Altretamin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Altretamin ist ein Arzneimittel aus der Gruppe der Zytostatika. Es wird zur chemotherapeutischen Behandlung von Eierstockkrebs eingesetzt. Das Medikament wird in zwei- bis dreiwöchigen Zyklen als Tablette eingenommen. Es verursacht häufig Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen.
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Was ist Altretamin?
Altretamin ist die international gebräuchliche Bezeichnung der zytostatischen Substanz Hexamethylmelamin. Das Arzneimittel wird in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Handelsnamen Hexalen® erfolgreich bei Eierstockkrebs im fortgeschrittenen Stadium eingesetzt.
Zytostatika stören den Zellzyklus und verhindern so die Teilung und Verbreitung der Tumorzellen. Bei Altretamin handelt es sich um ein Prodrug. Dieser Begriff bezeichnet die Vorstufe eines Arzneimittels, das erst im menschlichen Organismus durch bestimmte Stoffwechselvorgänge zur aktiven Wirksubstanz umgewandelt wird.
Das Zytostatikum Altretamin wird in der Leber zur eigentlich wirksamen Substanz verstoffwechselt. Seine Anwendung zur Krebsbehandlung ist in den Vereinigten Staaten von Amerika wesentlich mehr verbreitet als in Deutschland. Altretamin ist nur schwer löslich und wird daher oral verabreicht.
Pharmakologische Wirkung
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 9.000 Frauen an einem bösartigen Tumor des Eierstocks. Dieser wird in der medizinischen Fachterminologie als Ovarialkarzinom bezeichnet. Das Ovarialkarzinom gilt als der zweithäufigste bösartige Tumor des weiblichen Genitalbereichs, der in vielen Fällen sogar zum Tod führt.
Durch die Verabreichung von Altretamin werden wichtige Stoffwechselabläufe bei der Zellteilung der bösartigen Tumore gestört. Das Zytostatikum verhindert die weitere Teilung der Krebszellen und bringt sie zum Absterben. Doch wie fast alle Zellgifte wirkt Altretamin nicht nur auf die bösartigen Zellen, sondern beeinträchtigt alle Gewebearten, die sich schnell regenerieren. So können vor allem an der Haut sowie den Schleimhäuten in Mund, Rachen und Verdauungstrakt unangenehme Nebenwirkungen entstehen.
Darüber hinaus muss der behandelnde Arzt das Blutbild der Krebspatientin regelmäßig überwachen, um unerwünschte Auswirkungen des Zytostatikums auf die blutbildenden Zellen im Knochenmark rechtzeitig zu erkennen. Das Knochenmark muss sich erst wieder regenerieren, bevor die Behandlung mit Altretamin fortgesetzt werden kann. Ebenfalls ist während der Therapie-Phase eine Kontrolle der Leber- und Nierenwerte erforderlich. Durch die Behandlung kann es an Leber und Niere zu organischen Schäden kommen.
Die Chemotherapie schwächt das Immunsystem der betroffenen Patientinnen erheblich. Solange Altretamin verabreicht wird, ist daher der Kontakt mit Personen, die an einer ansteckenden Infektionskrankheit leiden, unbedingt zu vermeiden. Impfungen mit Lebendimpfstoffen dürfen in dieser Phase ebenfalls nicht durchgeführt werden. Diese können die Krankheit, vor der sie normalerweise schützen sollen, aufgrund des geschwächten Immunsystems zum Ausbruch bringen.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Die Behandlungszyklen mit Altretamin dauern 14 bis 21 Tage und werden mehrmals wiederholt. Dadurch werden auch die Tumorzellen erfasst, die sich in einem bestimmten Behandlungszyklus gerade in einer Ruhephase befinden. Solange keine Zellteilung stattfindet, kann Altretamin die Erbsubstanz der bösartigen Tumorzellen nicht angreifen.
Zwischen den einzelnen Therapiephasen liegen dementsprechend vierzehn- bis einundzwanzigtägige Einnahmepausen. Die Ruhephase benötigt der Organismus zur Regenerierung des geschädigten Gewebes, das sich wesentlich schneller erholen kann, als das Tumorgewebe. Das Arzneimittel zerstört die bösartigen Tumorzellen und verhindert die Bildung von Metastasen.
Der Wirkstoff Hexamethylmelamin ist über einen Zeitraum von mehreren Jahren klinisch erprobt und hat vor allem in den U.S.A. zu beachtlichen Erfolgen bei der Behandlung von Ovalkarzinomen geführt. Dort konnte die Wirksamkeit des Zytostatikums in Kombination mit anderen Substanzen im Rahmen verschiedener Studien nachgewiesen werden.
Verabreichung & Dosierung
Altretamin, auch bekannt als Hexalen, ist ein Chemotherapeutikum, das zur Behandlung von fortgeschrittenem Eierstockkrebs verwendet wird. Bei der Verabreichung und Dosierung von Altretamin sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um die Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren.
Die Standarddosierung von Altretamin beträgt in der Regel 260 mg/m² Körperoberfläche pro Tag, aufgeteilt in mehrere Dosen. Es wird oft in Zyklen von 14 bis 21 Tagen verabreicht, gefolgt von einer Ruhephase, deren Länge von der individuellen Reaktion des Patienten auf die Therapie abhängt. Die genaue Dosierung und das Behandlungsschema sollten von einem Onkologen basierend auf dem allgemeinen Gesundheitszustand und der Therapieansprechbarkeit des Patienten festgelegt werden.
Altretamin wird oral in Kapselform eingenommen, üblicherweise nach den Mahlzeiten, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu minimieren. Es ist wichtig, dass Patienten die Kapseln regelmäßig und genau nach Anweisung des Arztes einnehmen, ohne Dosen auszulassen oder die Einnahme eigenständig zu verändern.
Während der Behandlung mit Altretamin müssen Patienten regelmäßig überwacht werden, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Häufige Nebenwirkungen umfassen Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, und Neuropathien. Blutbildkontrollen sind notwendig, um eine mögliche Knochenmarkdepression zu überwachen, die zu Anämie, Leukopenie oder Thrombozytopenie führen kann. Bei Anzeichen einer schweren Knochenmarkdepression muss die Dosierung angepasst oder die Behandlung vorübergehend unterbrochen werden.
Patienten sollten auch über potenzielle neurologische Nebenwirkungen informiert werden, wie periphere Neuropathie, die sich durch Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Schmerzen in den Extremitäten äußern kann. Bei Auftreten solcher Symptome ist eine sofortige ärztliche Rücksprache erforderlich.
Es ist auch wichtig, dass Patienten während der Behandlung mit Altretamin keine anderen Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, ohne dies vorher mit ihrem Arzt abzuklären, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden.
Durch die strikte Einhaltung der Dosierungsanweisungen und regelmäßige medizinische Überwachung kann die Behandlung mit Altretamin effektiv und sicher gestaltet werden.
Risiken & Nebenwirkungen
Zytostatika wie Altretamin verursachen häufig erhebliche Nebenwirkungen. Betroffen sind besonders Körperbereiche mit hoher Zellteilungsaktivität. Die Darmschleimhaut ist aufgrund ihrer ständigen Regenerationsprozesse besonders betroffen.
Patienten leiden dann häufig unter Magen- und Darmbeschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Im Knochenmark findet ebenfalls eine rege Zellteilung statt. Dort behindert Altretamin die Bildung von roten und weißen Blutkörperchen. Die Folgen sind Blutarmut und ein geschwächtes Immunsystem. Der Mangel an Sauerstoff transportierenden roten Blutkörperchen führt zu Müdigkeit, Erschöpfung und oftmals auch zu Atemnot.
Aufgrund der geschwächten Immunabwehr des Körpers kommt es häufiger zu Infekten und Entzündungen. Ein weiteres Merkmal chemotherapeutischer Behandlungen mit Zytostatika ist der Haarausfall. Das Arzneimittel behindert die für das Haarwachstum ständig erforderlichen Zellteilungen. Die meisten Nebenwirkungen sind von der verabreichten Wirkstoffdosis abhängig.
Kontraindikationen
Altretamin, ein Chemotherapeutikum zur Behandlung von fortgeschrittenem Eierstockkrebs, weist mehrere Kontraindikationen auf, die bei seiner Verwendung beachtet werden müssen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
Eine der Hauptkontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Altretamin oder einen seiner Inhaltsstoffe. Patienten, die eine allergische Reaktion auf Altretamin hatten, sollten dieses Medikament nicht erneut verwenden, da dies zu schweren allergischen Reaktionen führen kann.
Patienten mit schwerer Knochenmarkdepression oder Myelosuppression, die durch andere Behandlungen oder Erkrankungen verursacht wird, sollten Altretamin ebenfalls nicht erhalten. Da Altretamin selbst eine Knochenmarkdepression verursachen kann, könnte dies die Situation verschlimmern und zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie schwerer Anämie, Neutropenie oder Thrombozytopenie führen.
Eine weitere Kontraindikation ist das Vorhandensein von schweren neurologischen Störungen. Altretamin kann neurologische Nebenwirkungen wie periphere Neuropathie verursachen oder verschlimmern, daher sollte es bei Patienten mit bestehenden schweren neurologischen Erkrankungen vermieden werden.
Schwangere Frauen und stillende Mütter sollten Altretamin nicht einnehmen. Altretamin kann potenziell teratogen wirken und das ungeborene Kind schädigen, daher ist seine Verwendung während der Schwangerschaft kontraindiziert. Stillende Mütter sollten ebenfalls darauf verzichten, da nicht bekannt ist, ob Altretamin in die Muttermilch übergeht und das gestillte Kind schädigen könnte.
Patienten mit schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung sollten Altretamin nur mit Vorsicht und unter strenger ärztlicher Überwachung verwenden. Eine eingeschränkte Organfunktion kann die Metabolisierung und Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigen, was zu einer erhöhten Toxizität führen kann.
Darüber hinaus sollten Patienten, die gleichzeitig andere stark myelosuppressive oder neurotoxische Medikamente einnehmen, Altretamin mit Vorsicht verwenden, um das Risiko schwerer Nebenwirkungen und toxischer Wechselwirkungen zu minimieren.
Vor Beginn der Behandlung mit Altretamin sollte eine umfassende medizinische Anamnese erhoben und eine gründliche Bewertung der Kontraindikationen durchgeführt werden, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie zu gewährleisten.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Altretamin kann mit einer Vielzahl anderer Medikamente interagieren, was die Wirksamkeit der Therapie beeinflussen und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen kann. Es ist wichtig, diese potenziellen Wechselwirkungen zu berücksichtigen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
Eine bedeutende Wechselwirkung besteht zwischen Altretamin und anderen myelosuppressiven Medikamenten, wie z.B. anderen Chemotherapeutika (Cyclophosphamid, Doxorubicin) oder strahlentherapeutischen Behandlungen. Diese Kombination kann zu einer verstärkten Knochenmarkdepression führen, was das Risiko für Anämie, Leukopenie und Thrombozytopenie erhöht. Patienten, die solche Kombinationen erhalten, müssen engmaschig überwacht werden.
Altretamin kann auch mit Medikamenten interagieren, die das zentrale Nervensystem beeinflussen. Die gleichzeitige Anwendung von Altretamin mit Neurotoxinen wie Vincristin oder Isoniazid kann das Risiko für neurologische Nebenwirkungen, einschließlich peripherer Neuropathie, erhöhen. Patienten sollten sorgfältig auf Anzeichen von Nervenschäden überwacht werden.
Die Verwendung von Altretamin zusammen mit MAO-Hemmern (Monoaminooxidase-Hemmern) sollte vermieden werden, da dies zu unerwünschten Wirkungen wie schweren Kopfschmerzen, hohem Blutdruck oder anderen kardiovaskulären Problemen führen kann.
Es gibt Hinweise darauf, dass Altretamin die Aktivität von Enzymen in der Leber beeinflussen kann, die für den Abbau anderer Medikamente verantwortlich sind, wie Cytochrom P450. Dies kann die Plasmakonzentrationen von gleichzeitig eingenommenen Medikamenten erhöhen oder verringern, was ihre Wirksamkeit und Toxizität beeinflussen kann. Besonders Medikamente mit enger therapeutischer Breite, wie Antikoagulanzien (Warfarin), sollten genau überwacht werden, um eine Überdosierung oder Unterdosierung zu vermeiden.
Zusätzlich können die gleichzeitige Einnahme von Altretamin und Alkohol oder anderen Substanzen, die die Leberfunktion beeinträchtigen, die Toxizität erhöhen. Patienten sollten über die potenziellen Risiken informiert und angehalten werden, solche Kombinationen zu vermeiden.
Vor Beginn der Behandlung mit Altretamin sollte der Arzt eine umfassende Liste aller eingenommenen Medikamente überprüfen, um potenzielle Wechselwirkungen zu identifizieren und geeignete Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Regelmäßige Blutuntersuchungen und klinische Überwachung sind entscheidend, um unerwünschte Interaktionen rechtzeitig zu erkennen und zu managen.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Altretamin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, gibt es mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Therapie von fortgeschrittenem Eierstockkrebs. Diese Alternativen bieten unterschiedliche Wirkmechanismen und Nebenwirkungsprofile, die für Patienten, die Altretamin nicht vertragen, geeignet sein können.
Platin-basierte Chemotherapie:
Cisplatin und Carboplatin sind gängige Alternativen zu Altretamin. Diese Wirkstoffe interagieren mit der DNA und stören die Zellteilung, was zur Apoptose der Krebszellen führt. Sie sind häufig in der Erstlinienbehandlung von Eierstockkrebs und bei Rezidiven wirksam. Carboplatin wird oft bevorzugt, da es weniger nephrotoxisch ist als Cisplatin.
Taxane:
Paclitaxel und Docetaxel sind Taxane, die das Zellwachstum hemmen, indem sie die Mikrotubuli-Funktion stören und die Zellteilung blockieren. Diese Medikamente werden häufig in Kombination mit Platin-basierten Chemotherapeutika verwendet und haben sich als wirksam bei der Behandlung von Eierstockkrebs erwiesen.
Topotecan:
Topotecan ist ein Topoisomerase-I-Hemmer, der die DNA-Replikation und -Transkription stört. Es wird als Zweitlinienbehandlung bei Patienten mit rezidiviertem Eierstockkrebs eingesetzt und kann eine Alternative sein, wenn andere Behandlungen nicht wirksam oder verträglich sind.
Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der das Wachstum von Blutgefäßen (Angiogenese) hemmt, die Tumore versorgen. Es wird oft in Kombination mit Chemotherapie bei fortgeschrittenem Eierstockkrebs eingesetzt und kann die Progression der Krankheit verlangsamen.
PARP-Inhibitoren:
Olaparib, Niraparib und Rucaparib sind PARP-Inhibitoren, die insbesondere bei Patienten mit BRCA-Mutationen wirksam sind. Sie verhindern die Reparatur von DNA-Schäden in Krebszellen, was zu deren Tod führt. Diese Medikamente bieten eine gezielte Therapieoption und haben sich in verschiedenen klinischen Studien als effektiv erwiesen.
Für bestimmte Patientengruppen, insbesondere bei langsam wachsenden Tumoren oder wenn andere Therapien nicht in Frage kommen, kann eine Hormontherapie mit Medikamenten wie Tamoxifen oder Letrozol in Betracht gezogen werden.
Die Wahl der alternativen Therapie hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich des spezifischen Krankheitsverlaufs, der genetischen Merkmale des Tumors, des allgemeinen Gesundheitszustands des Patienten und der vorherigen Behandlungen. Eine enge Zusammenarbeit mit einem Onkologen ist entscheidend, um die optimale Behandlungsstrategie zu bestimmen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor