Chloramphenicol
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Chloramphenicol ist ein Breitbandantibiotikum, das aufgrund der möglichen schweren Nebenwirkungen nur noch als Reserveantibiotikum bei schweren, anders nicht zu beherrschenden bakteriellen Infektionen angewendet wird. Es kann eine aplastische Anämie auslösen, die lebensbedrohlich ist.
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Was ist Chloramphenicol?
Chloramphenicol ist ein Breitbandantibiotikum, das, aufgrund der Möglichkeit einer aplastischen Anämie als auftretender Nebenwirkung, nur noch als Reserveantibiotikum zum Einsatz kommt. Es wurde 1947 erstmals aus dem Bakterium streptomyces venezuelae gewonnen. Heute wird es nur noch vollsynthetisch hergestellt.
Unter der Behandlung mit Chloramphenicol kann eine lebensbedrohliche aplastische Anämie auftreten. Aus diesem Grund wird es nicht breit eingesetzt, sondern findet nur als Reserveantibiotikum bei anders nicht zu beherrschenden bakteriellen Infektionen Einsatz. Prinzipiell besitzt es jedoch ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien.
Von einer topischen Anwendung wird abgeraten, da systemische Nebenwirkungen möglich sind; dennoch ist Chloramphenicol nach wie vor in Hautarzneien, Augen- und Ohrentropfen und Augensalben zugelassen. Es ist allerdings zu beachten, dass das Auftreten systemischer Nebenwirkungen bei topischer Behandlung sehr gering ist. Somit sollte immer eine individuelle Abwägung stattfinden. Die Risiken der topischen Anwendung des Chloramphenicols werden in der Fachwelt kontrovers diskutiert.
In der Veterinärmedizin wird Chloramphenicol gegen die Chytridiomykose, eine Pilzerkrankung bei Amphibien, eingesetzt. Es ist also auch gegen den Chytridpilz (einen Pilz) wirksam.
Pharmakologische Wirkung
Chloramphenicol verhindert die Translation der mRNA in Aminosäuren. Es ist somit ein sog. Translationshemmer. Dies führt zur Hemmung des Aufbaus bakterieller Eiweiße und somit auch zur Hemmung des Wachstums und der Vermehrung der Bakterien. Chloramphenicol ist somit ein bakteriostatisches Antibiotikum.
Es ist gut gewebegängig, auch durch die Plazenta (Mutterkuchen) und die Muttermilch. Bei oraler Applikation beträgt die Bioverfügbarkeit 80%, bei intramuskulärer Injektion 70%. Die Plasmaproteinbindung beträgt zwischen 50 und 60%, die Plasmahalbwertszeit liegt bei 1,5 bis 3,5 Stunden. Bei Nieren- und Leberfunktionsstörungen verlängert sich die Plasmahalbwertszeit, was in der Dosierung zu berücksichtigen ist. Die Metabolisierung erfolgt hepatisch, fast ausschließlich über die Glucuronidierung. Die Elimination erfolgt anschließend renal.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Chloramphenicol wird aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils nur als Reserveantibiotikum eingesetzt, wenn andere Therapieoptionen entweder nicht zur Verfügung stehen oder versagt haben. Die Hauptindikationen sind somit schwere, nicht anders zu beherrschende bakterielle Infektionen. Zu diesen Indikationen des Chloramphenicols zählen Typhus, Paratyphus, Ruhr, Diphtherie, Malaria und Rickettsiosen.
Neben den genannten Indikationen kann Chloramphenicol aufgrund der guten Liquorgängigkeit als Reserveantibiotikum bei einer durch Pneumokokken oder Haemophilus influenzae verursachten Meningitis eingesetzt werden.
Topisch wird Chloramphenicol zur Behandlung der Bindehautentzündung (Konjunktivitis) und zur Behandlung von Hornhautinfektionen eingesetzt. Auch bei einer Blepharitis (Entzündung der Augenlieder) kommt Chloramphenicol zum Einsatz. Weiterhin wird es bei Infektionen der Haut und bei Ekzemen eingesetzt.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung von Chloramphenicol ist besondere Vorsicht geboten, da es sich um ein stark wirksames Antibiotikum handelt, das schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen kann. Chloramphenicol wird in verschiedenen Formen verabreicht, darunter oral, intravenös oder topisch. Die genaue Dosierung hängt von der Art und Schwere der Infektion sowie vom Alter, Gewicht und Gesundheitszustand des Patienten ab.
Die übliche orale oder intravenöse Dosierung für Erwachsene beträgt in der Regel 50 mg/kg Körpergewicht pro Tag, aufgeteilt in 4 Dosen. Bei schweren Infektionen kann die Dosierung auf bis zu 100 mg/kg Körpergewicht pro Tag erhöht werden. Die Dauer der Therapie variiert je nach Infektion, beträgt aber in der Regel 7 bis 14 Tage.
Besondere Vorsicht ist bei Neugeborenen geboten, da sie ein erhöhtes Risiko für das sogenannte "Gray-Syndrom" haben, eine potenziell tödliche Nebenwirkung, die durch eine Akkumulation des Medikaments entsteht. Für Neugeborene und Säuglinge ist daher eine reduzierte Dosis und eine sorgfältige Überwachung erforderlich.
Wegen des Risikos schwerwiegender Nebenwirkungen, wie aplastischer Anämie, sollte Chloramphenicol nur bei schweren bakteriellen Infektionen eingesetzt werden, wenn weniger toxische Alternativen nicht verfügbar sind. Regelmäßige Blutbildkontrollen sind während der Therapie notwendig, um Anzeichen von Knochenmarksuppression frühzeitig zu erkennen.
Risiken & Nebenwirkungen
Die schwerste mögliche Nebenwirkung des Chloramphenicols ist die sog. aplastische Anämie. Sie tritt selten auf, ist jedoch lebensbedrohlich. Bei der aplastischen Anämie kommt es zu einer Schädigung des Knochenmarks, die dazu führt, dass kaum noch Blutzellen im Knochenmark produziert werden. Die aplastische Anämie kann auch noch Wochen und Monate nach der Therapie mit Chloramphenicol auftreten. Anzeichen dieser Anämie sind extreme Müdigkeit, Blutungen und eventuell schwere Infektionen.
Weitere Nebenwirkungen sind bei der lokalen Anwendung allergische Reaktionen, die sich durch Juckreiz, eine Hautrötung, Hautreizungen und Schwellungen äußern können. Bei systemischer Anwendung kann bei Neugeborenen das Gray-Syndrom auftreten. Weiterhin ist die Herxheimer-Reaktion eine mögliche Nebenwirkung.
Es ist zu beachten, dass Chloramphenicol mit Antikoagulantien, Methotrexat und Sulfonylharnstoffen interagiert. Es kommt hierbei zu einer Wirkungsverstärkung. Barbiturate und Phenytoin führen zu einer verminderten Wirksamkeit des Chloramphenicols. Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva (zB der "Anti-Baby-Pille") ist darauf zu achten, dass Chloramphenicol die Wirksamkeit des Präparats beeinträchtigt. Es sollte also zusätzlich verhütet werden.
Bei Neugebornen ist Chloramphenicol kontraindiziert. Weiterhin bestehen Kontraindikationen bei schwerer Leberinsuffizienz, Schwangerschaft und während der Stillzeit.
Präparate, die Chloramphenicol enthalten sind verschreibungspflichtig. Bei Lebensmittel liefernden Tieren darf Chloramphenicol in der EU nicht angewendet werden.
Kontraindikationen
Chloramphenicol ist aufgrund seiner potenziell schweren Nebenwirkungen nur bei bestimmten Infektionen angezeigt, wenn sicherere Alternativen nicht wirksam sind. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Chloramphenicol selbst oder einen seiner Bestandteile. Patienten mit einer solchen Vorgeschichte sollten das Medikament nicht erhalten.
Eine weitere bedeutende Kontraindikation betrifft Patienten mit einer bestehenden Knochenmarksschädigung oder einer Vorgeschichte von aplastischer Anämie, da Chloramphenicol das Risiko einer Knochenmarksuppression erheblich erhöht. Menschen mit bereits beeinträchtigter Knochenmarksfunktion sollten daher dieses Antibiotikum meiden.
Auch Neugeborene, insbesondere Frühgeborene, sollten Chloramphenicol nicht erhalten, da sie ein erhöhtes Risiko für das gefährliche "Grey-Syndrom" haben. Dieses Syndrom ist gekennzeichnet durch Atemprobleme, Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut) und Kreislaufkollaps, und kann tödlich verlaufen.
Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz müssen ebenfalls mit Vorsicht behandelt werden, da diese Organe entscheidend für die Ausscheidung des Medikaments sind. Eine eingeschränkte Funktion kann zu einer Akkumulation und erhöhtem Risiko für Toxizität führen. Bei Schwangeren und stillenden Frauen ist Chloramphenicol ebenfalls kontraindiziert, da es die Plazenta und Muttermilch durchqueren und das ungeborene oder neugeborene Kind schädigen kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Chloramphenicol weist mehrere wichtige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf, die bei seiner Verwendung beachtet werden müssen. Eine der bedeutendsten Interaktionen betrifft Arzneimittel, die ebenfalls eine Knochenmarksuppression verursachen können, wie z.B. Zytostatika (Chemotherapeutika) oder bestimmte antiretrovirale Medikamente. Wenn Chloramphenicol zusammen mit solchen Medikamenten verabreicht wird, kann das Risiko einer schweren Knochenmarksschädigung stark erhöht sein.
Chloramphenicol hemmt außerdem die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems in der Leber, insbesondere CYP2C19. Dies kann zu einer Verlängerung der Halbwertszeit und verstärkten Wirkungen von Medikamenten führen, die über diesen Weg metabolisiert werden, wie z.B. Phenytoin, Warfarin und orale Hypoglykämika. Bei gleichzeitiger Anwendung von Chloramphenicol und Warfarin kann es beispielsweise zu einer verstärkten Blutgerinnungshemmung kommen, was das Risiko von Blutungen erhöht.
Ein weiteres wichtiges Beispiel ist die Wechselwirkung mit Rifampicin, einem Antibiotikum, das die Wirkung von Chloramphenicol durch Enzyminduktion abschwächen kann, was zu einer verringerten Wirksamkeit führt. Auch die gleichzeitige Anwendung von Penicillin oder Cephalosporinen sollte vermieden werden, da Chloramphenicol die bakterizide Wirkung dieser Antibiotika antagonisieren kann.
Zusätzlich kann Chloramphenicol bei gleichzeitiger Gabe mit oralen Kontrazeptiva deren Wirksamkeit verringern, was das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft erhöht.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Chloramphenicol aufgrund von Unverträglichkeit oder Kontraindikationen nicht eingesetzt werden kann, stehen mehrere alternative Antibiotika zur Verfügung, die je nach Art der Infektion und dem Erreger ausgewählt werden. Bei bakteriellen Infektionen, die Chloramphenicol erfordern, wie z.B. Typhus oder bestimmte Formen der bakteriellen Meningitis, können andere Breitbandantibiotika als Alternativen dienen.
Für Typhus können Antibiotika wie Ciprofloxacin oder Azithromycin eingesetzt werden, die bei empfindlichen Erregern ähnliche Wirksamkeit zeigen. In Fällen von bakterieller Meningitis, bei denen Chloramphenicol als Reserveantibiotikum verwendet würde, können Antibiotika wie Ceftriaxon oder Meropenem eine geeignete Alternative darstellen.
Für Patienten mit Atemwegsinfektionen, bei denen Chloramphenicol in Erwägung gezogen wird, sind Makrolide wie Erythromycin oder Clarithromycin eine mögliche Alternative, da sie ebenfalls gegen viele bakterielle Erreger wirksam sind.
Bei Augenerkrankungen, für die Chloramphenicol lokal verwendet wird, können alternative Augentropfen mit Tobramycin oder Fusidinsäure eingesetzt werden, je nach Empfindlichkeit des Erregers.
Da Chloramphenicol oft als Reserveantibiotikum bei schweren Infektionen verwendet wird, sollte vor dem Wechsel auf ein alternatives Antibiotikum immer ein Empfindlichkeitstest durchgeführt werden, um die beste therapeutische Option zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor