Anthracycline

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Anthracyclinen handelt es sich um eine Gruppe von Verbindungen, die aus Bakterien isoliert wurden und als Zytostatika zum Einsatz kommen. Indikationen für die daraus entstehenden Wirkstoffe Mitoxantron, Epirubicin, Idarubicin und Daunorubicin bilden Leukämien und andere karzinogene Erkrankungen. Über Prozesse der Interkalation richten sich die Medikamente gegen Tumorzellen und verhindern deren Teilung.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Anthracycline?

Anthacycline finden aufgrund ihrer anti-proliferativen Wirkmechanismen als Zytostatika bei bösartigem Krebs Einsatz.
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Anthracycline sind eine Gruppe antibiotisch wirksamer Verbindungen. Die Wirkstoffe wurden aus der Bakteriengattung Streptomyces isoliert und dienen in der Chemotherapie als Zytostatika. Speziell die Arten Streptomyces coeruleorubidus und Streptomyces peuceticus snythetisieren die Wirkstoffe. Die Wirkmechanismen der isolierten Medikamente sind vielseitig. Insbesondere richten sich die Wirkstoffe gegen Zellen mit hoher Teilungsrate.

Bei allen Vertretern aus der Gruppe der Anthracycline handelt es sich um aromatische Kohlenwasserstoffmoleküle. Dies sind cyclische und planare Kohlenwasserstoffe mit einem aromatischen System.

Anthracycline werden auch als Anthracyclin-Antibiotika bezeichnet. Zu den bekanntesten Vertretern dieser Wirkstoffgruppe zählen neben Idarubicin, Daunorubicin und Doxorubicin auch Mitoxantron und Epirubicin.

Pharmakologische Wirkung

Einer der wichtigsten Wirkungsmechanismen von Anthracyclinen ist die Interkalation. Als solche ist die reversible Einlagerung einzelner Ione, Atome oder Moleküle in chemische Verbindungen bekannt. Die Molekülstruktur der lagernden Partikel verändert sich durch die Einlagerung kaum. Die anorganische Chemie spricht bei der Einlagerung unterschiedlichster Atome, Ione und kleinerer Moleküle zwischen den Kristallgitterebenen der Schichtkristalle von Interkalation, so zum Beispiel bei der Einlagerung von Alkalimetallen in Graphitkristallgitter.

An dieser Definition der anorganischen Chemie orientiert sich die biochemische Definition des Begriffs. Im Bezug auf die DNA ist immer dann von Prozessen der Interkalation die Rede, wenn einzelne Moleküle in den Doppelhelix-DNA-Strang zwischen benachbarten Basenpaaren Einzug finden. Eine derartige Interkalation stört die Replikation sowie Transkription der DNA. Beim Replikationsvorgang entstehen Rastermutationen. Aus diesem Grund wird der Interkalation eine mutagene Wirkung zugeschrieben.

Durch Interkalation werden außerdem Prozesse der Proteinbiosynthese gestört. Für die betroffenen Zellen bedeutet das den Zelltod. Darüber hinaus tragen Anthracycline das Enzym Topoisomerase II. Dieses Enzym lockert die Helix-Windungen doppelsträngiger DNA-Stränge und verändert damit die Raumstruktur der DNA-Doppelhelix.

Biochemisch betrachtet, spaltet Topoisomerase II unter dem Verbrauch von ATP vorübergehend beide Stränge der DNA auf. Die dabei entstehende Lücke zwischen den Strängen wird als Führungsloch verwendet und nimmt einen anderen Abschnitt der Doppelhelix auf.

Über Interkalation und Enzymbindung hinaus sind Anthracycline zur Bildung von freien Radikalen in der Lage. So erzeugen sie Doppelstang-Brüche innerhalb der Tumor-DNA. Ihre Wirkstoffe erhöhen außerdem die Durchlässigkeit der Tumorzellmembran und töten die Zellen auf diese Art und Weise ab.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Alle Anthracycline richten sich auf unterschiedliche Art und Weise gegen die Proliferation oder Verbreitung maligner Raumforderungen. Bösartige Tumore wachsen invasiv ins umliegende Gewebe ein, um es zu zerstören. Über die Blut- und Lymphwege säen sie ab einem gewissen Zeitpunkt Metastasen. Trotz der medizinischen Fortschritte ist bösartiger Krebs im 21. Jahrhundert noch immer eine der bedrohlichsten Erkrankungen überhaupt.

Anthacycline finden aufgrund ihrer anti-proliferativen Wirkmechanismen als Zytostatika bei bösartigem Krebs Einsatz. Als Wirkmechanismus nutzen sie vor allem die Interkalation von Tumor-DNA, die die Proteinbiosynthese der Zellen blockiert und sie damit zum Absterben verdammt.

Die Indikation zur Gabe von Daunorubicin stellt sich zum Beispiel mit lymphatischer oder myeloischer Leukämie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

In den meisten Fällen wird Daunorubicin gemeinsam mit anderen Zytostatika gegeben und stellt speziell bei akut lymphatischer Leukämie einen Einleitungswirkstoff innerhalb der chemotherapeutischen Induktionsphase dar.

Idarubicin kommt wiederum in der Kombinationstherapie von Leukämien zur Anwendung. Besonders ältere Patienten mit akut myeloischer Leukämie erhalten diesen Wirkstoff. In der Regel findet vor der Gabe keine Vorbehandlung statt. Als palliative Therapie eignet sich das Zytostatikum allerdings nicht.

Mitoxantrom kommt nicht nur bei Leukämie, sondern außerdem bei Mammakarzinomen, Non-Hodgkin-Lymphomen und Prostatakarzinomen zum Einsatz. Außerdem dient es der Eskalationstherapie von Patienten mit Multiple Sklerose. Auch Epirubicin findet bei Mammakarzinomen und Non-Hodgkin-Lymphomen Einsatz. Weitere Indikationen stellen Sarkome und Magenkarzinome dar.


Risiken & Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen von Anthracyclinen hängen von dem jeweiligen Wirkstoff ab. Daunorubicin kann Leukopenie, Thrombopenie sowie Anämie begünstigen. Außerdem treten teilweise Blutungen, Infektionen durch immunologische Schwächung, Haarausfall oder Angina pectoris auf. Das Herzkreislaufsystem kann Hypertonien, Herzrhythmusstörung, Myokarditis, Endokarditis, Herzinsuffizienz und Herzmuskelschäden entwickeln.

Darüber hinaus sind Perikard-Ergüsse, Lungenödeme und Beschwerden des Magendarmtrakts verbreitete Nebenwirkungen. Neben Übelkeit kann es dabei zu Erbrechen, Durchfall oder Bauchschmerzen kommen, da die Schleimhaut angegriffen wird.

Doxorubicin zeigt ähnliche Nebenwirkungen und ist damit wie Daunorubicin vor allem mit Knochenmarkdepression und Kardiotoxizität assoziiert. Bei Mitoxantron treten zusätzlich zu den genannten Nebenwirkungen häufig Schwindel, eine Verfärbung des Urins und der Sklera sowie Hautnekrosen auf. In Einzelfällen löst das Medikament außerdem Leukämien aus.

Aufgrund der mannigfaltigen Nebenwirkungen und der drohenden Organschäden existieren unzählige Kontraindikationen zur Gabe von Anthracyclinen. Gerade bei bestehenden Herzinsuffizienzen oder Kardiomyopathie ist die Gabe der Wirkstoffe aufgrund der zu erwartenden Kardiotoxizität kaum zu verantworten.

Darüber hinaus stellen schwere Infektionen in der Regel eine Kontraindikation dar. Denn Anthracycline dämpfen das körpereigene Immunsystem, sodass bestehende Infektionen eine lebensbedrohliche Sepsis (Blutvergiftung) hervorrufen können.

Idarubicin eignet sich außerdem nicht für Patienten mit Blutungsneigung, Niereninsuffizienz oder Leberinsuffizienzen. Grundsätzlich müssen Risiken und Nutzen genauestens gegeneinander abgewogen werden.

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