Colistin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Colistin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antibiotika. Das Polypeptid-Antibiotikum stört die Permeabilität der Zellmembran der Bakterien und tötet diese somit.
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Was ist Colistin?
Colistin ist ein Arzneistoff mit einer hohen Toxizität. Er wurde deshalb lange Zeit hauptsächlich lokal als Salbenzusatz oder als Aerosol bei der Inhalationstherapie eingesetzt. Insbesondere bei Menschen mit Mukoviszidose, die unter einer Pseudomonas-Besiedelung litten, wurde Colistin eingesetzt.
Die systemische Gabe wurde aufgrund der nierenschädigenden Wirkeigenschaften des Arzneistoffes lange Zeit vermieden. Mittlerweile wird das Antibiotikum auch systemisch wieder öfter verordnet. Grund dafür ist das gehäufte Auftreten von Enterobakterien, die gegen die Antibiotika aus der Wirkstoffgruppe der Carbapeneme resistent sind. CRE (carbapenem-resistente Enterobakterien) finden sich vor allem in den USA, Israel, Türkei, in Griechenland und in nordafrikanischen Ländern. CRE können häufig nur noch mit Colistin, Fosfomycin und Tigecyclin behandelt werden.
Colistin ist auch unter dem Namen Polymixin E bekannt. Es gehört zur Gruppe der Polymyxine und wird seit 1959 therapeutisch genutzt. Polymyxine sind Polypeptid-Antibiotika, die aus chemisch verzweigten, zyklischen Dekapeptiden bestehen.
Pharmakologische Wirkung
Colistin wird parenteral, also unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts, verabreicht. Nach der parenteralen Applikation wird der inaktive Wirkstoff Colistimethat-Natrium durch den chemischen Vorgang der Hydrolyse in die aktive Colistin-Base umgewandelt. Diese ist pharmakologisch wirksam. Dabei entstehen aus 80 Milligramm CMS ungefähr 33 Milligramm Colistin-Basen.
Colistin sorgt an den Zellwänden der Bakterien für eine erhöhte Durchlässigkeit. Dadurch können verschiedene Stoffe in die Bakterienzelle eindringen. Die Osmolarität wird gestört und schlussendlich platzen die Bakterienzellen.
Da grampositive Bakterien im Gegensatz zu den gramnegativen über keine äußere Zellmembran verfügen, wirkt Colistin nur bei gramnegativen Bakterien. Empfindlich gegenüber Colistin sind Shigellen, Salmonellen, Haemophilus influenzae, Acinetobacter und Pasteurellen. Auch Klebsiellen, Escherichia coli, Enterobacter und Pseudomonas aeruginosa reagieren meist empfindlich auf das Antibiotikum. Proteus, Gonokokken, grampositive Bakterien und Meningokokken sind hingegen resistent.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Colistin wird heute nur noch nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung eingesetzt. Eine Indikation sind Patienten mit Mukoviszidose, die unter einer Infektion mit Pseudomonas aeruginosa leiden. Die Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit, die mit der Produktion von zähen Sekreten durch die exokrinen Drüsen einhergeht. Die Betroffenen leiden unter chronischen Atemwegsentzündungen und Magen-Darm-Beschwerden. Pseudomonas aeruginosa ruft bei Patienten mit einem supprimierten Immunsystem und angegriffenen Atemwegen Pneumonien hervor. Besonders häufig finden sich diese Pneumonien bei Mukoviszidosepatienten oder bei Patienten, die auf der Intensivstation liegen.
Des Weiteren wird Colistin zur Behandlung von Infektionen mit dem multiresistenten Bakterium Acinetobacter baumannii eingesetzt. Acinetobacter baumanii ist ein humanpathogenes Kurzstäbchen-Bakterium aus der Familie der Moraxellaceae. Der Keim ruft weltweit nosokomiale Infektionen hervor. Nosokomialinfektionen sind Infektionen, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit Klinikaufenthalten stehen. Infektionen mit Acinetobacter baumanii werden vor allem bei Beatmungspatienten im Intensivpflegebereich beobachtet. Aus der Infektion resultiert in der Regel eine nosokomiale Lungenentzündung (Pneumonie). Auch Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen und Blutvergiftungen werden durch den resistenten Erreger hervorgerufen.
Risiken & Nebenwirkungen
Das Antibiotikum ist zudem nephrotoxisch. Es wirkt sich also schädigend auf die Nieren aus. Es kann zu einer akuten Nekrose der kleinen Harnkanälchen in der Niere kommen. Dies führt in der Regel innerhalb kurzer Zeit zu einem akuten Nierenversagen. Die Niere kann ihrer Filtrationsaufgabe nicht mehr nachkommen, sodass sich vermehrt harnpflichtige Substanzen im Blut ansammeln.
Colistin wirkt zudem nicht nur nephro-, sondern auch neurotoxisch. Mögliche Symptome einer Schädigung des Nervensystems sind Schwindel, Krämpfe, Koma, Sehstörungen oder Sprachstörungen. Auch Blutschäden können durch das Antibiotikum hervorgerufen werden.
Colistin darf aufgrund seiner nephrotoxischen Wirkung nicht bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz eingesetzt werden. Auch schwere herzbedingte Ausscheidungsstörungen stellen eine Kontraindikation dar. Eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff Colistin oder gegenüber anderen Polymyxinen ist ebenfalls ein Ausschlusskriterium. Aufgrund der schweren möglichen Nebenwirkungen für das Ungeborene bzw. für das Neugeborene darf Colistin nicht während der Schwangerschaft und während der Stillzeit verabreicht werden.
Es ist zu beachten, dass sich die Nebenwirkungen bei der Kombination mit nephrotoxischen Wirkstoffen verstärken. Zu solchen nephrotoxischen Arzneimitteln gehören unter anderem Vancomycin, Schleifendiuretika und Aminoglykoside. Auch Wirkstoffe mit neuromuskulären Blockaden, wie beispielsweise Muskelrelaxantien, können die Nebenwirkungen von Colistin verstärken.