Fludarabin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Fludarabin ist ein Zytostatikum, das zur Therapie von malignen Erkrankungen eingesetzt wird. Dafür wird es intravenös als Infusion appliziert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Fludarabin?

Fludarabin ist ein Zytostatikum, das zur Therapie von malignen Erkrankungen eingesetzt wird. Dafür wird es intravenös als Infusion appliziert.

Fludarabin, auch Fludara oder Fludarabin-5-dihydrogenphosphat genannt, ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Purin-Analoga. Es handelt sich bei dem Stoff um ein sogenanntes fluoriertes Nukleotid-Analogon von Vidarabin. Nukleotid Analoga weisen strukturelle und / oder funktionelle Ähnlichkeiten mit Nukleotiden auf. Nukleotide sind die Grundbausteine der Desoxyribonukleinsäure (DNA) und der Ribonukleinsäure (RNA). Purine sind ebenfalls wichtige Bausteine der Nukleinsäuren.

Im Gegensatz zu den meisten Nukleotiden enthält Fludarabin keine β-D-Ribofuranose, sondern die β-D-Arabinofuranose. Zudem ersetzt Fluor das Adenin in der 2-Stellung.

Fludarabin wird überwiegend zur Behandlung von niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen eingesetzt. Ferner kommt es zur Behandlung von akuten Leukämien zum Einsatz. Auch die chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) wird mit Fludarabin behandelt.

Pharmakologische Wirkung

Fludarabin wird intravenös verabreicht. Über den Blutkreislauf gelangt der Arzneistoff zu den Zellen. In den Zellen wird Fludarabin zu einem aktiven Metaboliten. Ein Metabolit ist ein Zwischenprodukt in einem biochemischen Stoffwechselweg. Der Metabolit wird in diesem Fall als Fludarabin-ATP bezeichnet.

Die Umwandlung erfolgt durch eine Phosphorylierung. Bei der Phosphorylierung wird eine Phosphatgruppe an ein organisches Molekül gehängt. Dadurch entsteht ein Phosphorprotein. Das Fludarabin-ATP ist die eigentlich wirksame Form des Fludarabins. Der Arzneistoff greift in die DNA-Synthese ein und hemmt die Ribonukleotidreduktase. Dieses Enzym bildet das letzte Glied in der Synthese der DNA-Bausteine. Ohne die Ribonukleotidreduktase kann der Organismus keine DNA-Bausteine herstellen. Immer dann, wenn eine Zelle sich teilt oder DNA-Schäden reparieren muss, ist sie auf die Ribonukleotidreduktase angewiesen.

Viele Krebszellen erhöhen durch Modifizierungen die Umsatzrate der Ribonukleotidreduktase. Dadurch können sie sich schneller teilen. Das Fludarabin setzt an dieser Stelle an. Durch die Ribonukleotidreduktase können sich die Zellen langsamer oder gar nicht mehr teilen. Da sich Krebszellen in der Regel sehr häufig teilen, sind sie besonders von der Wirkung des Arzneistoffes betroffen.

Fludarabin hemmt allerdings nicht nur die Ribonukleotidreduktase, sondern auch die DNA-Polymerase. Genau wie die Ribonukleotidreduktase ist auch die DNA-Polymerase ein Enzym. Es katalysiert die DNA-Synthese aus Desoxyribonukleotiden und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Replikation der DNA. Wenn die DNA-Polymerase gehemmt wird, können die Erbinformationen nicht mehr korrekt kopiert werden. Ferner wird das Fludarabin-Nukleotid in die DNA der betroffenen Zelle eingebaut. Dies führt zur Apoptose der Zelle. Die Apoptose ist auch als programmierter Zelltod bekannt. Durch die Schädigung des Erbguts löst die Zelle ihren eigenen Tod aus und geht zugrunde.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Fludarabin wird zur Therapie von niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen genutzt. 'Non-Hodgkin-Lymphom' ist ein Sammelbegriff für alle bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems mit Ausnahme des Morbus Hodgkin. Nicht schmerzhafte Lymphknotenvergrößerungen sind für die Erkrankung ebenso typisch wie Infektneigung und Infektanfälligkeit. Eventuell leiden die Betroffenen zudem unter Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Müdigkeit.

Fludarabin wird auch zur Behandlung von akuten Leukämien eingesetzt. Leukämien werden in der Umgangssprache auch als Blutkrebs bezeichnet. Es handelt sich dabei um maligne Erkrankungen des blutbildenden oder des lymphatischen Systems. Im weiteren Sinne können Leukämien den Krebserkrankungen zugeordnet werden. Bei den akuten Leukämien gibt es die akute myeloische Leukämie (AML) und die akute lymphatische Leukämie (ALL). Beide werden mit Fludarabin behandelt.

Bei den chronischen Leukämien kann ebenfalls zwischen einer myeloischen und einer lymphatischen Variante unterschieden werden. Fludarabin wird nur bei der Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie genutzt. Die CLL ist ein niedrigmalignes, leukämisch verlaufendes Non-Hodgkin-Lymphom der B-Zellen. Sie ist die Leukämieform, die in der westlichen Welt am häufigsten vorkommt.


Risiken & Nebenwirkungen

Die Hauptnebenwirkung von Fludarabin ist eine ausgeprägte Myelosuppression. Die Myelosuppression ist eine Knochenmarkshemmung. Durch die Depression des Knochenmarks setzt die Blutbildung aus. Dadurch kommt es im Organismus zu einem Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und Blutplättchen (Thrombozyten).

Der Mangel an roten Blutkörperchen führt zu einer Anämie. Diese äußert sich durch Infektanfälligkeit, Abgeschlagenheit und Haarausfall. Der Mangel an weißen Blutkörperchen, die Leukopenie, hat ebenfalls eine starke Infektanfälligkeit zur Folge. Die Thrombozytopenie, der Mangel an Thrombozyten, führt zu einer erhöhten Blutungsneigung.

Eine Myelosuppression ist lebensbedrohend. Besonders gefährlich ist die Kombination aus Myelosuppression und Immunsuppression. Durch das Fludarabin werden die CD4-Helferzellen, die CD8-Suppressorzellen und die natürlichen Killerzellen reduziert. Auch die Antikörper verringern sich. Dadurch kann es zu schweren Infektionen kommen, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.

Wie bei anderen Zytostatika auch, kann es unter der Einnahme von Fludarabin zu Übelkeit, Schwächegefühl, Fieber und Appetitlosigkeit kommen. Eine Überdosierung kann zudem schwere neurologische Symptome hervorrufen. Die Überdosierung kann tödliche Folgen haben.

Fludarabin darf nicht bei einer Überempfindlichkeit gegenüber Purin-Analoga eingesetzt werden. Ferner darf bei der Verabreichung des Arzneistoffes keine Niereninsuffizienz vorliegen. Auch eine dekompensierte hämolytische Anämie ist eine Kontraindikation. Aufgrund der schweren Nebenwirkungen und der zytotoxischen Wirkung darf Fludarabin nicht während der Schwangerschaft und der Stillzeit eingesetzt werden.

Wechselwirkungen bestehen mit Pentostatin, Dipyridamol, Inhibitoren der Adenosinaufnahme und mit verschiedenen Impfstoffen.

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