Dihydroergotamin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Mai 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Dihydroergotamin ist ein Arzneimittel dass zur Behandlung von Migräne und Cluster-Kopfschmerzen eingesetzt wird. Früher wurde das Mittel auch zur Vorbeugung von Migräne-Schüben verschrieben. Dieses Anwendungsgebiet ist aufgrund der auftretenden Nebenwirkungen des Arzneistoffes heute nicht mehr zulässig. Dihydroergotamin entfaltet an bestimmten Rezeptoren im Gehirn eine hemmende Wirkung und kann somit das Schmerzempfinden herabsetzen.
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Was ist Dihydroergotamin?
Dihydroergotamin ist unter anderem unter den Handelsnamen Ergont®, Detemes®, Ergotam®, Agilan®, Verladyn® oder Migrana®l bekannt. Der Wirkstoff wird zur Behandlung von Migräne, Cluster-Kopfschmerzen und sogenannter hypotoner Kreislaufstörungen eingesetzt.
Cluster-Kopfschmerzen sind auch unter dem Namen Histaminkopfschmerzen bekannt. Charakteristisch für dieses Krankheitsbild sind zumeist einseitig auftretende extrem starke Schmerzen um das Auge herum. Hypotone Kreislaufstörungen sind Störungen des Organismus, deren Funktionsminderungen durch einen niedrigen Blutdruck bedingt sind.
Dihydroergotamin ist ein sogenanntes Mutterkornalkaloid. Mutterkornalkaloide sind organische Stoffverbindungen und kommen zumeist in der Mutterkornpilzart Claviaceps purpurea vor. Dieser Pilz wächst als Parasit auf Gräsern und Getreide wie zum Beispiel Roggen. Seit dem 18. Jahrhundert werden diese Verbindungen und einzelne Teilsequenzen daraus als Arzneimittel eingesetzt. Zudem sind sie Bestandteil bestimmter chemisch hergestellter Drogen. Dihydroergotamin ist ein verschreibungspflichtiges Medikament.
Pharmakologische Wirkung
Dihydroergotamin ist eine Substanz die eine antagonistische Wirkung hat. Antagonisten besetzten Rezeptoren im Gehirn und haben eine hemmende Wirkung auf die Signalweiterleitungen bestimmter Reize an die zugehörigen Zellen.
Dihydroergotamin koppelt sich an die Dopamin-, Serotonin- und Adrenorezeptoren. Das Mutterkornalkaloid entfaltet an neuronalen Rezeptoren eine hemmende Wirkung. In diesem Zusammenhang senkt Dihydroergotamin die Schmerzentstehung, die durch eben diese Rezeptoren mitbedingt ist.
Im menschlichen Organismus kann es bei einer gleichzeitigen Einnahme von Makrolidantibiotika zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen. Daher sollten diese Wirkstoffe nicht zusammen verabreichtet werden. Makrolidantibiotika sind Arzneimittel, die Bakterien an einem Wachstum und/oder an einer Vermehrung hindern.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Der Wirkstoff Dihydroergotamin findet in der Medizin in der Behandlung von akuten Migräneanfällen Anwendung. Früher wurde das Arzneimittel auch zur Vorbeugung jener Attacken verwendet. Als Prophylaxe-Mittel ist es allerdings in der europäischen Union heute nicht mehr zugelassen.
Das Mittel wird in einigen Ländern zudem zur Therapie von Demenz verwendet. Ferner wurde das Alkaloid zur Behandlung von niedrigem Blutdruck und einer lymphatischen Insuffizienz verwendet. Bei letzterer Erkrankung ist aufgrund einer Störung der Zirkulation der Transport der Lymphflüssigkeit eingeschränkt. Infolgedessen können schwere Veränderungen an der Haut und den Venen auftreten.
Nach einer Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wird das Medikament aufgrund seines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses zur Therapie dieser Erkrankungen nicht mehr eingesetzt.
Verabreicht wird Dihydroergotamin in Form von Tabletten, Tropfen oder Kapseln in oraler Form. Zudem kann das Arzneimittel mit Hilfe von Inhalatoren nasal oder oral eingenommen werden. Eine Injektion ist außerdem möglich. In Studien konnte gezeigt werden, dass das Medizinprodukt in oraler Form besser im Körper aufgenommen werden kann als über eine Inhalation.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Dihydroergotamin, einem Medikament zur Behandlung von Migräneanfällen, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Dihydroergotamin kann intranasal, intramuskulär, intravenös oder subkutan verabreicht werden. Die genaue Dosierung und Art der Verabreichung hängen vom individuellen Patientenprofil und der Schwere der Symptome ab.
Intranasal wird Dihydroergotamin typischerweise als Spray verabreicht. Die übliche Dosis beträgt 0,5 mg bis 1 mg in jedes Nasenloch, nicht häufiger als alle 24 Stunden und maximal zweimal pro Woche, um das Risiko von Überdosierung und Nebenwirkungen zu minimieren.
Bei intramuskulärer oder subkutaner Verabreichung beträgt die typische Anfangsdosis 1 mg. Falls nötig, kann eine zweite Dosis von 1 mg nach einer Stunde gegeben werden, wobei die maximale Tagesdosis 3 mg und die wöchentliche Höchstdosis 6 mg nicht überschritten werden sollte.
Intravenöse Verabreichung erfordert eine genaue Überwachung durch medizinisches Fachpersonal. Die übliche Anfangsdosis beträgt hier 0,5 mg bis 1 mg, die langsam injiziert wird. Auch hier darf die maximale Tagesdosis von 2 mg und die wöchentliche Höchstdosis von 6 mg nicht überschritten werden.
Wegen des Risikos schwerwiegender Nebenwirkungen, wie Vasospasmen und Ergotismus, ist die Überwachung der Patienten während der Behandlung unerlässlich. Dihydroergotamin sollte nicht zusammen mit starken CYP3A4-Inhibitoren eingenommen werden, da dies zu gefährlich hohen Medikamentenspiegeln führen kann. Zudem ist es kontraindiziert bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, unkontrolliertem Bluthochdruck und schweren Nieren- oder Lebererkrankungen.
Es ist wichtig, die Patienten über die korrekte Anwendung und die möglichen Nebenwirkungen zu informieren und sie anzuweisen, sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Symptome wie Brustschmerzen, Muskelschmerzen oder Taubheitsgefühle auftreten.
Risiken & Nebenwirkungen
Die Einnahme von Dihydroergotamin kann zu Risiken und Nebenwirkungen führen. Häufig wurden Übelkeit, Unruhezustände und Kopfschmerzen beschrieben. Weitere mögliche Risiken wie Durchblutungsstörungen oder eine Angina pectoris wurden beobachtet. Diese sind aber eher selten. Eine Angina pectoris ist ein Symptom, dass meist infolge einer Durchblutungsstörung an den Herzkranzgefäßen auftritt.
Da das Medikament lebensgefährliche Reaktionen auslösen kann, wurde es im Januar 2014 als Prophylaxe-Mittel für Migräne und andere Erkrankungen verboten. Dihydroergotamin kann zu einer Fibrose in bestimmten Organen führen. Bei einer Fibrose kommt es zu einer Verhärtung von Organgeweben durch Kollagenfasern. Dies führt langfristig gesehen zu massiven Einschränkungen in der Funktion der betroffenen Organe und kann einen tödlichen Ausgang nehmen.
Zudem ist eine Vergiftung des Körpers durch das Mutterkornalkaloid möglich. Dihydroergotamin darf nicht eingenommen werden, wenn gleichzeitig Triptane verordnet wurden. Auch Triptane werden in der Behandlung von Migräne und Cluster-Kopfschmerzen eingesetzt.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Dihydroergotamin betreffen verschiedene medizinische Zustände und Patientengruppen, bei denen das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen erhöht ist. Zu den wichtigsten Kontraindikationen gehören:
Kardiovaskuläre Erkrankungen: Dihydroergotamin sollte nicht bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, Angina pectoris, peripheren Gefäßerkrankungen oder schwerem Bluthochdruck angewendet werden. Das Medikament kann Vasokonstriktion verursachen, was zu einer Verschlechterung dieser Bedingungen führen kann.
Schwangerschaft und Stillzeit: Dihydroergotamin ist während der Schwangerschaft kontraindiziert, da es Uteruskontraktionen und das Risiko einer Fehlgeburt erhöhen kann. Es sollte auch während der Stillzeit vermieden werden, da es in die Muttermilch übergeht und dem Säugling schaden kann.
Nieren- und Lebererkrankungen: Patienten mit schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz sollten Dihydroergotamin nicht einnehmen, da die Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigt sein kann, was das Risiko toxischer Wirkungen erhöht.
Sepsis: Aufgrund der potenziellen Verschlechterung der vaskulären Integrität und der Gefahr von Vasospasmen ist die Anwendung bei Patienten mit Sepsis kontraindiziert.
Migrationshintergrund: Patienten, die an Migräne mit Aura oder basilarer Migräne leiden, sollten Dihydroergotamin nicht verwenden, da es das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen kann.
Gleichzeitige Anwendung von bestimmten Medikamenten: Dihydroergotamin darf nicht zusammen mit starken CYP3A4-Inhibitoren wie einigen Makrolidantibiotika (z. B. Clarithromycin), Proteaseinhibitoren für die HIV-Therapie und Azol-Antimykotika (z. B. Ketoconazol) eingenommen werden. Diese Kombination kann zu gefährlich hohen Spiegeln von Dihydroergotamin im Blut führen.
Patienten müssen sorgfältig auf das Vorliegen dieser Kontraindikationen überprüft werden, bevor Dihydroergotamin verschrieben wird, um schwerwiegende unerwünschte Wirkungen zu vermeiden.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Dihydroergotamin bestehen mehrere wichtige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die berücksichtigt werden müssen, um das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen zu minimieren.
Eine der bedeutendsten Interaktionen tritt mit starken CYP3A4-Inhibitoren auf. Medikamente wie Makrolidantibiotika (z. B. Clarithromycin und Erythromycin), Proteaseinhibitoren für die HIV-Therapie (z. B. Ritonavir) und Azol-Antimykotika (z. B. Ketoconazol, Itraconazol) hemmen das Enzym CYP3A4, das für den Abbau von Dihydroergotamin verantwortlich ist. Dies kann zu erhöhten Blutspiegeln von Dihydroergotamin führen, was das Risiko von toxischen Effekten wie Ergotismus und schweren vasokonstriktiven Reaktionen erhöht.
Triptane, die ebenfalls zur Behandlung von Migräne eingesetzt werden, dürfen nicht gleichzeitig mit Dihydroergotamin verwendet werden. Die Kombination kann zu einem übermäßigen Vasospasmus führen und das Risiko von ischämischen Ereignissen wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten erhöhen.
Betablocker wie Propranolol können die vasokonstriktiven Wirkungen von Dihydroergotamin verstärken, was zu einer erhöhten Gefahr von peripheren Gefäßkrämpfen führen kann.
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs), die häufig zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, können das Risiko eines Serotonin-Syndroms erhöhen, wenn sie zusammen mit Dihydroergotamin eingenommen werden.
Nikotinersatztherapien und das Rauchen können die vasokonstriktiven Effekte von Dihydroergotamin verstärken, was das Risiko von Gefäßkrämpfen erhöht.
Es ist wichtig, dass Patienten ihre Ärzte über alle Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel informieren, die sie einnehmen, damit potenzielle Wechselwirkungen identifiziert und vermieden werden können. Eine sorgfältige Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der Therapie sind notwendig, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Dihydroergotamin nicht vertragen wird, gibt es verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Migränebehandlung. Eine wichtige Alternative sind Triptane, wie Sumatriptan, Zolmitriptan und Rizatriptan. Triptane wirken durch Aktivierung der Serotoninrezeptoren und führen zu einer Verengung der Blutgefäße im Gehirn sowie einer Hemmung der Schmerzübertragung. Sie sind besonders wirksam bei akuten Migräneanfällen.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac sind eine weitere Option. Diese Medikamente wirken entzündungshemmend und schmerzlindernd und können bei leichten bis mittelschweren Migräneanfällen eingesetzt werden. Sie sind häufig gut verträglich und leicht zugänglich.
Für Patienten, die sowohl unter Migräne als auch unter Übelkeit leiden, können Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon hilfreich sein. Diese Medikamente helfen, Übelkeit und Erbrechen zu reduzieren und können in Kombination mit anderen Migränemedikamenten verwendet werden.
CGRP-Antagonisten, wie Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab, sind eine neuere Klasse von Medikamenten, die speziell zur Migräneprophylaxe entwickelt wurden. Sie blockieren das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), das bei Migräne eine Rolle spielt. Diese Medikamente werden meist als monatliche Injektionen verabreicht.
Botulinumtoxin-Injektionen sind eine weitere prophylaktische Option für chronische Migräne. Botulinumtoxin wird in bestimmte Muskelgruppen des Kopfes und Nackens injiziert und kann die Häufigkeit und Schwere von Migräneanfällen reduzieren.
Nicht-medikamentöse Ansätze wie Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken und Akupunktur können ebenfalls hilfreich sein, insbesondere als Ergänzung zu medikamentösen Behandlungen. Eine gesunde Lebensweise, inklusive regelmäßiger Bewegung, ausreichend Schlaf und einer ausgewogenen Ernährung, kann ebenfalls dazu beitragen, Migräneanfälle zu reduzieren.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor