Cisplatin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Wirkstoff Cisplatin gehört zu den Zytostatika. Er wird zur Behandlung von bösartigen Krebserkrankungen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Cisplatin?

Cisplatin verfügt über die Eigenschaft, die Herstellung von Erbgut wie der DNA zu hemmen. Bei diesem Vorgang heftet sich der Arzneistoff wahllos an sämtliche DNA-Bausteine und vernetzt die einzelnen Stränge sinnlos miteinander.
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Bei Cisplatin (cis-Diammindichloridoplatin) handelt es sich um ein Zytostatikum, das das Wachstum von Krebszellen hemmt. Der Arzneistoff bildet eine anorganische platinhaltige Schwermetallverbindung und verfügt über ein komplexgebundenes Platinatom. Cisplatin hat die Form von orangegelben Kristallen oder eines gelben Pulvers. In Wasser lässt es sich schwer lösen.

Entdeckt wurden die zytostatischen Effekte von Platinkomplexen in den 1960er Jahren durch einen Zufall. Dabei untersuchte der amerikanische Chemiker Barnett Rosenberg (1926-2009), welche Wirkung Wechselstrom auf die Bakterienart Escherichia coli hatte. Zu diesem Zweck griff Rosenberg auf Platinelektroden zurück. Das Experiment brachte zellwachstumshemmende Effekte zutage.

Nachforschungen ergaben, dass diese Eigenschaft nicht durch den Wechselstrom entstand, sondern aufgrund der Komplexverbindung cis-Diammintetrachloridoplatin(IV), die durch die Platinelektroden zustande kam. Weitere Versuche bestätigten die wachstumshemmende Wirkung.

Bis ein erster Einsatz von Cisplatin zur Therapie von Krebserkrankungen stattfand, dauerte es noch bis 1974. Bei einer Studie in der Universitätsklinik des US-Bundesstaats Indiana wurde der Wirkstoff eingesetzt, um Hodenkrebs zu behandeln. Im weiteren Verlauf ergaben sich durch das Mittel positive Behandlungserfolge, ohne dass es zu einem Rückfall der Krebskrankheit kam. In Deutschland wurde Cisplatin unter dem Präparatnamen Cis-GRY® eingesetzt. Darüber hinaus gelangten zahlreiche Generika auf den Markt.

Pharmakologische Wirkung

Cisplatin verfügt über die Eigenschaft, die Herstellung von Erbgut wie der DNA zu hemmen. Bei diesem Vorgang heftet sich der Arzneistoff wahllos an sämtliche DNA-Bausteine und vernetzt die einzelnen Stränge sinnlos miteinander. Es wird angenommen, dass der Wirkmechanismus unabhängig vom Lebenszyklus der Zellen erfolgt. In geringerem Ausmaß behindert Cisplatin außerdem die Herstellung von Proteinen, die eine lebenswichtige Bedeutung für die Zelle haben.

Durch das sinnlose Vernetzen der DNA-Stränge lassen sich die DNA-Informationen nur fehlerhaft oder sogar überhaupt nicht ablesen. Auf diese Weise hemmt Cisplatin die Teilung der Zellen, was letztlich ihre Zerstörung zur Folge hat.

Die Gabe von Cisplatin findet intravenös statt. Beim Verteilen des Stoffes wird auch die Blut-Hirn-Schranke überwunden. Zu den Organen, in denen sich das Zytostatikum bevorzugt anreichert, gehören Darm, Leber, Nieren und männliche Hoden. Das Ausscheiden von Cisplatin sowie seinen Stoffwechselprodukten erfolgt in erster Linie über den Urin. Den Rest scheidet die Galle aus.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Als Einzelpräparat oder gemeinsam mit anderen Zytostatika wird Cisplatin zur Therapie von fortgeschrittenen Krebserkrankungen verabreicht. Dies gilt auch dann, wenn sich durch den Tumor bereits Metastasen (Tochtergeschwülste) gebildet haben.

Zu den häufigsten Anwendungsgebieten gehören Prostatakrebs, Hodenkrebs, Blasenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Kopf- und Halstumore, Gebärmutterhalskrebs, Eierstockkrebs, Lungenkrebs, schwarzer Hautkrebs, Plattenepithelkarzinome, Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie ein Osteosarkom, bei dem es sich um einen bösartigen Knochentumor handelt.

Die Darreichung von Cisplatin erfolgt durch eine Infusion. In den meisten Fällen findet eine Kombination mit anderen Chemotherapeutika statt. Die Dosierung beträgt zumeist 15 bis 20 Milligramm Cisplatin am Tag je Quadratmeter Körperoberfläche. Es sind auch höhere Dosierungen, wie zum Bespiel 80 bis 120 mg je Quadratmeter Körperoberfläche, möglich. Eine Cisplatin-Behandlung von Kindern lässt sich prinzipiell durchführen. Dabei passt der Arzt die Dosis dem Körper des Kindes an.


Risiken & Nebenwirkungen

Die Anwendung von Cisplatin ist nicht frei von Nebenwirkungen. So ruft das Zytostatikum oft Durchfall, Übelkeit und Erbrechen hervor. Dieser unangenehme Nebeneffekt kann jedoch durch die Gabe von modernen Antiemetika relativ gut unter Kontrolle gebracht werden. Außerdem wirkt sich Cisplatin negativ auf die Zellen von Organen wie etwa den Nieren aus. Diesem Nebeneffekten lässt sich zum Teil durch den Zytoprotektor Amifostin entgegenwirken.

Weitere häufig auftretende Nebenwirkungen sind Veränderungen des Blutbilds wie ein Mangel an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen, Anämie (Blutarmut), Natriummangel, Fieber, ein Harnsäureüberschuss, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen, eine Verlangsamung des Herzschlags, eine Blutvergiftung (Sepsis), Atembeschwerden sowie Entzündungen der Blutgefäße an der Injektionsstelle.

Gelegentlich können außerdem Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautrötungen, Nesselsucht, Hautausschläge oder Juckreiz, Hörstörungen, schmerzhafte Schwellungen an der Brust, Eisprungstörungen, Missbildungen der männlichen Spermien, Magnesiummangel sowie Ablagerungen von Metall im Zahnfleisch auftreten. Bei Senioren und Kindern nehmen die Hörstörungen mitunter erhebliche Ausmaße an.

Weil Cisplatin schwere Störungen der Nierenfunktionen hervorrufen kann, fördert der behandelnde Arzt die Ausscheidung des Urins. Zu diesem Zweck gibt er dem Wirkstoff zwei Liter einer entsprechenden Lösung sowie ein Entwässerungspräparat wie Mannitol bei.

Keine Darreichung von Cisplatin darf erfolgen, wenn beim Patienten eine Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder weitere platinhaltige Verbindungen besteht. Gleiches gilt bei Nierenfunktionsstörungen, einer Austrocknung des Körpers, einer bereits bestehenden Hörschädigung sowie bei Knochenmarkfunktionsstörungen. Leidet der Erkrankte auch unter Störungen seiner Nervenfunktion, muss der Arzt sorgfältig zwischen Risiko und Nutzen der Cisplatin-Therapie entscheiden.

Keinesfalls darf das Zytostatikum während der Schwangerschaft verabreicht werden, da es sich tödlich auf das ungeborene Kind auswirken kann. Außerdem besteht das Risiko von späteren Krebserkrankungendes Kindes. Aus diesem Grund sind während der Behandlung konsequente Verhütungsmaßnahmen zu ergreifen, was sowohl für weibliche als auch für männliche Patienten gilt.

Darüber hinaus kann Cisplatin zu dauerhafter Unfruchtbarkeit führen. Weibliche Patientinnen müssen während der Therapie auf das Stillen ihres Kindes verzichten, da der Wirkstoff in die Muttermilch übergehen kann.

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