Isoniazid
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 29. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Wirkstoffe Isoniazid
Isoniazid ist ein Wirkstoff aus der Wirkstoffklasse der Antibiotika und der Gruppe der Tuberkulostatika zugeordnet. Der Arzneistoff dient der Behandlung und der Prävention der Tuberkulose bei infizierten Personen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Isoniazid?
Isoniazid ist die Kurzform für Isonicotinsäurehydrazid. Es handelt sich dabei um ein Antibiotikum, das vor allem in Kombination mit dem Antibiotikum Rifampicin zur Therapie der Infektionskrankheit Tuberkulose eingesetzt wird. Bei HIV-Patienten wird Isoniazid insbesondere zur Tuberkuloseprophylaxe genutzt. Dadurch hat sich die Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen und auch der Gesamttodesfälle durch Tuberkulose bei HIV-Patienten stark reduziert.
Die erste Synthese des Arzneistoffes fand im Jahr 1912 an der Universität Prag statt und wurde von Meyer und Malley durchgeführt. Die antibiotische Wirkung wurde jedoch erste rund 30 Jahre später anerkannt. In den Laboratorien der Pharmaunternehmen Hoffman-La Roche und Bayer AG entwickelten die Forscher und Chemiker Herbert Fox und Gerhard Domagk die Substanz mit ihrem Team bis zur endgültigen Marktreife weiter.
Pharmakologische Wirkung
Der bakterizide Wirkstoff Isoniazid wird von den Bakterienzellen aufgenommen. Im Inneren der Bakterienzelle erfolgt dann die Umwandlung durch das Enzym Katalase bzw. Peroxidase (KatG) von Isoniazid in Isonicotinsäure. Diese Isonicotinsäure wird von den Bakterien anstelle von Nicotinsäue in die NAD-Coenzyme eingebaut.
NAD spielen eine entscheidende Rolle bei diversen Stoffwechselvorgängen und Stoffwechselreaktionen. Aufgrund der eingebauten Isonicotinsäure können die Coenzyme ihre Funktion nicht mehr ausüben, sodass die Synthese von Nukleinsäuren und die Synthese der Mykolsäure gestört sind. Mykolsäure ist ein wichtiger Bestandteil der Zellwände der Bakterien. Diese macht die Widerstandsfähigkeit des Bakteriums aus. Wenn die Zellwand aufgrund des Antibiotikums instabil ist, gehen die Bakterien zugrunde.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Die Hauptindikation von Isoniazid ist die Therapie der Tuberkulose. Auch zur Behandlung von Menschen, die sich mit der Tuberkulose infiziert haben, aber noch nicht erkrankt sind, kommt der Arzneistoff zum Einsatz. Die Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die durch verschiedene Mykobakterien verursacht werden kann. Haupterreger ist jedoch das Mycobacterium tuberculosis. Jedes Jahr sterben etwa 1,3 Millionen Menschen an Tuberkulose.
Grundsätzlich lässt sich die Tuberkulose in unterschiedliche Stadien unterteilen. Zu schweren Infektionen kommt es vor allem bei abwehrgeschwächten Menschen. Daher wird das Antibiotikum Isoniazid auch zur Tuberkulose-Prophylaxe bei HIV-Patienten eingesetzt. Dafür wird das Antibiotikum in der Regel oral verabreicht.
Mit rund 90 Prozent verfügt Isoniazid über eine gute Bioverfügbarkeit. In der Leber erfolgt eine Acetylierung zu 75 Prozent. Der Arzneistoff und seine Metaboliten werden schlussendlich über die Nieren wieder ausgeschieden.
Isoniazid wird in der Regel gemeinsam mit anderen Tuberkulostatika verabreicht. So sollen Resistenzentwicklungen vermieden werden.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Isoniazid, einem wichtigen Antibiotikum zur Behandlung und Prävention von Tuberkulose (TB), sind mehrere Aspekte zu beachten, um die Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren.
Dosierung: Die Standarddosis für Erwachsene beträgt in der Regel 300 mg täglich oder 900 mg zwei- bis dreimal wöchentlich, abhängig von der Behandlungsschemata. Für Kinder beträgt die übliche Dosis 10-15 mg/kg Körpergewicht täglich, wobei die maximale Tagesdosis 300 mg nicht überschreiten sollte.
Verabreichung: Isoniazid sollte auf nüchternen Magen eingenommen werden, etwa eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit, um die Absorption zu verbessern. Bei gastrointestinalen Beschwerden kann es jedoch auch mit Nahrung eingenommen werden.
Dauer der Behandlung: Die Behandlungsdauer variiert je nach Indikation. Bei aktiver Tuberkulose ist eine Langzeittherapie von mindestens sechs Monaten erforderlich, oft in Kombination mit anderen Antituberkulotika wie Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol. Bei der Prophylaxe von latenter Tuberkulose beträgt die Behandlungsdauer in der Regel sechs bis neun Monate.
Nebenwirkungen und Überwachung: Patienten sollten über mögliche Nebenwirkungen wie periphere Neuropathie, Hepatotoxizität und allergische Reaktionen informiert werden. Regelmäßige Überwachung der Leberfunktion ist besonders wichtig, da Isoniazid Leberschäden verursachen kann. Patienten mit Risikofaktoren für Hepatotoxizität, wie ältere Erwachsene, Alkoholiker und Personen mit vorbestehenden Lebererkrankungen, erfordern besondere Vorsicht.
Vitamin B6 Supplementation: Um das Risiko der peripheren Neuropathie zu reduzieren, wird häufig die gleichzeitige Gabe von Vitamin B6 (Pyridoxin) empfohlen, insbesondere bei Patienten mit Risikofaktoren wie Alkoholismus, Diabetes oder Unterernährung. Die übliche Dosis beträgt 10-50 mg täglich.
Wechselwirkungen: Isoniazid kann mit anderen Medikamenten interagieren, einschließlich Antiepileptika, Antikoagulanzien und Alkohol. Diese Wechselwirkungen können die Wirksamkeit der Medikamente beeinflussen und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen. Eine sorgfältige Medikationsüberprüfung und Überwachung durch den behandelnden Arzt sind daher unerlässlich.
Durch die Beachtung dieser Aspekte kann die Therapie mit Isoniazid sicher und effektiv gestaltet werden, um die besten Behandlungsergebnisse zu erzielen.
Risiken & Nebenwirkungen
Bei einer Medikation mit Isoniazid kann es zu gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall kommen. Auch Störungen des Zentralnervensystems, Allergien und periphere Neuropathien gehören zu den möglichen Nebenwirkungen. Ferner kann durch eine gewisse Lebertoxizität ein intrahepatischer Ikterus (Gelbsucht) auftreten.
Aufgrund der beeinträchtigten Leber leiden einige Patienten zudem unter einer Alkoholintoleranz. Unter der Einnahme des Antibiotikums kann ein Vitamin-B6-Mangel entstehen. Dadurch kann sich eine Polyneuritis entwickeln, die mit verschiedenen neurologischen Symptomen wie Kribbeln, Missempfindungen oder Lähmungen einhergeht. Um eine solche Polyneuritis zu vermeiden, kann der behandelnde Arzt zusätzlich ein Vitamin B6-Präparat verabreichen.
Isoniazid zeigt Wechselwirkungen mit verschiedenen anderen Präparaten. Bei der gleichzeitigen Verabreichung von Acetaminophen (Paracetamol) erhöht sich die Toxizität dieses Arzneistoffes, sodass es zu schweren Leberschäden kommen kann. Auch mit dem Arzneimittel Carbamazepin besteht eine Wechselwirkung. Durch Isoniazid wird die Carbamazepin-Clearance gesenkt, sodass der Arzneistoff länger im Blut verbleibt. Die Wirkstoffspiegel von Ketoconazol, einem Arzneistoff, der zur Behandlung von Pilzinfektionen eingesetzt wird, wird hingegen durch Isoniazid herabgesetzt. Isoniazid erhöht die Serumspiegel von Theophyllin und Valproat. Theophyllin kommt zur Behandlung des Asthma bronchiale und Valproat zur Behandlung der Epilepsie zum Einsatz.
Bei Erkrankungen der Leber ist Isoniazid absolut kontraindiziert. So sollte eine Einnahme bei einer akuten Hepatitis und einer Leberinsuffizienz möglichst vermieden werden. Auch bei Alkoholmissbrauch und bei der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus ist eine Einnahme des Antibiotikums Isoniazid nicht empfehlenswert.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Isoniazid gibt es mehrere typische Kontraindikationen, die berücksichtigt werden müssen, um das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen zu minimieren und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.
Lebererkrankungen: Patienten mit akuten Lebererkrankungen, einschließlich aktiver Hepatitis oder Leberzirrhose, sollten Isoniazid nicht einnehmen. Da Isoniazid hepatotoxisch wirken kann, erhöht sich bei diesen Patienten das Risiko schwerer Leberschäden erheblich.
Überempfindlichkeit: Bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Isoniazid stellt eine absolute Kontraindikation dar. Allergische Reaktionen können von Hautausschlägen bis hin zu schweren anaphylaktischen Reaktionen reichen.
Akute neurologische Erkrankungen: Patienten mit akuten neurologischen Erkrankungen oder vorbestehender peripherer Neuropathie sollten Isoniazid nur mit Vorsicht und unter strenger ärztlicher Überwachung verwenden, da das Medikament neurologische Nebenwirkungen verschlimmern kann.
Schwangerschaft und Stillzeit: Isoniazid kann während der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden, jedoch nur, wenn der potenzielle Nutzen das Risiko überwiegt. Schwangere Frauen sollten engmaschig überwacht werden, da das Medikament die Plazentaschranke passiert und in die Muttermilch übergeht.
Alkoholismus: Chronischer Alkoholismus erhöht das Risiko für Hepatotoxizität. Bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Alkoholmissbrauch sollte Isoniazid daher nur mit großer Vorsicht eingesetzt werden, und die Leberfunktion sollte regelmäßig überprüft werden.
Nierenerkrankungen: Obwohl Isoniazid hauptsächlich über die Leber metabolisiert wird, kann bei Patienten mit schweren Nierenerkrankungen eine Dosisanpassung erforderlich sein, um eine Akkumulation des Medikaments und damit verbundene Toxizität zu vermeiden.
Epilepsie und Krampfanfälle: Isoniazid kann die Krampfschwelle senken und somit das Risiko von Anfällen erhöhen. Patienten mit Epilepsie oder einer Vorgeschichte von Krampfanfällen sollten daher besonders überwacht werden, und gegebenenfalls sollte die gleichzeitige Gabe von Antikonvulsiva erwogen werden.
Diese Kontraindikationen sollten sorgfältig geprüft werden, bevor Isoniazid verschrieben wird, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten und das Risiko unerwünschter Wirkungen zu minimieren. Eine gründliche Anamnese und regelmäßige Überwachung sind entscheidend für eine sichere und wirksame Therapie.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Isoniazid kann mit einer Vielzahl von Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie beeinflussen kann. Einige wichtige Wechselwirkungen sind:
Antiepileptika: Isoniazid kann die Blutspiegel von Phenytoin und Carbamazepin erhöhen, was das Risiko von Toxizität erhöht. Eine sorgfältige Überwachung der Plasmaspiegel dieser Medikamente und gegebenenfalls eine Dosisanpassung sind erforderlich.
Rifampicin: Die gleichzeitige Anwendung von Isoniazid und Rifampicin kann das Risiko für Hepatotoxizität erhöhen. Patienten, die beide Medikamente einnehmen, sollten engmaschig auf Anzeichen von Leberfunktionsstörungen überwacht werden.
Antikoagulanzien: Isoniazid kann die Wirkung von Warfarin verstärken, was zu einem erhöhten Blutungsrisiko führt. Regelmäßige Überwachung der INR (International Normalized Ratio) und Anpassung der Warfarin-Dosierung sind notwendig.
Benzodiazepine: Isoniazid kann den Metabolismus von Benzodiazepinen wie Diazepam und Alprazolam hemmen, was zu erhöhten Plasmaspiegeln und verstärkter sedativer Wirkung führt. Eine Anpassung der Benzodiazepin-Dosierung kann erforderlich sein.
Theophyllin: Isoniazid kann die Theophyllinspiegel im Blut erhöhen, was zu toxischen Wirkungen führen kann. Regelmäßige Überwachung der Theophyllinspiegel und Dosisanpassung sind notwendig.
Alkohol: Alkohol kann die hepatotoxischen Effekte von Isoniazid verstärken. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, während der Behandlung mit Isoniazid keinen Alkohol zu konsumieren.
MAO-Hemmer und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer: Isoniazid hat schwache MAO-hemmende Eigenschaften und kann das Risiko einer hypertensiven Krise bei gleichzeitiger Anwendung mit MAO-Hemmern oder serotonergen Medikamenten erhöhen.
Antidepressiva: Die Wechselwirkung von Isoniazid mit trizyklischen Antidepressiva kann die anticholinerge Wirkung dieser Medikamente verstärken, was zu einer Zunahme von Nebenwirkungen führen kann.
Diese Interaktionen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Medikationsanamnese und regelmäßigen Überwachung, um unerwünschte Wirkungen und Therapiekomplikationen zu vermeiden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ist entscheidend, um eine sichere und effektive Behandlung mit Isoniazid zu gewährleisten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Isoniazid nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um Tuberkulose (TB) zu behandeln.
Rifampicin: Rifampicin ist ein starkes Antituberkulotikum, das häufig in Kombination mit anderen Medikamenten eingesetzt wird. Es wirkt durch Hemmung der bakteriellen RNA-Polymerase und ist ein zentraler Bestandteil der Standard-TB-Behandlung.
Ethambutol: Ethambutol hemmt die Zellwandsynthese von Mycobacterium tuberculosis. Es wird oft in Kombination mit Rifampicin und anderen Medikamenten verwendet, insbesondere bei Resistenzen oder Unverträglichkeiten gegenüber Isoniazid.
Pyrazinamid: Pyrazinamid wird ebenfalls in der Initialphase der TB-Behandlung eingesetzt. Es wirkt am besten in saurem Milieu, wie es in infizierten Geweben und Zellen vorliegt. Es wird häufig zusammen mit Rifampicin und Ethambutol verwendet.
Fluorchinolone: Fluorchinolone wie Levofloxacin und Moxifloxacin sind wirksame Alternativen bei der Behandlung von multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB). Sie wirken durch Hemmung der bakteriellen DNA-Gyrase und Topoisomerase IV.
Bedaquilin: Bedaquilin ist ein neueres Antituberkulotikum, das speziell für die Behandlung von MDR-TB zugelassen ist. Es wirkt durch Hemmung der ATP-Synthase, einem Enzym, das für die Energieproduktion der Bakterien notwendig ist.
Linezolid: Linezolid wird ebenfalls zur Behandlung von MDR-TB verwendet und wirkt durch Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese. Es ist eine wichtige Option bei Resistenzen gegen mehrere Standardmedikamente.
Clofazimin: Ursprünglich zur Behandlung von Lepra entwickelt, wird Clofazimin zunehmend als Teil von Regimen zur Behandlung von MDR-TB verwendet. Es wirkt durch Bindung an die mykobakterielle DNA und Störung ihrer Funktion.
Streptomycin: Streptomycin ist ein Aminoglykosid-Antibiotikum, das als Zweitlinienmedikament bei der TB-Behandlung verwendet wird. Es hemmt die Proteinsynthese der Bakterien und wird häufig bei Resistenzen gegen Erstlinienmedikamente eingesetzt.
Diese Alternativen bieten flexible Behandlungsoptionen, um die Therapie an individuelle Bedürfnisse und Resistenzen anzupassen. Eine sorgfältige Auswahl und Kombination der Medikamente durch einen erfahrenen Arzt sind entscheidend, um die bestmöglichen Behandlungsergebnisse zu erzielen und Resistenzen zu vermeiden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor