Anagrelid

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. Mai 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Anagrelid handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der Antineoplastika. Das Medikament ist in Deutschland in Form von Hartkapseln unter dem Handelsnamen Xagrid® sowie als Generika zu haben. Anagrelid dient zur Behandlung einer essenziellen Thrombozythämie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Anagrelid?

Anagrelid dient zur Behandlung einer essenziellen Thrombozythämie.

Anagrelid wird zur Therapie von essenziellen Thrombozytosen eingesetzt, die durch eine erhöhte Zahl der im Knochenmark gebildeten Blutplättchen im Blut charakterisiert sind. Anagrelid empfiehlt sich als Zweitlinientherapie auch für sogenannte Risikopatienten, die die bisherige Behandlung nicht gut vertrugen beziehungsweise nicht gut genug darauf ansprachen.

Das Medikament Anagrelid wurde Ende 2004 von der European Medicines Agency - kurz: EMEA - als Sekundärtherapie für diesen Patientenkreis zugelassen, bei dem diese Unverträglichkeit oder ein Nichtansprechen auf die vorherige Primärtherapie besteht. Ursprünglich war Anagrelid als Thrombozytenaggregationshemmer entwickelt worden. Der Wirkstoff hemmt parallel aber ebenso die Reifung von Megakaryozyten.

Pharmakologische Wirkung

Die pharmakologische Wirkung von Anagrelid auf Körper und Organe ist bisher ungeklärt. Erste Forschungen führten zur Annahme, dass die Gabe von Anagrelid eine Thrombozytenaggregationshemmung hervorrufe. Hierunter ist die eindämmende Wirkung auf das Verklumpen von Blutplättchen zu verstehen, das die Entstehung von Blutgerinnseln - Thromben - fördert.

Weitere Studien ergaben jedoch, dass Anagrelid keinen thrombozytenaggregationshemmenden Effekt ausübt. Dennoch verringert es sehr rasch die Thrombozytenmenge im Blut. Warum, ist unbekannt. Fest steht aber, dass Anagrelid gut als Hemmer der cAMP-Phosphodiesterase des Typs 3 wirkt. So ist vermutlich hier die Antwort auf die Wirkweise von Anagrelin zu suchen. Der Wirkstoff scheint sich in die postmitotische Phase in der Entwicklung der Megakaryozyten einzuschalen und so ihre Reifung und Größe sowie die Chromosomenzahl zu beeinflussen.

Die Verhinderung der Phosphodiesterase-III erhöht im Blut die Spiegel des cyclischen Adenosinmonophosphats (cAMP) der Blutplättchen. Hochdosiertes Anagrelid hemmt auch diese Aggregation. Anagrelid zeigt eine thrombozytenselektive Wirkung und beeinflusst daher nicht die Bildung der weißen und roten Blutkörperchen.

In klinischen Studien mit über 4000 an myeloproliferativen Erkrankungen leidenden Patienten zeigte sich, dass diese innerhalb von 4 bis 12 Wochen auf die Therapie mit Anagrelid ansprachen.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Anagrelid wird zur Behandlung von Thrombozytosen eingesetzt. Patienten mit Thrombozytosen leiden an myeloproliferativen Erkrankungen wie

Bei Thrombozytosen kommt es zu einer erhöhten Anzahl der im Knochenmark gebildeten und in die Blutbahn abgegebenen Blutplättchen. Diese Blutplättchen, auch als Thrombozyten bekannt, führen im Übermaß leicht zu hämorrhagischen und thrombotischen Erkrankungen wie beispielsweise zu transienten ischämischen Attacken (TIA), Schlaganfall oder Thrombosen kleinerer Blutgefäße.

In seltenen Fällen kann sich eine akute Leukämie entwickeln. Bei Diagnosestellung einer Thrombozytose haben viele der meistens über 50 Jahre alten Betroffenen noch keine subjektiven Beschwerden. Dennoch sollte wegen der bestehenden Risiken rechtzeitig medikamentös gegengesteuert werden.

Als Startdosis für Anagrelid wird 1 mg pro Tag empfohlen, aufgeteilt in zwei Gaben. Die Kapseln können sowohl zu einer Mahlzeit als auch nüchtern eingenommen werden. Nach einer Woche erfolgt die individuelle Dosiseinstellung, wobei die maximale Einzeldosis 2,5 mg betragen soll. Nach dem Absetzen von Anagrelid steigt die Zahl der Blutplättchen in 10 bis 14 Tagen zurück auf ihren Ausgangswert.

Während der Therapie mit Anagrelid müssen engmaschige Kontrollen der Laborwerte für Leber und Nieren durchgeführt werden.


Verabreichung & Dosierung

Bei der Verabreichung und Dosierung von Anagrelid, einem Medikament zur Behandlung von essenzieller Thrombozythämie, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt typischerweise 0,5 mg zweimal täglich. Diese Dosis kann abhängig von der individuellen Reaktion des Patienten und den Blutplättchenwerten schrittweise erhöht werden, normalerweise in Schritten von 0,5 mg pro Woche.

Es ist wichtig, die Dosisänderungen langsam vorzunehmen, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Die maximale empfohlene Dosis beträgt 10 mg pro Tag oder 2,5 mg in einer Einzeldosis. Die Dosierung sollte angepasst werden, um die Thrombozytenzahl auf ein normales Niveau zu senken und zu halten, typischerweise unter 600.000/µL.

Patienten sollten Anagrelid regelmäßig zur gleichen Zeit einnehmen, um konstante Blutspiegel des Medikaments zu gewährleisten. Die Tabletten können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden, jedoch ist es wichtig, sie mit einem Glas Wasser zu schlucken und nicht zu zerkauen oder zu zerdrücken.

Regelmäßige Überwachung der Blutplättchenzahl und anderer Blutparameter ist entscheidend, um die Wirksamkeit der Behandlung zu bewerten und Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Auch die Herzfunktion sollte regelmäßig überprüft werden, da Anagrelid kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz verursachen kann.

Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen benötigen möglicherweise eine Anpassung der Dosis und eine engmaschigere Überwachung. Die gleichzeitige Einnahme von Anagrelid mit anderen Medikamenten, insbesondere Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern, sollte sorgfältig überwacht werden, um das Risiko von Blutungen zu minimieren.

Risiken & Nebenwirkungen

Bei der Einnahme von Anagrelid kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen wie:

Nach Markteinführung von Anagrelid ließen sich bei der Einnahme gravierende kardiovaskuläre Nebenwirkungen beobachten. Diese betrafen auch Patienten ohne Verdacht auf Herzerkrankungen beziehungsweise Normalbefunden in vor Therapiebeginn mit Anagrelid durchgeführten Herz-Kreislauf-Untersuchungen. Daher kommt Anagrelid bei Risikopatienten lediglich als Zweitlinientherapie infrage.

Kontraindiziert ist Anagrelid bei erhöhter Sensibilität gegenüber dem Wirkstoff, bei mittel- bis schwergradiger Leberschädigung und bei Niereninsuffizienz. Ebenfalls ausgenommen von einer Anagrelid-Therapie sind Schwangere und Stillende.

Mit folgenden Medikamenten wirkt Anagrelid interaktiv:

Kontraindikationen

Bei der Verwendung von Anagrelid, einem Medikament zur Behandlung von essenzieller Thrombozythämie, gibt es mehrere typische Kontraindikationen, die beachtet werden müssen. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Anagrelid oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Patienten mit einer solchen Überempfindlichkeit dürfen Anagrelid nicht einnehmen.

Eine signifikante Kontraindikation betrifft Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Anagrelid kann kardiale Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und Kardiomyopathie verursachen oder verschlimmern. Daher sollten Patienten mit bestehender Herzkrankheit oder signifikanten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Anagrelid nicht einnehmen.

Auch bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen ist Anagrelid kontraindiziert. Das Medikament wird in der Leber metabolisiert, und eine beeinträchtigte Leberfunktion kann zu einer erhöhten Konzentration des Medikaments im Blut und somit zu einem höheren Risiko für Nebenwirkungen führen. Patienten mit leichter bis mittelschwerer Leberfunktionsstörung sollten Anagrelid nur mit Vorsicht und unter regelmäßiger Überwachung anwenden.

Schwangere und stillende Frauen sollten Anagrelid ebenfalls nicht verwenden, da die Sicherheit des Medikaments in diesen Bevölkerungsgruppen nicht ausreichend untersucht ist und potenzielle Risiken für den Fötus oder das Säugling bestehen können.

Zusätzlich ist Vorsicht geboten bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, da Anagrelid und seine Metaboliten teilweise über die Nieren ausgeschieden werden. Eine eingeschränkte Nierenfunktion kann die Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigen und das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen.

Patienten, die gleichzeitig andere Medikamente einnehmen, insbesondere solche, die das QT-Intervall verlängern oder das Thromboserisiko beeinflussen, sollten Anagrelid nur unter strenger ärztlicher Überwachung einnehmen, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Anagrelid, ein Medikament zur Behandlung von essenzieller Thrombozythämie, kann mit verschiedenen anderen Medikamenten interagieren, was zu erhöhten Risiken oder verminderten Wirkungen führen kann. Eine der wichtigsten Interaktionen besteht mit Medikamenten, die die Herzfunktion beeinflussen, insbesondere solche, die das QT-Intervall verlängern. Beispiele hierfür sind Antiarrhythmika wie Amiodaron, Sotalol und Quinidin. Die gleichzeitige Anwendung kann das Risiko für schwere Herzrhythmusstörungen erhöhen.

Anagrelid wird hauptsächlich durch das Cytochrom P450 1A2 (CYP1A2)-Enzymsystem in der Leber metabolisiert. Medikamente, die CYP1A2 hemmen, wie Fluvoxamin und Ciprofloxacin, können die Plasmakonzentrationen von Anagrelid erhöhen und somit das Risiko von Nebenwirkungen verstärken. Umgekehrt können CYP1A2-Induktoren wie Omeprazol die Wirkung von Anagrelid verringern, indem sie dessen Metabolisierung beschleunigen.

Die gleichzeitige Einnahme von Anagrelid mit Antikoagulantien (wie Warfarin) oder Thrombozytenaggregationshemmern (wie Aspirin und Clopidogrel) kann das Risiko für Blutungen erhöhen. Daher sollte die Kombination dieser Medikamente sorgfältig überwacht werden, um Blutungsrisiken zu minimieren.

Anagrelid kann auch die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, die den Blutdruck senken, wie Betablocker und Calciumkanalblocker. Dies kann zu einer verstärkten blutdrucksenkenden Wirkung führen, weshalb regelmäßige Blutdruckkontrollen notwendig sind.

Einige Medikamente, die die Magensäureproduktion beeinflussen, wie Antazida und Protonenpumpenhemmer, können die Absorption von Anagrelid beeinflussen. Daher sollte auf mögliche Wechselwirkungen geachtet und die Medikation gegebenenfalls angepasst werden.

Schließlich sollten Patienten, die Anagrelid einnehmen, ihren Arzt über alle anderen verwendeten Medikamente informieren, einschließlich rezeptfreier Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, um potenzielle Wechselwirkungen zu vermeiden und eine sichere und wirksame Behandlung zu gewährleisten.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Anagrelid nicht vertragen wird, gibt es mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Behandlung von essenzieller Thrombozythämie. Eine gängige Alternative ist Hydroxyurea (auch bekannt als Hydroxycarbamid). Hydroxyurea reduziert die Thrombozytenzahl effektiv und wird häufig als Erstlinientherapie bei Patienten verwendet, die Anagrelid nicht vertragen oder bei denen es kontraindiziert ist.

Ein weiteres Medikament, das häufig verwendet wird, ist Interferon-alpha. Diese Substanz kann die Thrombozytenproduktion im Knochenmark hemmen und ist besonders bei jüngeren Patienten oder schwangeren Frauen eine Option, da es im Gegensatz zu Hydroxyurea und Anagrelid sicherer in der Schwangerschaft ist.

Busulfan ist ein weiteres zytostatisches Mittel, das in bestimmten Fällen verwendet werden kann, obwohl es in der Regel für ältere Patienten oder solche mit resistenter Krankheit reserviert ist, da es potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen hat.

Neben diesen pharmakologischen Ansätzen gibt es auch therapeutische Apherese-Verfahren wie die Thrombozytopherese, bei der Thrombozyten mechanisch aus dem Blut entfernt werden. Diese Methode wird oft bei akuten Situationen eingesetzt, um schnell die Thrombozytenzahl zu senken.

Zusätzlich zur medikamentösen Therapie können Lebensstiländerungen und begleitende Therapien hilfreich sein. Dies umfasst die Anpassung der Ernährung, das Vermeiden von Rauchen und das Management von Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes, um das Risiko von thrombotischen Ereignissen zu minimieren.

Patienten, die Anagrelid nicht vertragen, sollten in enger Zusammenarbeit mit ihrem Hämatologen eine individuelle Therapieplanung vornehmen, um die für sie sicherste und wirksamste Behandlungsoption zu finden.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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