Papaverin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. September 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Papaverin ist eine Substanz aus der Gruppe der Alkaloide und gehört zur Wirkstoffklasse der Spasmolytika. Das Alkaloid kommt im getrockneten Milchsaft des Schlafmohns vor. Es kann aber auch synthetisch hergestellt werden.
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Was ist Papaverin?
Das Papaverin ist ein Naturstoff, der im Milchsaft des Schlafmohns und in anderen verwandten Mohnarten vorkommt. Rohopium enthält etwa ein Prozent Papaverin. Der Reinstoff Papaverin ist wirkungsvoll und weist zugleich nicht das gesamte Spektrum an möglichen Nebenwirkungen auf. Papaverin ist ebenso wie das chemische Papaverinderivat ein cAMP-Phosphodiesterase-Hemmer. Es wirkt somit auf zahlreiche Unterformen der Phosphodiesterase-Familie.
Papaverin wird vor allem als gefäßerweiternder Arzneistoff eingesetzt. Er gehört zur Gruppe der Spasmolytika. Spasmolytika sind krampflösende Arzneimittel, die den Spannungszustand der glatten Muskulatur herabsetzen und deren Verkrampfungen lösen.
Die erste komplette Synthese des Papaverins wurde 1909 von den Forschern Pictet und Gams durchgeführt. Die gesamte Strukturauflösung gelang dem Österreicher Guido Goldschmiedt einige Jahre später. Pharmazeutisch verwendet wird heute Papaverinhydrochlorid als Monopräparat oder in Kombinationspräparaten.
Pharmakologische Wirkung
Papaverin ist ein cAMP-Phosphodiesteraseh-Hemmer. Phosphodiesterasen sind Enzyme, die in fast allen Geweben des Körpers zu finden sind. Jede Umweltveränderung wird vom Körper wahrgenommen und bewirkt einen Reiz. Dieser wird durch Botenstoffe in das Zellinnere übertragen. Diese Botenstoffe werden auch als second messenger bezeichnet. Zu den second messengern gehören die Substanzen cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) und cGMP (zyklisches Guanosinmonophosphat). Sie sind für die Reizantwort in der Zelle verantwortlich. Diese Reizantwort kann beispielsweise durch eine Änderung des Stoffwechsels der Zelle erfolgen. Durch Phosphodiesterasen kann die Signalübertragung innerhalb der Zelle gehemmt werden. Phosphodiesterasen können Botenstoffe wie cAMP oder cGMP spalten und somit unwirksam machen.
Phosphodiesterasehemmer stören hingegen die Enzyme bei ihrer Arbeit und fördern somit die Signalübertragung innerhalb der Zelle. Papaverin ist ein Phosphodiesterasehemmer, der Phosphodiesterasen hemmt, die cAMP unwirksam machen. Dadurch verlängern sie die Wirkung des Botenstoffs und verstärken die Effekte verschiedener Reize. Da cAMP entspannend auf die glatte Muskulatur wirkt, hat Papaverin eine krampflösende und gefäßentspannende Wirkung.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Papaverin wird vor allem in der Herzchirurgie eingesetzt. Dort verhindert der Arzneistoff Verkrampfungen von Blutgefäßen bei der Gewinnung von Arterien für Bypass-Operationen. Auch als krampflösendes Medikament bei Magenkrämpfen, Gallenkoliken und Harnwegsspasmen wird Papaverin eingesetzt. Allerdings wird es bei diesen Indikationen immer häufiger von dem Spasmolytikum Propiverin abgelöst, da dieses nicht nur entkrampfend, sondern auch anticholinerg wirkt.
Ein weiteres Einsatzgebiet für Papaverin sind Erektionsstörungen des Mannes. Dafür wird der Arzneistoff in den Schwellkörper des männlichen Gliedes injiziert. Die Gefäßerweiterung führt dann zu einer verstärkten Durchblutung des Penis und somit zu einer Erektion. Diese Therapie wird auch als Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) bezeichnet.
In seltenen Fällen kommt Papaverin auch zur Behandlung von peripheren oder zerebralen Durchblutungsstörungen zum Einsatz. Die Therapie mit dem Arzneistoff ist bei diesen Indikationen allerdings umstritten.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Papaverin, einem krampflösenden Mittel (Spasmolytikum) zur Entspannung der glatten Muskulatur, gibt es mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Papaverin wird hauptsächlich zur Behandlung von Krämpfen der glatten Muskulatur in den Blutgefäßen, im Magen-Darm-Trakt oder in den Gallengängen eingesetzt.
Die Dosierung hängt von der Art der Verabreichung (oral, intramuskulär oder intravenös) und dem zu behandelnden Zustand ab. Bei oraler Einnahme beträgt die übliche Dosis für Erwachsene 100 bis 200 mg, die zwei- bis viermal täglich verabreicht wird. Intramuskulär oder intravenös kann die Dosierung je nach klinischem Zustand zwischen 30 und 120 mg liegen, wobei die intravenöse Verabreichung langsam erfolgen sollte, um das Risiko von Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall oder Herzrhythmusstörungen zu minimieren.
Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen geboten, da Papaverin in der Leber metabolisiert wird und seine Ausscheidung über die Nieren erfolgt. Eine Anpassung der Dosierung kann erforderlich sein, um eine Überdosierung zu vermeiden. Ebenso sollte bei älteren Patienten eine reduzierte Dosierung in Erwägung gezogen werden.
Da Papaverin potenziell Blutdruckabfall und Herzrhythmusstörungen verursachen kann, sollte die Herz-Kreislauf-Funktion während der Behandlung überwacht werden, insbesondere bei intravenöser Gabe. Auch eine gleichzeitige Einnahme von Medikamenten, die das zentrale Nervensystem beeinflussen, wie Beruhigungsmittel, sollte mit Vorsicht erfolgen.
Risiken & Nebenwirkungen
Bei der Einnahme von Papaverin können neurologische Defizite wie halbseitige Lähmungen, epileptische Anfälle, Pupillenstörungen oder Bewusstseinseintrübungen auftreten. Durch die gefäßerweiternde Wirkung des Arzneistoffes kann es zu einem lebensbedrohlichen Blutdruckabfall kommen. Zudem kann der Hirndruck ansteigen. Insgesamt treten Nebenwirkungen jedoch eher selten auf.
Die Injektion von Papaverin in der Schwellkörper-Autoinjektionstherapie ist allerdings mit mehr Risiken behaftet. So kann es zu einer schmerzhaften Dauererektion kommen. Diese Form der Dauererektion ohne Erregung wird als Priapismus bezeichnet. Die Erektion hält länger als zwei Stunden an und kann unbehandelt zu schweren Erektionsstörungen führen.
Nach der Injektion von Papaverin können zudem schwere allergische Reaktionen auftreten. Diese zeigen sich in Form von Hautausschlag, Nesselsucht, Engegefühl in der Brust oder Schwellungen am Körper. Bei diesen Symptomen sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Auch eine übermäßige Müdigkeit, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit, Erbrechen und eine Gelbfärbung von Haut und Augen (Ikterus) erfordern sofortige medizinische Hilfe.
Leichtere Nebenwirkungen sind Durchfall, Verstopfung, Schwindel, Appetitverlust, Magenverstimmungen oder leichte Rötungen an der Injektionsstelle. Wenn diese Nebenwirkungen fortbestehen oder sich verschlimmern, sollte ebenfalls ein Arzt aufgesucht werden.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Papaverin betreffen Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen oder Risiken, bei denen die Anwendung des Medikaments potenziell schädlich sein könnte. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Papaverin oder einen seiner Bestandteile. Bei Patienten mit einer solchen Allergie können schwere Reaktionen auftreten.
Papaverin darf nicht bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung angewendet werden, da das Medikament in der Leber metabolisiert wird und eine beeinträchtigte Leberfunktion zu einer Ansammlung des Medikaments und einer erhöhten Toxizität führen kann. Auch bei Patienten mit schwerer Hypotonie (niedrigem Blutdruck) ist Vorsicht geboten, da Papaverin den Blutdruck weiter senken kann, was zu Kreislaufproblemen oder Ohnmacht führen könnte.
Eine weitere Kontraindikation betrifft Patienten mit Herzrhythmusstörungen, insbesondere AV-Block oder anderen Arrhythmien. Papaverin kann das Herz-Kreislauf-System beeinflussen und bestehende Herzrhythmusstörungen verschlimmern.
Bei Glaukom (grüner Star) sollte Papaverin ebenfalls nicht angewendet werden, da es den Augeninnendruck erhöhen kann, was für Patienten mit dieser Augenerkrankung problematisch sein könnte. Zudem ist die Anwendung bei Patienten mit Störungen der Atmung oder chronischen Atemwegserkrankungen wie COPD mit Vorsicht zu betrachten, da Papaverin eine Atemdepression verstärken kann.
Schließlich sollte Papaverin bei schwangeren Frauen und in der Stillzeit nur unter strenger ärztlicher Aufsicht angewendet werden, da seine Sicherheit in diesen Fällen nicht ausreichend belegt ist.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Papaverin kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, was die Wirksamkeit beeinflussen oder das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen kann. Eine wichtige Wechselwirkung besteht mit Medikamenten, die das zentrale Nervensystem dämpfen, wie Beruhigungsmittel, Hypnotika oder Alkohol. In Kombination mit Papaverin kann die sedierende Wirkung dieser Substanzen verstärkt werden, was zu verstärkter Schläfrigkeit oder verminderter Reaktionsfähigkeit führen kann.
Eine weitere relevante Interaktion besteht mit Medikamenten, die die Blutgerinnung beeinflussen. Papaverin kann die Wirkung von Antikoagulanzien wie Warfarin oder Heparin verstärken und so das Risiko von Blutungen erhöhen. Daher sollte die Gerinnung bei gleichzeitiger Anwendung dieser Medikamente engmaschig überwacht werden.
Bei Patienten, die gleichzeitig Antihypertensiva (Blutdrucksenker) einnehmen, kann Papaverin den blutdrucksenkenden Effekt verstärken, was zu Hypotonie und Schwindel führen kann. Daher ist bei der Kombination dieser Medikamente Vorsicht geboten, und der Blutdruck sollte regelmäßig überwacht werden.
Papaverin sollte auch nicht gleichzeitig mit Levodopa, einem Medikament zur Behandlung von Parkinson, angewendet werden. Es kann die Wirksamkeit von Levodopa verringern und die Parkinson-Symptome verschlimmern.
Darüber hinaus kann Papaverin in Kombination mit Betablockern oder anderen Antiarrhythmika das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen. Es sollte daher bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sorgfältig eingesetzt werden, insbesondere wenn sie bereits Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen einnehmen.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Papaverin nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, die ähnliche krampflösende und gefäßerweiternde Effekte haben. Diese Alternativen hängen von der zugrunde liegenden Erkrankung und den Symptomen ab, die behandelt werden sollen.
Eine häufige Alternative ist Drotaverin, ein weiteres krampflösendes Mittel, das ähnlich wie Papaverin wirkt, jedoch häufig besser vertragen wird. Es wird vor allem bei krampfartigen Schmerzen im Magen-Darm-Trakt und in den Harnwegen eingesetzt.
Butylscopolamin ist ebenfalls eine gängige Option. Es ist ein Anticholinergikum, das die glatte Muskulatur entspannt, insbesondere bei Krämpfen des Verdauungs- und Urogenitalsystems. Es wird oft zur Behandlung von Bauchkrämpfen und Reizdarmsyndrom verwendet.
Bei Gefäßkrämpfen oder Durchblutungsstörungen können Medikamente wie Nifedipin oder andere Kalziumkanalblocker eingesetzt werden. Diese wirken gefäßerweiternd und werden häufig zur Behandlung von Angina pectoris oder Raynaud-Syndrom verwendet.
Für Patienten mit gastrointestinalen Krämpfen kann auch Mebeverin in Erwägung gezogen werden, ein krampflösendes Mittel, das selektiv auf die glatte Muskulatur des Verdauungstrakts wirkt, ohne die normale Darmbewegung zu beeinträchtigen.
Bei Durchblutungsstörungen oder krampfartigen Schmerzen kann zudem Nitroglycerin in bestimmten Formen (z. B. Pflaster oder Salbe) eingesetzt werden, um die Gefäße zu erweitern und die Symptome zu lindern.
Neben medikamentösen Optionen können auch physikalische Therapieansätze wie Wärmebehandlungen, Massage oder Entspannungstechniken zur Linderung von Muskelkrämpfen beitragen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor