive Weise bei Verhaltensformen wie sozialem Misstrauen bis zur Feindseligkeit - insbesondere gegenüber Fremden, sozialem Rückzug, verarmtem beziehungsweise verflachtem Gefühlsleben sowie Antriebsmangel entgegen.
Unter einer Therapie mit Amisulprid schaffen es bisher stark lethargische Patienten, sich aus ihrer aus einem Antriebsmangel selbst gewählten Isolation zu befreien, indem sie wieder interessiert auf andere Menschen zugehen.
Trotz einer Indikation auch für akute Schizophrenie verfügt Amisulprid speziell hier nur über ein begrenztes Potenzial.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Amisulprid, einem Antipsychotikum zur Behandlung von Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen, müssen mehrere wichtige Aspekte beachtet werden. Die Dosierung richtet sich nach dem Krankheitsbild und der Symptomatik des Patienten. Bei akuten psychotischen Symptomen liegt die übliche Dosis zwischen 400 mg und 800 mg täglich, während bei chronischen oder weniger ausgeprägten Symptomen niedrigere Dosen von 50 mg bis 300 mg pro Tag ausreichen können. Die Maximaldosis beträgt 1200 mg täglich.
Amisulprid wird in der Regel zweimal täglich eingenommen, um gleichmäßige Blutspiegel zu gewährleisten. Es sollte unabhängig von den Mahlzeiten, aber stets zu denselben Zeiten eingenommen werden, um eine konstante Wirkung zu erzielen. Besonders wichtig ist die individuelle Anpassung der Dosis bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, da Amisulprid hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird. Hier kann es notwendig sein, die Dosis zu reduzieren, um eine Akkumulation des Wirkstoffs und damit verbundene Nebenwirkungen zu vermeiden.
Da Amisulprid das Risiko von QT-Verlängerungen im EKG erhöht, ist Vorsicht bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten, die das QT-Intervall beeinflussen, geboten. Regelmäßige Überwachung des Herzrhythmus und der Elektrolyte wird empfohlen.
Risiken & Nebenwirkungen
In bestimmten Fällen ist Amisulprid kontraindiziert - und zwar bei:
- Morbus Parkinson, da es dem Mittel Lepodova entgegenwirkt
- Alkoholabusus
- stark eingeschränkter Nierenfunktion
- Allergie gegen den Wirkstoff Amisulprid
- Kombination mit Medikamenten, die schwerwiegende Herzrhythmusstörungen verursachen können
Zu beachten ist auch, dass Amisulprid die Wirkung von anderen Psychopharmaka verstärken kann.
Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren sind von einer Amisulprid-Verordnung ausgeschlossen. Ebenso wird von einer Anwendung im Alter von 15 bis 18 Jahren sowie über 65 Jahren abgeraten. Während Schwangerschaft und Stillzeit sollte Amisulprid nicht eingenommen werden, gegebenenfalls sollte so lange abgestillt werden.
Da es wie bei anderen Neuroleptika bei Amisulprid zu einem malignen neurologischen Syndrom kommen kann, ist bei entsprechenden Symptomen wie Muskelsteifigkeit, hohem Fieber, vegetativen Störungen (Blässe, Schweißausbruch und Kreislaufinstabilität) und Bewusstseinstrübung unverzüglich ein Arzt zu kontaktieren und das Medikament abzusetzen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Amisulprid betreffen mehrere gesundheitliche Bedingungen und Risiken. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Amisulprid oder einen seiner Inhaltsstoffe. Ebenso sollte Amisulprid nicht bei Patienten mit Phäochromozytom, einem hormonproduzierenden Tumor der Nebennieren, angewendet werden, da das Medikament das Risiko für eine starke Blutdruckerhöhung birgt.
Eine weitere Kontraindikation ist die QT-Verlängerung im EKG, eine Störung der elektrischen Aktivität des Herzens, die das Risiko für schwerwiegende Herzrhythmusstörungen erhöht. Bei Patienten mit bereits bestehenden Herzrhythmusstörungen oder bei der Einnahme von Medikamenten, die das QT-Intervall verlängern, sollte Amisulprid nicht angewendet werden.
Auch bei schwerer Niereninsuffizienz ist Vorsicht geboten, da Amisulprid hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden wird. In solchen Fällen kann die Akkumulation des Medikaments zu einer erhöhten Toxizität führen. Zudem ist Amisulprid bei prolaktinabhängigen Tumoren wie Brustkrebs kontraindiziert, da es den Prolaktinspiegel im Blut erhöht und das Tumorwachstum fördern könnte.
Schließlich sollte Amisulprid bei schweren depressiven Zuständen mit Suizidgefahr mit besonderer Vorsicht eingesetzt werden, da es das zentrale Nervensystem beeinflusst und das Risiko für suizidales Verhalten erhöhen kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Amisulprid weist zahlreiche potenzielle Interaktionen mit anderen Medikamenten auf, die beachtet werden müssen. Besonders wichtig ist die gleichzeitige Anwendung von Medikamenten, die das QT-Intervall verlängern, wie bestimmte Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron, Sotalol), einige Antibiotika (z. B. Moxifloxacin), und Antidepressiva (z. B. Citalopram). Diese Kombinationen können das Risiko für schwere Herzrhythmusstörungen, einschließlich Torsades de Pointes, deutlich erhöhen.
Eine weitere kritische Interaktion besteht mit zentral dämpfenden Medikamenten, wie Benzodiazepinen, Opioiden oder anderen Antipsychotika. Die gleichzeitige Einnahme kann die sedierenden Effekte von Amisulprid verstärken, was zu verstärkter Schläfrigkeit, Atemdepression oder einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen führen kann.
Amisulprid sollte ebenfalls nicht mit Dopaminagonisten wie Levodopa oder Dopamin-ähnlichen Wirkstoffen kombiniert werden, da sie gegensätzlich wirken. Amisulprid blockiert Dopaminrezeptoren, während Dopaminagonisten diese aktivieren, was die Wirksamkeit beider Medikamente verringern kann.
Darüber hinaus kann die gleichzeitige Einnahme von Antihypertensiva das Risiko für Hypotonie (niedrigen Blutdruck) erhöhen, besonders bei älteren Patienten. Auch Wechselwirkungen mit Alkohol sind problematisch, da Alkohol die zentralnervöse Wirkung von Amisulprid verstärken kann, was zu einer erhöhten Schläfrigkeit oder kognitiven Beeinträchtigungen führt.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Amisulprid nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, insbesondere bei der Behandlung von Schizophrenie und anderen psychotischen Störungen. Eine gängige Alternative sind andere atypische Antipsychotika, wie Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin. Diese Medikamente wirken ebenfalls über die Blockade von Dopaminrezeptoren, bieten aber ein anderes Nebenwirkungsprofil und können besser verträglich sein.
Aripiprazol ist eine weitere Option, da es als partieller Dopaminagonist fungiert und somit sowohl antipsychotische Effekte bietet als auch weniger sedierende und metabolische Nebenwirkungen zeigt. Dies kann insbesondere bei Patienten von Vorteil sein, die unter den Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Sedierung bei anderen Antipsychotika leiden.
Für Patienten, die auf atypische Antipsychotika nicht ansprechen oder diese nicht vertragen, kann ein Wechsel zu typischen Antipsychotika, wie Haloperidol oder Perphenazin, in Betracht gezogen werden. Diese Medikamente sind allerdings mit einem höheren Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen verbunden.
Auch nicht-medikamentöse Ansätze, wie kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und psychosoziale Interventionen, spielen eine wichtige Rolle in der Behandlung von psychotischen Störungen. Diese können helfen, die Symptome zu bewältigen, die Alltagsbewältigung zu verbessern und die Rückfallrate zu senken, insbesondere in Kombination mit medikamentöser Behandlung.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor