Reserpin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Reserpin ist ein Arzneistoff, der als Antihypertonikum und als Neuroleptikum verwendet wird. Ursprünglich stammt der Wirkstoff aus einigen Pflanzen aus der Gruppe der Schlangenwurzel.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Reserpin?

Reserpin ist ein Arzneistoff, der als Antihypertonikum und als Neuroleptikum verwendet wird.

Reserpin ist eine chemische Verbindung, die natürlicherweise in Pflanzen vorkommt. Der Stoff gehört zu den Indolalkaloiden. Indolalkaloide sind die größte Gruppe innerhalb der Alkaloide. Sie sind durch ihren Indol- oder Indolingrundkörper charakterisiert.

Der Arzneistoff Reserpin wurde in der westlichen Medizin insbesondere durch die Pflanze Rauvolfia serpentina aus Indien bekannt. Reserpin gehörte zu jenen Arzneistoffen, die die Ära der modernen Psychomedikation einleiteten. Der Stoff wurde zunächst in psychiatrischen Einrichtungen bei Schizophrenie als Neuroleptikum eingesetzt. Neuroleptika werden heute auch als Antipsychotika bezeichnet. Es handelt sich dabei um Arzneistoffe, die eine antipsychotische und / oder eine sedierende Wirkung haben.

Später wurde Reserpin vor allem als Mittel gegen Bluthochdruck (Hypertonie) eingesetzt. Heute ist Reserpin aufgrund verschiedener Nebenwirkungen weder als Neuroleptikum noch als Antihypertonikum Mittel der ersten Wahl.

Pharmakologische Wirkung

Die Wirkung des Reserpins im menschlichen Körper kann in eine zentrale und in eine periphere Wirkung unterteilt werden. Durch Reserpin wird der Neurotransmitter Noradrenalin im sympathikotonen Nervensystem gehemmt. Betroffen ist vor allem das postganglionäre System. Zwar entladen sich durch die Verarmung des Neurotransmitters mehr Nervenzellen als vor der Einnahme des Arzneistoffes, der Reiz wird jedoch nicht in die Peripherie des Körpers fortgeleitet. Durch die Hemmung des Sympathikus wird die Herzfrequenz gesenkt und somit auch entsprechend der Blutdruck gesenkt.

Gleichzeitig senkt Reserpin die Dopamin- und Serotoninkonzentration im Zentralnervensystem. Auf der zellulären Ebene leert Reserpin ferner die Speicher der biogenen Amine. Dazu gehören Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Zudem können die Neurotransmitter nicht mehr über die Vesikel in die Zelle aufgenommen werden. Aufgrund dieser Wirkmechanismen kommt es zu der antipsychotischen und sedierenden Wirkung des Reserpins.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Reserpin wurde erstmals im Jahr 1952 aus der Pflanze Rauvolfia serpentina isoliert. Während der Arzneistoff in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren häufig als Antihypertonikum und Neuroleptikum genutzt wurde, findet Reserpin sich heute nur noch selten in Arzneimitteln. Der Stoff wurde durch wirksamere Arzneistoffe mit weniger Nebenwirkungen ersetzt. In pharmakologisch relevanten Mengen ist Reserpin heute nur noch als Bestandteil von Diuretika auf dem Markt. Dabei wird Reserpin mit Thiaziddiuretika, Dihydralazin und Hydrochlorothiazid kombiniert. Jedoch nimmt auch die Verordnungshäufigkeit dieser verbleibenden Präparate mit Reserpin ab. Derzeit ist zudem ein homöopathisches Präparat auf dem Markt, das Reserpin als Reinstoff in der Potenz D3 32 Milligramm enthält.

Reserpin kann auch diagnostisch genutzt werden. So kommt der Arzneistoff teilweise zum Einsatz, wenn der Verdacht auf ein Karzinoid besteht. Karzinoide sind neuroendokrine Tumore, die Gewebshormone wie Kallikrein und Serotonin produzieren. Der Reserpin-Test ist ein Provokationstest. Karzinoide produzieren in der Regel große Mengen Serotonin. Reserpin sorgt für die Freisetzung des Serotonins aus den Tumorzellen, sodass sich nach der Reserpingabe die typische Symptomatik des Karzinoids verstärkt zeigt. Zudem zeigt sich im Urin eine stark erhöhte Konzentration von 5-HIES. 5-HIES ist ein Abbauprodukt des Serotonins.


Risiken & Nebenwirkungen

Reserpin ist vor allem aufgrund seiner mithin schwerwiegenden Nebenwirkungen in Verruf geraten. Reserpin senkt die Verfügbarkeit von Katecholaminen und senkt so den Sympathikotonus. Acetylcholin, ein weiterer Neurotransmitter, bleibt von dieser Wirkung jedoch unbeeinträchtigt, sodass in Folge der Arzneimitteleinnahme der Parasympathikus in seiner Aktivität überwiegt. Es kann zu Verengungen der Pupillen, zu Hängelidern und zu Schwellungen der Nasenschleimhäute kommen. Dieses Phänomen wird auch als Reserpin-Schnupfen bezeichnet.

Weitere Nebenwirkungen, die durch die gesteigerte Aktivität des Parasympathikus entstehen, sind Potenz- und Libidoverlust und Durchfall. Es können Magen- und Darmgeschwüre entstehen. Neben der durchaus gewünschten Bradykardie kann sich zudem ein lagebedingter Blutdruckabfall einstellen. Diese orthostatische Hypotonie kann so stark ausgeprägt sein, dass die Betroffenen beim raschen Aufstehen das Bewusstsein verlieren.

Reserpin kann über die Muttermilch und über die Plazenta das ungeborene bzw. neugeborene Kind schädigen. Wenn Mütter im letzten Trimenon ihrer Schwangerschaft Reserpin eingenommen haben, leiden die Kinder nach der Geburt deutlich häufiger an Atem- und Trinkstörungen. Neugeborene zeigen oft eine ausgeprägte Lethargie. Der Fötus kann einen verlangsamten Herzschlag aufweisen. Bei Frauen kann Reserpin zudem Menstruationsbeschwerden bedingen.

Im Zentralnervensystem entstehen die Nebenwirkungen vor allem durch den Mangel an Serotonin und Dopamin. Es kommt zu sogenannten extrapyramidal-motorischen Störungen und zu Parkinsonismus mit Symptomen wie Muskelstarre, Bewegungslosigkeit, Muskelzittern und Haltungsinstabilität.

Wenn Reserpin überdosiert wird, fallen Blutdruck, Herzschlagfrequenz und Körpertemperatur rapide ab. Die Betroffenen leiden unter starker Benommenheit. Eventuell treten zusätzlich Krämpfe auf.

Es ist zu beachten, dass bei vorheriger Gabe von trizyklischen oder tetrazyklischen Antidepressiva eine sogenannte Reserpinumkehr eintritt. Dabei wird die motorische Erregung nicht wie gewollt gehemmt, sondern gesteigert. Indirekte Sympathomimetika wirken bei einer Vorbehandlung mit Reserpin nicht. Hingegen wird die senkende Wirkung von Antidiabetika auf den Blutzuckerspiegel durch Reserpin verstärkt. Die Wirkung von Antiparkinsonmedikamenten wie Levodopa oder Bromocriptin wird gestört. Patienten, die parallel herzwirksame Glykoside und Reserpin einnehmen, können Herzrhythmusstörungen entwickeln.

Bei depressiven Episoden in der Vorgeschichte, bei bestehenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren und bei Asthma bronchiale ist Reserpin kontraindiziert.

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