Fluphenazin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. November 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei Fluphenazin handelt es sich um einen Wirkstoff, der aufgrund seiner Eigenschaften in der Humanmedizin bereits seit den 1960er Jahren erfolgreich als Neuroleptikum eingesetzt wird. Fluphenazin ist u. a. bei psychotischen Syndromen mit Wahnzuständen und Halluzinationen, einer diagnostizierten Schizophrenie und psychomotorischen Erregungszuständen indiziert.
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Was ist Fluphenazin?
Der medizinische Arzneistoff Fluphenazin wurde in der Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahre 1961 zur Behandlung von Krankheiten zugelassen. Unter den Handelsnamen Omca® und Lyogen® wurde der Stoff in Tablettenform verschrieben und zur Behandlung diverser psychischer bzw. psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt.
Der weiße Feststoff wird wegen seiner Eigenschaften der Wirkstoffklasse der Neuroleptika zugeordnet und bildet einen Teil der Gruppe der sogenannten Phenothiazine. Fluphenazin weist eine morale Masse von 437,52 g/mol auf. In der Chemie und Pharmakologie wird der Arzneistoff durch die Summenformel C 22 – H 26 – F 3 – N 3 – O – S beschrieben.
Die Einnahme erfolgt auch heute noch ausschließlich oral in Tablettenform. Neben den bekannten Handelsnamen ist Fluphenazin zudem als Generikum im Handel erhältlich.
Pharmakologische Wirkung
Fluphenazin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Phenothiazine. Als solches gilt es als ein Neuroleptikum und verfügt über antipsychotische und sedierende Eigenschaften. Fluphenazin zählt zu den sogenannten hochpotenten Neuroleptika, zu denen auch die verwandten Arzneistoffe Haloperidol und Perphenazin gehören. Diese bilden die neuroleptisch potenteste Gruppe der ersten Generation von Neuroleptika.
Die pharmakologische Wirkung von Fluphenazin macht den Arzneistoff zu einem Dopaminantagonisten. Er bindet sich kompetitiv an die Dopamin-Rezeptoren (D2-Rezeptoren) im menschlichen Gehirn und hemmt dadurch die Anbindung des Botenstoffs Dopamin. Es kommt zu einem leicht sedierenden, antipsychotischen und antriebsmindernden Effekt.
Neben der Wirkung auf die Dopamin-Rezeptoren ist Fluphenazin ebenfalls an den Serotonin-Rezeptoren (5HT2-Rezeptoren) aktiv. Auch hier wird eine Anbindung des Botenstoffs Serotonin verhindert, was zu einer Verstärkung der sedierenden, antipsychotischen und antriebsmindernden Auswirkungen führt.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Da Fluphenazin, anders als andere Neuroleptika wie z. B. Triflupromazin, nur neuroleptische bzw. sedierende Effekte auslöst, findet der Wirkstoff in der Humanmedizin ausschließlich in der Psychiatrie Verwendung. In der Tiermedizin kommt Fluphenazin hingegen auch als Beruhigungsmittel zur Einleitung einer Narkose zum Einsatz.
Das Neuroleptikum wird von Patienten nach vorheriger ärztlicher Verordnung oral als Filmtablette eingenommen. Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über Apotheken, da der Arzneistoff in Europa und den USA der Verschreibungs- und Apothekenpflicht unterliegt.
Derzeit findet der Arzneistoff ausschließlich in Monopräparaten Anwendung. Für Medikamente, die Fluphenazin als aktiven Wirkstoff enthalten, besteht eine Indikation, wenn bei Patienten eine Schizophrenie diagnostiziert wurde. In diesen Fällen kann Fluphenazin verschrieben werden, um eine Rezidivprophylaxe durchzuführen oder um chronische Psychosen zu therapieren. Aber auch bei Denkstörungen, akuten Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ich-Störungen wird Fluphenazin verschrieben. Die Anwendung kann, je nach Behandlungsziel, kurz oder langfristig erfolgen, wobei letzteres die Regel ist.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Fluphenazin, einem Antipsychotikum aus der Gruppe der Phenothiazine, gibt es wichtige Aspekte zu beachten, um die Wirksamkeit zu maximieren und das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Fluphenazin kann oral als Tablette oder flüssige Lösung sowie intramuskulär in Depotform verabreicht werden. Die Dosierung hängt von der Schwere der Symptome, dem Alter des Patienten und dessen individuellem Ansprechen auf die Behandlung ab.
Zu Beginn der Therapie wird häufig eine niedrigere Dosis verschrieben, die schrittweise angepasst wird, um die optimale Wirkdosis zu finden. Eine sorgfältige Überwachung des Patienten ist erforderlich, insbesondere zu Beginn der Behandlung oder bei Dosisanpassungen, da Fluphenazin mit einem Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen wie Muskelsteifheit, Zittern und Bewegungsstörungen verbunden ist.
Die Depotform von Fluphenazin, die alle zwei bis vier Wochen injiziert wird, erfordert eine genaue Planung, um eine gleichmäßige Wirkstofffreisetzung sicherzustellen. Bei älteren Patienten oder Menschen mit Leber- und Nierenproblemen sollte die Dosierung vorsichtiger angepasst werden, da diese Patienten anfälliger für Nebenwirkungen sind.
Darüber hinaus sollte Fluphenazin nicht abrupt abgesetzt werden, um das Risiko eines Absetzsyndroms zu vermeiden. Eine schrittweise Reduzierung der Dosis wird empfohlen. Patienten sollten regelmäßig auf Nebenwirkungen wie Sedierung, Blutdruckabfall oder Anzeichen eines tardiven Dyskinesie-Risikos überwacht werden.
Risiken & Nebenwirkungen
Vor der erstmaligen Einnahme von Fluphenazin muss geprüft werden, ob eine Unverträglichkeit (Allergie) gegen den Wirkstoff vorliegt. Ist dies der Fall, sollte eine Behandlung nicht durchgeführt werden. Eine solche Kontraindikation ist auch gegeben, wenn Patienten unter schweren Funktionsstörungen der Nieren oder Leber leiden. Darüber hinaus kann die Einnahme von Neuroleptika die Effekte von Schmerz- und Narkosemitteln verstärken. Vor einer Operation ist die Dosis der zur Anwendung kommenden Präparate folglich entsprechend zu verringern. Da durch Fluphenazin auch die Wirkung von Alkohol verstärkt wird, sollte kurz vor oder nach der Einnahme des Wirkstoffes nichts mehr getrunken werden.
Weil es sich bei Fluphenazin um ein Neuroleptikum handelt, kann es nach der Einnahme zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Dies muss allerdings nicht zwingend der Fall sein. Dennoch berichten einige Patienten über Störungen des Extrapyramidalmotorischen Systems (EPMS). Diese drücken sich meist durch ein Tremor (unwillkürliche, rhythmisch erfolgende Kontraktion verschiedener Muskelgruppen) oder Rigor (pathogen gesteigerte Anspannung der Skelettmuskulatur) aus.
Aufgrund der Einnahme von Fluphenazin kann es auch zu Blutdruckwerten unterhalb von 100/60 mmHg (Hypotonie) kommen. Möglich ist auch, dass die Behandlung mit Fluphenazin zu einer langfristigen Überschreitung der alterstypischen Herzfrequenz (Tachykardie) führt.
In einigen klinischen Studien berichteten Behandelte auch über Beschwerden des Magen-Darm-Traktes, die sich in Erbrechen, Übelkeit, allgemeinem Unwohlsein und Obstipationen (Verstopfungen) äußerten. Zu den weiteren bisher bekannten Nebenwirkungen zählen auch Mundtrockenheit und Kopfschmerzen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen für die Verwendung von Fluphenazin betreffen bestimmte medizinische Zustände und individuelle Empfindlichkeiten, die das Risiko von schwerwiegenden Nebenwirkungen erhöhen können. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegenüber Fluphenazin oder anderen Phenothiazinen, da dies zu schweren allergischen Reaktionen führen kann.
Patienten mit schweren Lebererkrankungen oder einer stark eingeschränkten Leberfunktion sollten Fluphenazin nicht einnehmen, da das Medikament in der Leber metabolisiert wird und eine weitere Schädigung verursachen könnte. Auch bei schwerer Niereninsuffizienz ist Vorsicht geboten, da die Ausscheidung des Medikaments beeinträchtigt sein könnte.
Fluphenazin ist ebenfalls kontraindiziert bei Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie unkontrollierter Hypertonie, Herzinsuffizienz oder bestimmten Herzrhythmusstörungen. Das Medikament kann den Blutdruck beeinflussen und das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen erhöhen.
Menschen mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems, wie Koma, schwere Depression oder eine bereits bestehende Parkinson-Erkrankung, sollten Fluphenazin vermeiden, da es das Risiko von extrapyramidalen Symptomen oder einer Verschlechterung neurologischer Zustände erhöhen kann.
Weitere Kontraindikationen umfassen das Vorhandensein einer Knochenmarkssuppression oder einer Blutbildungsstörung, da Fluphenazin die Blutzellproduktion beeinträchtigen kann. Zudem sollte das Medikament nicht bei stillenden Frauen angewendet werden, da es in die Muttermilch übergeht und dem Säugling schaden könnte. Die Anwendung bei älteren Patienten mit Demenz ist ebenfalls kritisch, da sie ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Tod aufweisen.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Fluphenazin kann mit einer Vielzahl anderer Medikamente interagieren, was die Wirkung entweder verstärken oder abschwächen und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen kann. Eine der wichtigsten Interaktionen betrifft Zentralnervensystem (ZNS) dämpfende Substanzen, wie Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Alkohol oder Opioide. Die gleichzeitige Einnahme kann die sedierende Wirkung verstärken, was zu verstärkter Schläfrigkeit, Atemdepression oder einem erhöhten Risiko für Koma führen kann.
Die Kombination mit Antihypertensiva kann den blutdrucksenkenden Effekt dieser Medikamente verstärken und möglicherweise zu einem gefährlichen Blutdruckabfall führen. Auch die gleichzeitige Anwendung von Anticholinergika sollte mit Vorsicht erfolgen, da Fluphenazin anticholinerge Wirkungen hat, die zu Mundtrockenheit, Verstopfung oder Harnverhalt führen können.
Vorsicht ist geboten, wenn Fluphenazin mit anderen Antipsychotika oder Medikamenten, die das Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen erhöhen, kombiniert wird, da dies zu einer Verschlimmerung von Bewegungsstörungen führen kann. Auch die gleichzeitige Einnahme mit Lithium sollte sorgfältig überwacht werden, da Berichte über neurotoxische Wirkungen existieren.
Blutverdünner wie Warfarin können ebenfalls mit Fluphenazin interagieren, was das Blutungsrisiko erhöhen könnte. Außerdem können Medikamente, die den CYP2D6-Enzymstoffwechsel beeinflussen, wie einige Antidepressiva, die Plasmakonzentration von Fluphenazin verändern, was zu einer Überdosierung oder einer verminderten Wirksamkeit führen kann. Auch die gleichzeitige Anwendung mit Levodopa, einem Medikament zur Behandlung der Parkinson-Krankheit, kann die Wirksamkeit von Levodopa verringern.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Fluphenazin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um psychotische Symptome zu behandeln. Atypische Antipsychotika sind eine gängige Alternative, da sie oft weniger extrapyramidale Nebenwirkungen verursachen. Beispiele hierfür sind Risperidon, Olanzapin, Quetiapin und Aripiprazol. Diese Medikamente wirken auf verschiedene Neurotransmittersysteme und sind besonders bei Patienten geeignet, die empfindlich auf die Nebenwirkungen typischer Antipsychotika reagieren.
Clozapin ist ein weiteres atypisches Antipsychotikum, das bei therapieresistenten Schizophrenien eingesetzt wird, allerdings mit besonderer Vorsicht aufgrund des Risikos einer Agranulozytose, einer schweren Blutzellerkrankung, die regelmäßige Blutkontrollen erfordert.
Haloperidol ist ein typisches Antipsychotikum, das eine Alternative zu Fluphenazin darstellen kann, jedoch mit einem ähnlichen Nebenwirkungsprofil, weshalb es vorsichtig eingesetzt wird. Für Patienten, die leichte Symptome haben oder eine Ergänzungstherapie benötigen, können Stimmungsstabilisatoren wie Valproinsäure oder Lamotrigin sinnvoll sein.
In bestimmten Fällen können psychosoziale Interventionen wie kognitive Verhaltenstherapie und psychoedukative Programme die Pharmakotherapie ergänzen oder teilweise ersetzen, insbesondere wenn Medikamente nicht gut vertragen werden. Diese Ansätze helfen, die sozialen und kognitiven Funktionen zu verbessern und den Umgang mit Symptomen zu erleichtern.
Zudem können pflanzliche Präparate wie Baldrian oder Johanniskraut in milden Fällen zur Beruhigung eingesetzt werden, allerdings immer unter ärztlicher Aufsicht, um mögliche Wechselwirkungen zu vermeiden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor