Tetrazyklin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Tetrazykline sind Arzneistoffe aus der Wirkstoffklasse der Antibiotika. Sie gehören zu den Breitbandantibiotika und werden bei bakteriellen Infektionen eingesetzt.
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Was ist Tetrazyklin?
Tetrazykline sind verschiedene Antibiotika, die erstmalig von Benjamin Minge Duggar im Jahr 1948 erwähnt wurden. Entdeckt wurden die Arzneistoffe in der Forschungsabteilung des Arzneimittelherstellers Pfizer. Patentiert wurden Tetrazykline im Jahr 1955.
Tetrazykline wurden zunächst aus Bakterienarten isoliert. Dabei entstanden Chlortetracycline und Oxytetracycline. Die heute erhältlichen Tetrazykline sind chemisch modifizierte Derivate dieser ursprünglichen Substanzen. Sie haben eine höhere Verträglichkeit und weisen zudem eine günstigere Pharmakokinetik auf.
Zu den Tetrazyklinen gehören Doxycycline, Minocycline und Lymecycline. Diese unterscheiden sich in ihrer Verträglichkeit und in ihren pharmakokinetischen Eigenschaften. Ein Derivat der Tetrazykline ist Tigecyclin. Diese Substanz wird vor allen Dingen bei schweren Infektionen mit multiresistenten Keimen eingesetzt.
Pharmakologische Wirkung
Durch die Tetrazykline kann sich speziell die Aminoacyl-tRNA auf der 50s-Unterseite der Ribosomen nicht richtig ausrichten. Die erforderliche Peptidyltransferase-Reaktion kann nicht durchgeführt werden. Somit kommt es während der Proteinsynthese in den Bakterien zu einem Abbruch der Peptidkette. Möglicherweise basiert die Toxizität des Arzneistoffes auf einer Ausschaltung der 30-S-Ribosomen, welche in den Mitochondrien der Wirtszellen vorhanden sind.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Der Arzneistoff wirkt gegen grampositive und gegen gramnegative Bakterien. Auch Bakteriengattungen, die keine Zellwand haben, sind empfindlich gegenüber dem Antibiotikum. Zu diesen zellwandlosen Bakterien gehören beispielsweise Mykoplasmen oder Chlamydien. Auch Borrelien und Spirochäten reagieren auf Tetrazyklin.
Borrelien sind die Erreger der Borreliose. Die Erkrankung wird von Zecken übertragen und geht mit dermatologischen und neurologischen Symptomen einher. Die Betroffenen leiden zudem unter Gelenkschmerzen und ständiger Müdigkeit. Spirochäten sind die Erreger der Syphilis. Die Syphilis wird in der Regel beim Geschlechtsverkehr übertragen. Lange Zeit war die Erkrankung in Deutschland fast verschwunden, sie ist jedoch derzeit wieder auf dem Vormarsch.
Eine typische Indikation für Tetrazyklin ist die Lungenentzündung. Das Mittel wird vor allem bei der atypischen Lungenentzündung eingesetzt. Es ist zudem Mittel der Wahl beim Q-Fieber. Das Q-Fieber ist eine Zoonose, die vom Bakterium Coxiella burnetii hervorgerufen wird und mit grippeähnlichen Symptomen einhergeht.
Tetrazyklin wird auch bei Infektionen des Urogenitalsystems eingesetzt. Eine mögliche Indikation ist hier die Entzündung der Prostata (Prostatitis). Auch Infektionen der Haut sind typische Einsatzgebiete für Tetrazykline. So kommen die Arzneistoffe häufig zur Behandlung der Akne vulgaris zum Einsatz.
Weitere Indikationen des Arzneistoffes sind Pest, Cholera, Tularämie und Brucellose. Die Tularämie wird von frei lebenden Nagetieren übertragen. Erreger ist das Bakterium Francisella tularensis. Die Brucellose ist eine Infektionskrankheit, die durch gramnegative Stäbchenbakterien verursacht wird. Sie kann bei Menschen und bei Tieren auftreten. Die meisten Infektionen verlaufen subklinisch. Es kann aber auch zu Nachtschweiß, Schüttelfrost und Übelkeit kommen. Viele Krankheitsverläufe heilen spontan ab, es gibt allerdings auch langwierige chronische Entzündungen, die mit schwerwiegenden Symptomen wie Depression oder ständiger Schlaflosigkeit einhergehen.
Risiken & Nebenwirkungen
Der Arzneistoff schädigt nicht nur die schädlichen Bakterien. Auch die Standortflora von Vagina, Haut und Darm wird stark beeinträchtigt. Vor allem bei längerer Anwendung kann es deshalb zu Pilzerkrankungen von Scheide (Scheidenpilz) und Haut (Hautpilz) kommen. Diese bezeichnet man auch als Candidosen.
Eine weitere schwerwiegende Folgeerkrankung nach Einnahme von Tetrazyklin ist die pseudomembranöse Colitis. Dabei kommt es zu einer starken Entzündung des Dickdarms. Die Schädigung der Darmflora zeigt sich meist in Form von Verdauungsstörungen und Durchfall. Schwangere und Stillende dürfen Tetrazyklin nicht einnehmen. Der Arzneistoff wird mit Kalzium zusammen in den Knochen und in den Zahnschmelz des Ungeborenen eingebaut. Dadurch verfärben sich zum einen die Zähne und zum anderen führt die Einlagerung des Mineralstoffs zu einer erhöhten Frakturanfälligkeit. Tetrazykline dürfen deshalb erst ab dem zehnten bis zwölften Lebensjahr angewendet werden.
Da Tetrazykline Komplexe mit Metallionen wie Magnesium, Eisen oder Aluminium eingehen können, muss die Einnahme zeitlich getrennt von kalziumhaltigen Lebensmitteln wie Milch oder Quark erfolgen. Auch Antazida, Magnesiumpräparate oder Eisenpräparate dürfen nicht gemeinsam mit dem Antibiotikum eingenommen werden.
Frauen sollten beachten, dass Tetrazykline die Wirkung von oralen Verhütungsmitteln herabsetzen können. Während der Einnahme sollte deshalb zusätzlich verhütet werden. Tetrazykline dürfen nicht während einer Isotretinoin-Therapie eingenommen werden. Beide Arzneimittel können den Hirndruck gefährlich erhöhen.
Selbstverständlich dürfen Tetrazykline nicht bei einer Tetrazyklin-Unverträglichkeit eingenommen werden. Andernfalls können sich schwere allergische Symptome zeigen. Schlimmstenfalls kommt es zum allergischen Schock.