Articain
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 17. Mai 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Articain ist ein medizinischer Wirkstoff. Er wird der Gruppe der Lokalanästhetika zugeordnet.
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Was ist Articain?
Das Mittel Articain zählt zu den lokalen Anästhetika. Bis 1984 trug der Wirkstoff die Bezeichnung Carticain. Eine weitere Bezeichnung ist Articainum. Entwickelt wurde das Mittel zwischen 1969 und 1974 von den früheren Farbwerken Hoechst.
Häufigstes Anwendungsgebiet des Stoffes ist die Zahnmedizin. Dort wird Articain benutzt, um die Weiterleitung von Reizen zu hemmen, eine Blockade der Natriumkanäle der Nerven hervorzurufen und die Wahrnehmung der Schmerzen auszuschalten.
Pharmakologische Wirkung
Die Wirkung von Articain beruht auf einer Veränderung der Membranpermeabilität. Wird ein Reiz aufgenommen und weitergeleitet, kommt es in der Nervenfaser zum Entstehen von winzigem elektrischen Strom. Verschiedene Mineralien wie Kalium und Natrium werden bei diesem Vorgang über Kanäle aus der Nervenzelle ausgeleitet. Sie können aber auch in die Zelle hineinfließen.
Durch die Gabe von Articain ist es möglich, die Kanäle zu blockieren, die für den Transport von Natrium zuständig sind. Auf diese Weise wird die Weiterleitung des Reizes unterbunden. Dies führt wiederum zur zeitweiligen Ausschaltung des Schmerzes.
Im Falle eines oberflächlichen Auftragens kann Articain nur eine sehr geringe Betäubungswirkung entfalten. Deshalb wird das Einspritzen des lokalen Anästhetikums vorgenommen. Durch dieses Vorgehen lässt sich das angrenzende Gewebe an der Injektionsstelle betäuben. Aber auch die Anästhesie eines gesamten Nervenstranges ist möglich, sofern das Einspritzen in dessen Nähe erfolgt.
Zu den größten Vorteilen von Articain gehört dessen rasch betäubende Wirkung. Diese setzt in einem Abstand von 1 bis 11 Minuten ein, egal welche Anwendungstechnik zum Einsatz gelangt. Darüber hinaus wirkt Articain zuverlässig. Die Wirkungsdauer des Betäubungsmittels hält zwischen 60 und 225 Minuten an. Die eingriffsreife Wirkungslänge liegt zwischen 20 und 75 Minuten. Verwendet der Arzt zusätzlich durchblutungshemmende Präparate, verlängert sich der positive Effekt, weil dadurch einer Ausschwemmung des Lokalanästhetikums entgegengewirkt wird.
Ein weiterer Vorteil von Articain ist dessen gute Penetrationsfähigkeit in das Gewebe eines Knochens. Außerdem lässt sich das Betäubungsmittel rasch aus dem Körper ausleiten. So erfolgt seine Inaktivierung per Hydrolyse sowie das Freilegen einer hydrophilen Säuregruppe.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Articain wird verabreicht, um Nerven an bestimmten Stellen des Körpers zu betäuben. Ebenso lassen sich ganze Körperbereiche mit dem Anästhetikum behandeln. Da der Patient keine Schmerzen verspürt, erleichtert dies den Behandlungsvorgang beträchtlich.
In den meisten Fällen kommt Articain bei zahnmedizinischen Routineeingriffen zum Einsatz, um Schmerzen während der Behandlung zu unterbinden. Da in der Zahnmedizin zumeist lokale Betäubungen durchgeführt werden, eignet sich das Mittel zu diesem Zweck besonders gut.
Das Verabreichen von Articain lässt sich in die Haut, in einen Muskel, ins Bindegewebe oder in den Darmbereich vornehmen. Ebenso ist eine intravenöse Injektion möglich. Das Metabolisieren des Betäubungsmittels erfolgt sowohl im Blutplasma als auch in der Leber. Dabei kommt es zur Spaltung des Articains in Esterasen. Die Plasmahalbwertszeit liegt im Durchschnitt bei 30 Minuten.
Articain gilt allgemein als gut verträglich. So eignet es sich auch zur Behandlung von schwangeren Frauen.
Verabreichung & Dosierung
Articain ist ein Lokalanästhetikum, das häufig in der Zahnmedizin verwendet wird, um operative Eingriffe schmerzfrei zu gestalten. Aufgrund seiner schnellen Wirksamkeit und relativ kurzen Halbwertszeit ist Articain bei vielen Zahnärzten und Oralchirurgen beliebt. Bei der Verabreichung und Dosierung von Articain sind jedoch mehrere wichtige Punkte zu beachten, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten.
Dosierung
Die Dosierung von Articain richtet sich nach dem spezifischen Eingriff, dem Gesundheitszustand des Patienten und dessen Alter und Gewicht. Die maximale empfohlene Dosis für Erwachsene beträgt in der Regel 7 mg pro Kilogramm Körpergewicht, mit einer Obergrenze von etwa 500 mg pro Behandlungssitzung. Für Kinder sollte die Dosierung entsprechend reduziert und an das Körpergewicht angepasst werden.
Verabreichungsform
Articain wird üblicherweise als Injektion verabreicht. Es wird in verschiedenen Konzentrationen angeboten, oft kombiniert mit Adrenalin (Epinephrin) zur Verlängerung der Anästhesiedauer und Reduzierung von Blutungen. Die Injektion sollte langsam und vorsichtig erfolgen, um das Risiko von systemischen Nebenwirkungen zu minimieren.
Sicherheitsmaßnahmen
Patientenanamnese: Vor der Verabreichung von Articain sollte eine gründliche Anamnese durchgeführt werden, um mögliche Allergien, bestehende Erkrankungen (insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und die aktuelle Medikation des Patienten zu erfassen.
Überwachung: Während und nach der Injektion sollten Patienten überwacht werden, um mögliche Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen, Taubheitsgefühle oder systemische Toxizität frühzeitig zu erkennen.
Vorsicht bei speziellen Patientengruppen: Bei Schwangeren, stillenden Frauen, älteren Patienten und solchen mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion sollte Articain mit besonderer Vorsicht und gegebenenfalls in reduzierten Dosen angewendet werden.
Kombination mit anderen Medikamenten: Articain sollte nicht gleichzeitig mit anderen Lokalanästhetika oder Medikamenten, die die Herzfunktion beeinflussen, verabreicht werden, ohne das Risiko von Wechselwirkungen zu berücksichtigen.
Die Verabreichung und Dosierung von Articain erfordert sorgfältige Beachtung der individuellen Patientensituation und Einhaltung der empfohlenen Dosierungsrichtlinien. Durch sorgfältige Patientenauswahl, Überwachung und Anpassung der Dosierung kann die Sicherheit und Effektivität dieses Lokalanästhetikums maximiert werden.
Risiken & Nebenwirkungen
Trotz der guten Verträglichkeit von Articain sind mitunter störende Nebenwirkungen im Bereich des Möglichen. So können in manchen Fällen Taubheitsgefühle, Missempfindungen sowie Übelkeit und Erbrechen auftreten. Diese Beschwerden zeigen sich jedoch nicht in jedem Fall, da die Reaktion auf Medikamente von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfällt.
Eher selten kommt es nach der Einnahme von Articain zu Schwindelgefühlen, allergischen Reaktionen wie Entzündungen und Schwellungen, verlangsamtem Herzschlag und niedrigem Blutdruck. Im schlimmsten Fall ist sogar ein lebensbedrohlicher Schock oder Herzversagen denkbar.
Eine strenge Indikation von Articain ist bei Patienten nötig, die unter einem Cholinesterasemangel leiden. In solchen Fällen kann sich die Wirkung des Anästhetikums verlängern oder verstärken. Auch wenn schwere Funktionsstörungen der Leber oder der Nieren, Blutgerinnungsstörungen oder Epilepsie vorliegen, bedarf es besonderer Vorsicht bei der Behandlung.
Nicht geeignet ist eine Anwendung von Articain bei schwerem niedrigem Blutdruck, einer Überempfindlichkeit gegen Articain, schweren Störungen des Herzreizleitungssystems sowie akuter Herzmuskelschwäche.
Kontraindikationen
Articain ist ein weit verbreitetes Lokalanästhetikum, das insbesondere in der Zahnmedizin eingesetzt wird. Trotz seiner Wirksamkeit gibt es bestimmte Kontraindikationen, die eine Anwendung von Articain ausschließen oder besondere Vorsicht erfordern.
Allergien und Überempfindlichkeit
Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Allergie oder Überempfindlichkeit gegenüber Articain oder anderen Inhaltsstoffen des Präparats, wie beispielsweise Sulfitverbindungen oder Epinephrin. Allergische Reaktionen können schwerwiegend sein und anaphylaktischen Schock, Hautausschläge oder Atembeschwerden verursachen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie unkontrollierter Hypertonie, schwerer Herzinsuffizienz oder kürzlich aufgetretenem Myokardinfarkt, sollten Articain, insbesondere in Kombination mit Epinephrin, nur mit äußerster Vorsicht erhalten. Epinephrin kann zu Tachykardie und erhöhtem Blutdruck führen, was das Risiko für Komplikationen erhöht.
Störungen der Blutgerinnung
Bei Patienten mit Störungen der Blutgerinnung oder unter Antikoagulationstherapie ist Vorsicht geboten, da Articain-Injektionen zu Blutungen und Hämatomen führen können. Eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung und gegebenenfalls eine Anpassung der Antikoagulationstherapie sind notwendig.
Leber- und Niereninsuffizienz
Patienten mit schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz sollten Articain nur in reduzierten Dosen erhalten. Die Metabolisierung und Ausscheidung von Articain kann bei diesen Patienten beeinträchtigt sein, was das Risiko für systemische Toxizität erhöht.
Schwangerschaft und Stillzeit
Während der Schwangerschaft sollte Articain nur angewendet werden, wenn es unbedingt notwendig ist und der potenzielle Nutzen das Risiko überwiegt. In der Stillzeit ist ebenfalls Vorsicht geboten, da Articain in die Muttermilch übergehen kann.
Neurologische Erkrankungen
Patienten mit neurologischen Erkrankungen, wie Epilepsie, sollten sorgfältig überwacht werden, da Lokalanästhetika wie Articain potenziell das Risiko für Krampfanfälle erhöhen können.
Die Anwendung von Articain erfordert eine sorgfältige Prüfung möglicher Kontraindikationen. Eine gründliche Anamnese und individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung sind entscheidend, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Articain kann in Kombination mit bestimmten Medikamenten zu Wechselwirkungen führen, die die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung beeinflussen können. Hier sind einige wichtige Interaktionen, die bei der Verwendung von Articain beachtet werden sollten:
Andere Lokalanästhetika: Die gleichzeitige Verwendung von Articain mit anderen Lokalanästhetika kann zu einer additiven Toxizität führen. Dies kann das Risiko von Nebenwirkungen wie Krampfanfällen, Herzrhythmusstörungen und systemischer Toxizität erhöhen.
Blutdrucksenkende Medikamente: Articain, besonders wenn es Epinephrin enthält, kann die Wirkung von Blutdrucksenkern beeinflussen. Epinephrin kann zu einem vorübergehenden Anstieg des Blutdrucks führen, was bei Patienten mit antihypertensiver Medikation zu Problemen führen kann.
Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer): Patienten, die MAO-Hemmer einnehmen, haben ein erhöhtes Risiko für hypertensive Krisen, wenn sie Epinephrin-haltige Anästhetika wie Articain erhalten. Diese Kombination sollte vermieden werden oder mit Vorsicht angewendet werden.
Trizyklische Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva können die kardiovaskulären Wirkungen von Epinephrin verstärken, was zu Tachykardie und erhöhtem Blutdruck führen kann. Eine sorgfältige Überwachung ist erforderlich, wenn diese Medikamente gleichzeitig verwendet werden.
Beta-Blocker: Beta-Blocker können die vasokonstriktorischen Wirkungen von Epinephrin verstärken, was zu einer schwerwiegenden Blutdrucksteigerung führen kann. Diese Kombination erfordert eine sorgfältige Überwachung des Patienten.
Antiarrhythmika: Die gleichzeitige Anwendung von Articain und Antiarrhythmika wie Amiodaron kann das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen. Eine engmaschige Überwachung der Herzfunktion ist in solchen Fällen wichtig.
Antikoagulanzien: Bei Patienten, die Antikoagulanzien einnehmen, kann die Injektion von Articain zu verstärkten Blutungen und Hämatomen führen. Eine sorgfältige Überwachung der Blutgerinnungsparameter ist erforderlich.
Cimetidin: Cimetidin, ein H2-Rezeptorantagonist, kann die Ausscheidung von Articain verlangsamen und dessen systemische Konzentration erhöhen, was das Risiko für Toxizität erhöht.
Diese Wechselwirkungen unterstreichen die Notwendigkeit einer gründlichen Medikamentenanamnese und einer individuellen Anpassung der Anästhesie bei der Verwendung von Articain.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Articain nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Lokalanästhetika und Behandlungsmethoden zur Verfügung, um eine sichere und effektive Schmerzkontrolle zu gewährleisten.
Lokalanästhetika
Lidocain: Lidocain ist ein weit verbreitetes Lokalanästhetikum, das eine gute Alternative zu Articain darstellt. Es hat eine bewährte Sicherheitsbilanz und kann für verschiedene zahnmedizinische und chirurgische Eingriffe verwendet werden.
Mepivacain: Mepivacain wirkt ähnlich wie Articain, jedoch ohne die vasokonstriktorische Komponente. Es eignet sich besonders für Patienten, die Epinephrin vermeiden müssen, und hat eine mittellange Wirkdauer.
Bupivacain: Bupivacain hat eine längere Wirkdauer und eignet sich gut für Eingriffe, die eine lang anhaltende Anästhesie erfordern. Es wird häufig in der Chirurgie und für postoperative Schmerztherapien verwendet.
Prilocain: Prilocain ist ein weiteres alternatives Lokalanästhetikum, das besonders für Patienten geeignet ist, die auf andere Anästhetika allergisch reagieren. Es hat eine mittellange Wirkdauer und wird oft in der Zahnmedizin eingesetzt.
Nicht-pharmakologische Methoden
Akupunktur: Akupunktur kann zur Schmerzlinderung eingesetzt werden und ist eine gute Option für Patienten, die keine chemischen Anästhetika vertragen. Sie wird durch die Platzierung von feinen Nadeln an spezifischen Körperstellen durchgeführt, um den Schmerz zu lindern.
Hypnose: Hypnose ist eine psychologische Technik, die bei einigen Patienten wirksam zur Schmerzkontrolle eingesetzt werden kann. Sie kann besonders bei Angstzuständen und in der Zahnmedizin hilfreich sein.
Elektronische Nervenstimulation (TENS): TENS-Geräte verwenden elektrische Impulse, um Schmerzen zu lindern. Diese Methode kann in bestimmten Situationen als Ergänzung oder Alternative zu Lokalanästhetika verwendet werden.
Systemische Analgetika
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Medikamente wie Ibuprofen oder Naproxen können zur Schmerzkontrolle vor und nach Eingriffen eingesetzt werden, obwohl sie keine Lokalanästhesie bieten.
Paracetamol: Paracetamol ist eine weitere Option zur systemischen Schmerzbehandlung, besonders bei Patienten, die NSAR nicht vertragen.
Diese alternativen Behandlungsmethoden und Wirkstoffe bieten flexible Optionen für die Schmerztherapie bei Patienten, die Articain nicht vertragen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor