Procainamid

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. November 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Wirkstoffe Procainamid

Procainamid ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antiarrhythmika. Die Substanz wird vor allem in der Therapie von Herzrhythmusstörungen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Procainamid?

Das Antiarrhythmikum wurde zur Therapie von Herzrhythmusstörungen entwickelt. So gehören unter anderem therapieresistente ventrikuläre und supraventrikuläre Tachykardien zu den Indikationen für eine Behandlung mit Procainamid.
© abhijith3747 – stock.adobe.com

Procainamid ist ein Antiarrhythmikum der Klasse Ia. Diese verschlechtern die Erregbarkeit der Herzzellen und führen so zu einer Verlängerung des Aktionspotentials. Infolge sind die Herzzellen nicht so gut erregbar und überflüssige Herzaktivitäten bleiben aus.

Die Klasse I der Antiarrhythmika entspricht der Gruppe der Natriumkanalblocker. Allerdings ist Procainamid kein Mittel der ersten Wahl, sondern wird im europäischen Raum fast ausschließlich als Reserveantiarrhythmikum genutzt.

Die Bioverfügbarkeit von Procainamid liegt bei 80 Prozent, nur 20 Prozent des Wirkstoffes sind an die sogenannten Plasmaproteine im Blut gebunden. Die Verstoffwechselung des Arzneistoffes findet überwiegend in der Leber durch das hepatische Cytochrom P450-System statt.

Die Plasmahalbwertszeit liegt bei durchschnittlich drei Stunden. Das bedeutet, dass innerhalb dieses Zeitraumes die Konzentration von Procainamid im Blutplasma auf die Hälfte des ursprünglichen Wertes abfällt. Die Ausscheidung von Procainamid erfolgt über die Nieren.

Pharmakologische Wirkung

Procainamid gehört zu den Natriumkanalblockern. Diese werden auch als Natriumkanalantagonisten bezeichnet. Sie binden sich an einen spannungsabhängigen Natriumkanal, der für die Depolarisation im Rahmen des Aktionspotentials verantwortlich ist. Das Aktionspotential ist eine vorübergehende Abweichung des Membranpotentials einer Zelle in den positiven Bereich. Ohne eine ausreichende Depolarisation ist kein Aktionspotential und damit auch keine Reizweiterleitung im Bereich der Nervenfasern und der Zellen möglich.

Die Natriumkanalblocker werden entsprechend ihrer Affinität zum Kanal und ihrer Wirkgeschwindigkeit in verschiedene Subklassen unterteilt. Procainamid gehört zur Klasse Ia. Diese blockieren die Natriumkanäle und verlangsamen die Depolarisationsgeschwindigkeit. Durch eine Hemmung der Kaliumkanäle bewirkt Procainamid zudem eine Verlängerung der Repolarisationsdauer und führt so zusammenfassend zu einer Verlängerung des Aktionspotentials.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Das Antiarrhythmikum wurde zur Therapie von Herzrhythmusstörungen entwickelt. So gehören unter anderem therapieresistente ventrikuläre und supraventrikuläre Tachykardien zu den Indikationen für eine Behandlung mit Procainamid.

Die ventrikulären Rhythmusstörungen haben ihren Ursprung im Reizleitungssystem des Herzens in der Nähe des sogenannten His-Bündels, einem Teil des Reizleitungssystems. Bei einer ventrikulären Tachykardie schlägt das Herz bis zu 320 Mal pro Minute. Man spricht hier auch vom Kammerflimmern. Supraventrikuläre Tachykardien entstehen hingegen über den Kammern, im Bereich des Sinusknotens oder der Herzvorhöfe.

Auch bei Tachyarrhythmien kommt Procainamid zum Einsatz. Eine Tachyarrhythmie ist eine Kombination aus einer Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) und einer Tachykardie, also einem zu schnellen Herzschlag.


Verabreichung & Dosierung

Procainamid, ein Antiarrhythmikum der Klasse Ia, wird zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen wie ventrikulären Tachykardien und supraventrikulären Arrhythmien eingesetzt. Bei der Verabreichung und Dosierung sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Die Dosierung von Procainamid erfolgt individuell, abhängig von der Indikation, dem klinischen Zustand des Patienten und der Reaktion auf das Medikament. In akuten Fällen wird es oft intravenös verabreicht, wobei eine Initialdosis von 10–15 mg/kg Körpergewicht über 20–30 Minuten empfohlen wird. Nach der Initialdosis kann eine Erhaltungsinfusion mit einer Rate von 1–4 mg/min erfolgen. Bei oraler Einnahme beträgt die übliche Erhaltungsdosis 50 mg/kg Körpergewicht pro Tag, aufgeteilt in mehrere Einzeldosen.

Wichtig ist die Überwachung der Nieren- und Leberfunktion, da Procainamid bei eingeschränkter Organfunktion langsamer abgebaut wird und sich im Körper anreichern kann. Dies erhöht das Risiko für Nebenwirkungen wie Hypotension, QT-Verlängerung oder proarrhythmische Effekte. Regelmäßige EKG-Kontrollen sind notwendig, um das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien zu minimieren.

Procainamid kann die Produktion von antinukleären Antikörpern (ANA) stimulieren und in seltenen Fällen ein lupusartiges Syndrom auslösen. Patienten sollten auf Symptome wie Gelenkschmerzen oder Hautausschläge überwacht werden. Bei längerer Anwendung ist zudem eine Kontrolle des Blutbilds erforderlich, da eine Agranulozytose oder andere hämatologische Veränderungen auftreten können.

Risiken & Nebenwirkungen

Zu den häufigen Nebenwirkungen von Procainamid gehören Störungen der Kreislaufregulation und ein zu niedriger Blutdruck (Hypotonie). Auch Fieber kann bei Einnahme des Antiarrhyhthmikums auftreten. In selteneren Fällen kann sich eine sogenannte Agranulozytose entwickeln. Dabei kommt es zu einem vollständigen Mangel an bestimmten weißen Blutkörperchen, den Granulozyten, im Blut. Die Patienten leiden unter einem ausgeprägten Krankheitsgefühl, bakteriellen Infektionen mit Schüttelfrost und Fieber sowie unter Schleimhautnekrosen im Bereich des Anus, der Genitalien und des Rachens.

Über eine Induktion von antinukleären Antikörpern kann Procainamid einen systemischen Lupus Erythematodes provozieren. Es handelt sich dabei um eine Systemerkrankung mit Symptomen wie Fieber, Muskelentzündungen, auffallenden Rötungen an Wangen und Nase, Nierenveränderungen, neurologischen Beschwerden oder deutlichen Veränderungen im Blutbild.

Zu den Nebenwirkungen, die unter der Einnahme von Procainamid auftreten können, gehören zudem Mundtrockenheit, Störungen der Geschmacksempfindung, Kopfschmerzen und Schwindel. Auch Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung sind potenzielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

Procainamid darf nicht bei bekannter Überempfindlichkeit eingesetzt werden. Zu den Kontraindikationen gehört neben einer Herzinsuffizienz auch ein verlangsamter Herzschlag. Ebenso ist Procainamid nicht für Patienten mit Störungen im Reizleitungssystem des Herzens wie beispielsweise dem Sick-Sinus-Syndrom geeignet.

Innerhalb der ersten drei Monate ist eine Einnahme von Procainamid genauso kontraindiziert wie bei niedrigem Blutdruck, Störungen des Elektrolythaushalts und schwerem Asthma bronchiale.

Die autoimmunbedingte Störung Myasthenia gravis, die mit Muskellähmungen einhergeht, gehört ebenfalls zu den Kontraindikationen. Zudem darf Procainamid nicht in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit eingenommen werden.

Kontraindikationen

Die Verwendung von Procainamid ist bei verschiedenen medizinischen Bedingungen kontraindiziert, da es potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen kann. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine bestehende AV-Blockierung zweiten oder dritten Grades, sofern kein Herzschrittmacher vorhanden ist. Procainamid kann die Überleitung im Herzen weiter verlangsamen und schwere Bradykardien oder Herzstillstand verursachen.

Auch bei einer schweren Herzinsuffizienz sollte Procainamid nicht eingesetzt werden, da es die Kontraktilität des Herzens beeinträchtigen kann. Dies kann die kardiale Pumpleistung weiter verschlechtern. Ebenso ist es kontraindiziert bei schwerer Hypotonie, da es den Blutdruck weiter senken kann.

Patienten mit Long-QT-Syndrom oder einer familiären Vorgeschichte von Torsades de Pointes sollten Procainamid nicht einnehmen, da es die QT-Zeit verlängern und das Risiko für lebensbedrohliche Arrhythmien erhöhen kann.

Bei schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz ist Vorsicht geboten, da Procainamid und sein aktiver Metabolit N-Acetylprocainamid (NAPA) langsamer abgebaut werden und sich toxische Konzentrationen ansammeln können.

Darüber hinaus ist Procainamid bei einer bekannten Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder verwandte Substanzen kontraindiziert. Es sollte auch nicht bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Agranulozytose oder anderen schweren hämatologischen Erkrankungen verwendet werden, da es selbst das Blutbild beeinträchtigen kann.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Procainamid kann mit einer Reihe von Medikamenten interagieren, was seine Wirksamkeit und Sicherheit beeinflusst. Eine bedeutende Interaktion besteht mit anderen Medikamenten, die die QT-Zeit verlängern (z. B. Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Sotalol, Antidepressiva wie trizyklische Antidepressiva, oder bestimmte Antibiotika wie Makrolide). Die Kombination erhöht das Risiko für Torsades de Pointes, eine lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmie.

Bei gleichzeitiger Anwendung von Betablockern oder Kalziumkanalblockern kann die depressive Wirkung auf die Herzfrequenz und die Überleitung verstärkt werden, was das Risiko für eine Bradykardie oder einen AV-Block erhöht.

Digoxin kann in Kombination mit Procainamid zu einer erhöhten Serumkonzentration von Digoxin führen, da Procainamid die renale Ausscheidung von Digoxin hemmen kann. Dies erhöht das Risiko für Digoxin-Toxizität und erfordert eine Überwachung der Digoxin-Spiegel.

Die gleichzeitige Einnahme von Muskelrelaxantien wie Suxamethonium kann deren Wirkung verstärken, da Procainamid die neuromuskuläre Übertragung beeinflussen kann. Dies kann zu verlängerten muskulären Blockaden führen.

Procainamid kann auch die Wirkung von Antikoagulanzien wie Warfarin verstärken, indem es deren Metabolisierung beeinflusst, was das Risiko für Blutungen erhöht. Regelmäßige INR-Kontrollen sind in solchen Fällen notwendig.

Zudem sollte Procainamid vorsichtig mit anderen Antiarrhythmika kombiniert werden, da sich die proarrhythmischen Effekte addieren können. Engmaschige Überwachung von EKG und Elektrolyten ist bei all diesen Kombinationen essenziell, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Procainamid nicht vertragen wird, stehen alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, abhängig von der Art der Herzrhythmusstörung. Ein häufig verwendetes Antiarrhythmikum ist Amiodaron, das für eine Vielzahl von Arrhythmien eingesetzt wird, einschließlich supraventrikulärer und ventrikulärer Tachykardien. Es hat eine breite Wirksamkeit, jedoch auch ein anderes Nebenwirkungsprofil, das überwacht werden muss.

Lidocain ist eine weitere Alternative, insbesondere bei ventrikulären Tachykardien. Es wird meist intravenös in akuten Situationen eingesetzt und ist gut geeignet, wenn Procainamid nicht toleriert wird oder kontraindiziert ist.

Bei supraventrikulären Arrhythmien wie Vorhofflimmern können Flecainid oder Propafenon in Betracht gezogen werden. Diese Klasse-Ic-Antiarrhythmika sind wirksam zur Rhythmuskontrolle, erfordern jedoch eine sorgfältige Überwachung, insbesondere bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung.

Für die Frequenzkontrolle bei supraventrikulären Arrhythmien können Betablocker wie Metoprolol oder Kalziumkanalblocker wie Verapamil eingesetzt werden. Diese Medikamente regulieren die Herzfrequenz, ohne direkte antiarrhythmische Effekte.

In bestimmten Fällen, wie bei persistierenden ventrikulären Arrhythmien, kann eine Katheterablation eine nicht-medikamentöse Alternative sein. Diese Methode zielt darauf ab, die ursächlichen elektrischen Bahnen im Herzen zu beseitigen.

Die Wahl der Therapie hängt von der spezifischen Arrhythmie, den Begleiterkrankungen und der individuellen Verträglichkeit ab. Regelmäßige Überwachung und Anpassung der Therapie sind essenziell, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

Das könnte Sie auch interessieren